Brite-CEO Lena Hackelöer im Interview

„In der Fintech-Branche fehlt es an weiblichen Vorbildern“

Veröffentlicht: 10.02.2022 | Geschrieben von: Christoph Pech | Letzte Aktualisierung: 10.02.2022
Fintech

Sieben Jahre lang arbeitete Lena Hackelöer bei Klarna. Mit ihrem selbst gegründeten Unternehmen Brite nimmt sie die Sache nun selbst in die Hand. Brite legt den Fokus auf Instant Payments, also Zahlungen in Echtzeit. Sofortauszahlungen in Echtzeit sind noch vergleichsweise neu und werden den Markt in den kommenden Jahren prägen, davon ist Hackelöer überzeugt.

Weibliche CEOs sind in der Branche noch eine Seltenheit – auch ein Grund, warum es noch wenige Frauen in den Fintech-Bereich zieht, der noch immer von Männern dominiert wird. Das will Hackelöer ändern. Bei Brite sind 50 Prozent der leitenden Positionen weiblich besetzt.

Der Klarna-Start in Deutschland „war zu Beginn sehr holprig“

OHN: Fintechs gibt es mittlerweile viele – was macht Brite besonders?

Lena Hackelöer: Wir konzentrieren uns auf einen Aspekt im Bereich Payment, den so bisher nur sehr wenige anbieten können: Europaweite Instant Payments, also Zahlungen in Echtzeit. Durch unser Bankennetzwerk und dank der SEPA-Technologie können wir Händler*innen und Kund*innen die Möglichkeit bieten, innerhalb von Sekunden Zahlungen zu tätigen oder auf ihrem Konto zu erhalten. Und das 24/7, 365 Tage im Jahr, binnen weniger Sekunden.

Sind sieben Jahre Klarna eher schwerer Rucksack oder reicher Erfahrungsschatz?

Definitiv reicher Erfahrungsschatz! Ich durfte Teil einer der größten europäischen Fintech-Erfolgsgeschichten sein. Zu Klarna bin ich während der europäischen Expansionsphase gestoßen und habe dort zunächst das globale B2B-Marketing aufgebaut. Kaum jemand kennt heute nicht das Vorzeige-Unicorn Klarna. Das war zu Beginn kaum denkbar. Speziell der Start in Deutschland, den ich aus Stockholm heraus begleitet habe, war zu Beginn sehr holprig. Ich bin sehr stolz auf das, was ich mit meinen damaligen Kolleg*innen geschafft habe. Zudem habe ich eine umfangreiche FinTech-Kompetenz entwickeln können. Zusammen mit dem Hyperwachstum von Klarna während meiner sieben Jahre war das eine lehrreiche Erfahrung und hilft mir nun, mein eigenes Unternehmen Brite zu führen.

Brite bietet Sofortauszahlung in Echtzeit – das ist doch keine neue Idee, oder?

Das Konzept ist vielleicht nicht gänzlich unbekannt, aber die Art, wie wir Sofortauszahlungen in Echtzeit anbieten, ist noch relativ neu am Markt. Entscheidend ist ja vor allem mit welcher Nutzerfreundlichkeit und wie schnell man Kund*innen ihre Gelder zur Verfügung stellen kann. Durch Open Banking ist der Prozess bei uns extrem einfach, denn die Bankverbindung muss nicht manuell eingegeben werden - stattdessen lesen wir diese direkt aus dem Konto aus und schreiben nahezu zeitgleich auch das Geld auf dem Konto gut. Je nach Branche sind die Vorteile vielfältig – beginnend mit erhöhter Kundenzufriedenheit über verbesserte operative Effizienz, beispielsweise weil es weniger Verwaltungsaufwand und Fehler bei den Auszahlungen gibt. Die Kund*innen folgen einem Link und das wars. Registrierungen oder ähnliches entfallen.

„Die Zukunft des Zahlungsverkehrs liegt im sogenannten ‚real time processing’“

Wieso startet man in einem Markt, der durch große Player wie Klarna oder Stripe schon sehr kompetitiv ist, ein neues Unternehmen? Was fehlt, das ihr ergänzen wollt? Was funktioniert schlecht, das ihr besser machen wollt?

