Bilanzskandal

Fünf deutsche Wirecard-Töchter melden Insolvenz an

Veröffentlicht: 02.07.2020 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 02.07.2020
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Fünf Tochterunternehmen von Wirecard mussten nun ebenfalls Insolvenz anmelden, wie das Amtsgericht München am Donnerstag bekanntgab. Wie das Handelsblatt berichtet, übernimmt der bereits für die Muttergesellschaft berufene Insolvenzverwalter Michael Jaffé auch die Insolvenzverwaltung der nun betroffenen Wirecard-Töchter.

Bei den betroffenen Unternehmen handelt es sich demnach um die Wirecard Acceptance Technologies GmbH, die Wirecard Sales International Holding GmbH, die Wirecard Service Technologies GmbH, die Wirecard Issuing Technologies GmbH und die Wirecard Global Sales GmbH. Die fünf Unternehmen sind wie die Muttergesellschaft in Aschheim bei München angesiedelt und bieten Dienstleistungen und Software für die Wirecard AG an.

Wirecard springen die Kunden ab

Die Wirecard Bank, über die Zahlungsgeschäfte für Händler und Kunden abgewickelt werden, ist demnach weiterhin nicht von der Insolvenz betroffen und kann ihre Geschäfte weiterführen. Händler und Kunden müssen hier also vorerst nicht mit Problemen beim Zahlungsverkehr rechnen.

Trotzdem wird Wirecard wohl einen Kunden-Exodus erleben: Unter anderem sei mit Aldi Süd bereits einer der größten Kunden abgesprungen. Das Unternehmen, das sich als eines der ersten zu der Wirecard-Pleite geäußert hatte, wolle dem Handelsblatt zufolge Kreditkartenzahlungen künftig mit Payone abwickeln. Auch der vielversprechende Deal mit Softbank wurde offenbar abgeblasen, wie Medien berichten.

Sollten nun zahlreiche Kunden abspringen, könnte das den Verkaufswert von Wirecard erheblich drücken. Jaffé hatte kürzlich erst angekündigt, dass es großes Interesse von Investoren gebe, den insolventen Konzern in Einzelteilen zu kaufen

Der Bundestag beschäftigt sich mit dem Fall

Derweil beschäftigt der Fall Wirecard auch den Bundestag. Bereits gestern wurde in einer Ausschussanhörung über die Insolvenz des Unternehmens und den milliardenschweren Bilanzskandal diskutiert. Vor allem die Rolle der Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer, die lange Zeit nicht auf die Unstimmigkeiten aufmerksam wurden, kritisierten die Fraktionen. Ein Vertreter von CDU/CSU erklärte demnach, dass es zu einem „großen Vertrauensschaden“ geführt habe, dass „ein Dax-Konzern in wenigen Tagen ins Nichts falle“, wie es in der Mitteilung des Bundestages heißt.

Die Bafin sei demnach „ein Teil der Entwicklungen“ gewesen, heißt es. Die Finanzaufsicht habe früher gestellte Fragen zu Wirecard nicht beantwortet, monierten CDU/CSU und weitere Fraktionen. Die SPD-Fraktion sprach im Wirecard-Fall gar von einem „Vorgang mit enormer krimineller Energie“. Die Sozialdemokraten fordern, die Haftung der Wirtschaftsprüfer zu ändern – dass ihnen nie etwas aufgefallen wäre, sei verwunderlich.

Bafin-Chef Hufeld verteidigt seine Behörde

Die Bundesregierung hatte den Fall Wirecard bereits zuvor als „in höchstem Maße besorgniserregend“ bezeichnet. Das Vertrauen in den Finanzmarkt müsse nun wieder gestärkt werden, das System der Finanzkontrolle sei bisher „nicht effektiv genug“ gewesen und müsse verbessert werden.   

Bafin-Chef Felix Hufeld verteidigte das Verhalten seiner Behörde. Nach anonymen Hinweisen im Januar 2019 und einer Artikelserie in der Financial Times habe die Bafin die Deutsche Prüfungsstelle für Rechnungslegung (DPR) eingeschaltet. Diese sei das „schärfste Instrument mit Blick auf Bilanzfragen“ der Bafin – doch wie nun bekannt wurde, hatte die DPR nur einen einzigen Mitarbeiter auf den Fall angesetzt. Bis heute liegt das Ergebnis der DPR-Prüfung zu Wirecard nicht vor – und erst wenn das der Fall ist, darf die Bafin tätig werden. 

Das zweistufige System aus DPR und Bafin sei im Regelbetrieb gut, so Hufeld. Aber es gebe Defizite, sobald Dinge eskalieren. Dazu kommt, dass Wirecard ein Technologieunternehmen und keine Finanzholding sei, womit das zweistufige System greife – erst bei einer Einstufung als Finanzholding sei die Bafin Herr des Verfahrens. 

Über den Autor

Michael Pohlgeers
Michael Pohlgeers Experte für: Marktplätze

Micha gehört zu den „alten Hasen“ in der Redaktion und ist seit 2013 Teil der E-Commerce-Welt. Als stellvertretender Chefredakteur hat er die Themenauswahl mit auf dem Tisch, schreibt aber auch selbst mit Vorliebe zu zahlreichen neuen Entwicklungen in der Branche. Zudem gehört er zu den Stammgästen in unseren Multimedia-Formaten, dem OHN Podcast und unseren YouTube-Videos.

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