Befragung im Untersuchungsausschuss

Der Ex-Wirecard-Chef und die Wirtschaftsprüfer wollen schweigen

Veröffentlicht: 23.11.2020 | Geschrieben von: Michael Pohlgeers | Letzte Aktualisierung: 23.11.2020
Wirecard-Zentrale

Die erste Befragung des ehemaligen Wirecard-Chefs Markus Braun vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages hat kaum Antworten hervorgebracht. Braun verweigerte größtenteils die Aussage, nahm aber Politik und Aufsichtsbehörden in Schutz, berichtet Heise Online.

Wie der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Skandalunternehmens in einer kurzen Aussage erklärte, habe er „zu keiner Zeit Feststellungen getroffen oder Hinweise erhalten, dass sich Behörden, Aufsichtsstellen oder Politiker nicht korrekt, pflichtwidrig oder in irgendeiner Form unlauter verhalten hätten“. Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer hätten sich Braun zufolge ebenfalls nichts zuschulden kommen lassen.

„Am Ende werden unabhängige Richter entscheiden“

In seiner Aussage sprach der ehemalige Wirecard-Chef von „veruntreuten Unternehmensgeldern“, ohne genauere Angaben zu Geschädigten oder Profiteuren zu machen. Fragen des Untersuchungsausschusses beantwortete Braun allerdings nicht. Er wolle sich zunächst vor der Staatsanwaltschaft äußern, so seine Erklärung. „Am Ende werden unabhängige Richter entscheiden, wer die rechtliche Verantwortung für den Zusammenbruch des Unternehmens der Wirecard AG trägt“, so Braun. 

Das Verhalten des Managers sorgte für deutliche Kritik bei den Abgeordneten. Matthias Hauer (CDU) und Danyal Bayaz (Die Grünen) warfen Braun vor, sich gegenüber dem Parlament und der Öffentlichkeit respektlos zu verhalten. Auch der FDP-Abgeordnete Florian Toncar fand kritische Worte: „Er trickst, er verfolgt rücksichtslos den eigenen Vorteil“, so Toncars Urteil. 

Die Wirtschaftsprüfer wollen nicht aussagen

Braun ist aber nicht der einzige, der zu den Vorfällen um Wirecard schweigen will: Auch die Wirtschaftsprüfer von EY, die in dieser Woche vor den Untersuchungsausschuss treten sollen, wollen der Zeit zufolge nicht aussagen. Das gehe aus drei Anwaltsschreiben an den Ausschuss hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen sollen. Die Mitarbeiter von EY berufen sich demnach auf ihre Verschwiegenheitspflicht als Wirtschaftsprüfer.

Die Prüfungsgesellschaft steht in der Kritik, weil sie die Jahresabschlüsse von Wirecard testiert hatte und nicht auf den milliardenschweren Betrug aufmerksam geworden ist. Dass die Prüfer die Aussage nun verweigern wollen, sorgt in der Politik für Unverständnis. Toncar zufolge deute vieles auf ein Versagen bei der Abschlussprüfung hin. Danyal Bayaz sagte, die Prüfer sollen trotz ihrer Weigerung vor dem Ausschuss erscheinen und bis dahin „in sich gehen, ob sie ihren Beitrag zur politischen Aufklärung tatsächlich verweigern möchten“. 

Den Abgeordneten geht es nicht nur darum, den Fall Wirecard aufzuklären: Ähnliche Fälle sollen in Zukunft vermieden werden. Dafür seien die Aussagen der Wirtschaftsprüfer von zentraler Bedeutung. Ob sie nun wie geplant am kommenden Donnerstag vor den Untersuchungsausschuss treten werden, wird sich zeigen müssen.

Wirecard fehlen 1,9 Milliarden Euro

Der Wirecard-Skandal war Ende Juni aufgeflogen, als der Vorstand des Unternehmen eingeräumt hatte, dass Bankguthaben in Höhe von 1,9 Milliarden Euro wahrscheinlich nicht existieren. Wirecard habe mit Luftbuchungen auf Treuhandkonten in Asien die Bilanz aufgebläht und so Verluste im Kerngeschäft kaschiert. Der Betrug sei so umfassend gewesen, dass er die Wirtschaftsprüfer getäuscht habe, argumentierte EY. Markus Braun wurde kurze Zeit später festgenommen, der ehemalige Finanzvorstand Jan Marsalek ist untergetaucht und befindet sich weiterhin auf der Flucht

Wirecard wurde inzwischen aufgespalten und in Teilen verkauft. Das Kerngeschäft des Unternehmens ging kürzlich an die spanische Bank Santander.

Über den Autor

Michael Pohlgeers
Michael Pohlgeers Experte für: Marktplätze

Micha gehört zu den „alten Hasen“ in der Redaktion und ist seit 2013 Teil der E-Commerce-Welt. Als stellvertretender Chefredakteur hat er die Themenauswahl mit auf dem Tisch, schreibt aber auch selbst mit Vorliebe zu zahlreichen neuen Entwicklungen in der Branche. Zudem gehört er zu den Stammgästen in unseren Multimedia-Formaten, dem OHN Podcast und unseren YouTube-Videos.

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