Weder Klarna noch Stripe sind Konkurrenten im eigentlichen Sinne. Beide Unternehmen bieten eine Reihe von Dienstleistungen an, Zahlungen in Echtzeit wie Brite sind aber nicht ihr Fokus. Dabei sind sich Payment-Experten einig, dass die Zukunft des Zahlungsverkehrs im sogenannten ‚real time processing’ liegt, wir gehen also davon aus, dass die Kategorie in den nächsten Jahren stark wächst. Denn Zahlungen in Echtzeit lösen eine Reihe von Problemen: Aus Sicht der Händler*innen liegen die Vorteile darin, dass sich die Zahl der Zwischenhändler*innen im Zahlungsverkehr reduziert. Das bedeutet, dass der technische Prozess vereinfacht wird, Fehlerquellen eliminiert werden können und die Zahlungen insgesamt sicherer werden. Dies steht auch in Verbindung mit einer sichereren Technologie, die das Betrugsrisiko und damit die Verletzung von Nutzer*innendaten mindert.

Auch aus der Nutzer*innenperspektive sind die Vorteile von Bedeutung: Die Verbraucher*innen können innerhalb weniger Minuten Geld bezahlen und erhalten, und zwar nur mit den Informationen, die sie ohnehin auswendig kennen. Sie brauchen sich nicht zu registrieren, sondern müssen sich nur einmal bei ihrem Bankkonto anmelden und sich identifizieren. Und da alle Transaktionen mit einer SCA (Strong Customer Authentication) signiert sind, bieten wir den Nutzer*innen nicht nur ein einfaches und schnelles, sondern auch ein sicheres Erlebnis.

„In meiner Zeit vor Brite habe ich nie an eine Frau berichten dürfen“

Was müssen wir uns unter „Female Fintech“ vorstellen? Wie unterscheidet sich deine Herangehensweise von der der Männer-dominierten Anbieter?

Ich denke nicht, dass sich die weibliche Herangehensweise grundsätzlich von der männlichen unterscheidet. Es gibt nicht die eine weibliche Herangehensweise, genausowenig wie es die eine männliche Herangehensweise gibt. Die Sache ist die: Ich sehe Female Foundership vor allem als extrinsischen Faktor. Ich bin inzwischen 12 Jahre in der Fintech-Branche. In meiner Zeit vor Brite habe ich nie an eine Frau berichten dürfen. Ich habe aber immer wieder von Kolleginnen gehört, dass es für Sie ein Grund war sich auf eine Stelle zu bewerben, weil sie eine weibliche Chefin hätten. Mir fehlten diese Vorbilder in den entscheidenden Positionen und sie können der entscheidende Push sein, um weitere Frauen zu Führungspositionen zu motivieren. Es ist wichtig, dass sowohl männliche als auch weibliche Personen auf allen Ebenen, und besonders auf Führungsebene, in einem Unternehmen vertreten sind. Nur so kann das komplette Wissensspektrum abgebildet werden.

Sind Frauen in der Branche noch unterrepräsentiert? Warum ist das so?

Definitiv. Die Fintech-Branche, wie viele andere Branchen auch, galt schon immer als ein von Männern dominierte Bereich und ist daher nicht gerade ein einladendes Umfeld für Frauen. Es fehlt, wie gesagt, an weiblichen Vorbildern, die Tech-Nachwuchs motivieren. Aber die Dinge ändern sich, und als ein Fintech-Unternehmen, das von einer weiblichen Führungskraft gegründet wurde, ist die Erhöhung des Anteils weiblicher Führungspersonen ein wichtiger Schwerpunkt bei Brite. 50 Prozent der leitenden Angestellten auf VP-, ‚Head of'- oder Director sind bei uns weiblich, was über dem Branchendurchschnitt liegt.

Wo siehst du Brite in fünf Jahren?

Wir wollen mit Brite die Lösung werden, wenn es um Echtzeitlösungen geht. Dazu planen wir aktuell vor allem die europäische Expansion.

Vielen Dank für das Gespräch!


Lena Hackelöer Brite

Lena Hackelöer ist Gründerin und CEO des schwedischen Fintechs Brite. Brite nutzt die Open-Banking-Technologie, um Echtzeit-Überweisungen und Auszahlungen in 21 Märkten in Europa anzubieten.  Vor der Gründung von Brite war Lena als CEO von Qliro Financial Services (STO:QLIRO) tätig und verbrachte mehr als sieben Jahre in führenden Positionen bei Klarna.

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Über den Autor

Christoph Pech
Christoph Pech Experte für: Digital Tech

Christoph ist seit 2016 Teil des OHN-Teams. In einem früheren Leben hat er Technik getestet und hat sich deswegen nicht zweimal bitten lassen, als es um die Verantwortung der Digital-Tech-Sparte ging. Digitale Politik, Augmented Reality und smarte KIs sind seine Themen, ganz besonders, wenn Amazon, Ebay, Otto und Co. diese auch noch zu E-Commerce-Themen machen. Darüber hinaus kümmert sich Christoph um den Youtube-Kanal.

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