Gastartikel: Nationale Bezahlverfahren auf dem Prüfstand

Veröffentlicht: 10.06.2016 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 10.06.2016

Die politisch forcierte Neuregelung des elektronischen Zahlungsverkehrs bringt Bewegung in den deutschen Payment-Markt: nationale Zahlungsverfahren konkurrieren verstärkt mit internationalen Bezahldiensten und neuen, kontaktlosen Bezahlverfahren. Zu Auslaufmodellen werden Girocard, Lastschrift und Bargeld vorerst aber nicht.

Kontaktloses Bezahlen 

(Bildquelle Kontaktloses Bezahlen: gpointstudio via Shutterstock)

International einsetzbare Bezahlverfahren sind einer der wichtigsten Trends im Payment-Markt. Doch die Bezahlvorlieben und Bedenken von Kunden sind schon innereuropäisch so unterschiedlich, dass Händler schnell an die Grenzen des profitabel Machbaren stoßen. Hinzu kommt: Die Abschaffung des Bargelds wird international heiß diskutiert, ist derzeit aber eher theoretischer Natur – allein in Deutschland werden nach wie vor rund 80 Prozent der Transaktionen im Einzelhandel bar bezahlt. Am Umsatz macht Bargeld jedoch nur noch knapp 50 Prozent aus, Tendenz weiter sinkend. Gleichzeitig steht Mobile-Payment international in den Startlöchern, steckt hierzulande aber noch in den Kinderschuhen.

Die wesentlichen Einflussfaktoren, vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen:

  • Kosten für Kreditkartenzahlungen sind gesunken.
  • Immer mehr Banken und Händler bieten paydirekt an. Damit macht es PayPal Konkurrenz.
  • Mobile-Payment findet international zunehmend Anwendung.

Politische Regulierung soll Wettbewerb stärken

Derzeit beschäftigen zwei Entwicklungen die Welt des Zahlungsverkehrs: das Inkrafttreten der europäischen Interchange-Regulierung (Multilateral Interchange Fee – MIF), im Vier-Parteien-System auch als „Interbankentgelt“ bezeichnet, sowie das Ende der flächendeckenden Händlergebühr für Zahlungen per Girocard der Deutschen Kreditwirtschaft (DK). MIF deckelt die Gebühren auf 0,3 Prozent des Umsatzes, wodurch das Bezahlen im Internet und im stationären Handel per Debit- und Kreditkarte für Händler deutlich günstiger werden soll. Diesem Ziel dient auch die Abschaffung des seit 1989 einheitlichen Händlerentgelts, das nach den Plänen des Bundeskartellamts zukünftig bilateral zwischen dem Handel und der Deutschen Kreditwirtschaft verhandelt wird. Ob das tatsächlich zu Vergünstigungen führt, ist zu bezweifeln: Wie der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisierte, seien insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen oft gar nicht in der Lage, mit allen Payment-Anbietern individuelle Konditionen zu vereinbaren – und deshalb abhängig von den sogenannten verhandlungsführenden „Konzentratoren“. Weil das vorgeschlagene Konzentratorenmodell der Deutschen Kreditwirtschaft bislang nicht die erhofften Optimierungen im Bereich der Konditionen erbracht hat – ganz im Gegenteil wurden die Abläufe immer komplexer –, bleibt ein Wettbewerb auf der Girocard bislang aus. Paradoxerweise erlebt das elektronische Lastschriftverfahren (ELV) in Deutschland durch die hausgemachten Unsicherheiten aktuell eine Renaissance: Mehrere Handelsunternehmen haben bereits auf ein EC-Cash/ELV-Mischverfahren umgestellt.

Kreditkarten auf dem Vormarsch

Das Zahlungsmittel, das international am verbreitetesten ist, ist die Kreditkarte – wobei es auch hier Unterschiede gibt: Während Visa und Mastercard den europäischen Markt dominieren, bevorzugt man in den USA American Express. Ganz anders sieht es wiederum in Asien aus. Was sich bereits heute beobachten lässt: Das Bezahlen auf Kredit wird insbesondere für international tätige Handelsunternehmen immer attraktiver, weil Kreditkarten nicht mehr nur an Tankstellen und im Internet, sondern auch an immer mehr Einzelhandelskassen Akzeptanz finden. Damit eröffnet sich auch Kreditkartenherausgebern die Chance – trotz EU-Gebührenschnitt –, dank höherer Kartenverbreitung und -nutzung langfristig mehr zu verdienen. Hier hat Europa mit der SEPA-Lastschrift einen wichtigen Schritt hin zur kontinentalen Vereinheitlichung unternommen – auch außerhalb Deutschlands nehmen Kunden SEPA immer besser an.

Innovatoren haben es schwer

Da die Art des Bezahlens stark von nationalen Vorlieben abhängig ist, wirkt die neue Zahlungsmittelfreiheit hierzulande noch nicht so belebend auf den Payment-Markt, wie sie könnte: Es gibt einige bargeldlose Zahlverfahren, die den Markt dominieren, wie etwa Kreditkarte und PayPal. Neben den Big Playern und den jeweiligen nationalen Zahlarten ist es für Anbieter neuer Zahlungsmittel sehr schwierig, Fuß zu fassen. Denn dafür ist zweierlei erforderlich: Zum einen müssen die Händler ein neues Bezahlverfahren anbieten, zum anderen müssen es die Konsumenten nutzen. Für den erfolgreichen Launch eines neuen Zahlungsmittels bedarf es also einer kritischen Masse auf beiden Seiten. Generell gilt: Je einfacher und sicherer das Zahlverfahren, desto größer ist seine Marktmacht – was man am Erfolg von Kreditkarten und PayPal sieht, die beide im Gegensatz zu anderen Zahlarten komfortabel zu bedienen und sehr sicher sind – datenschutzrechtliche Bedenken einmal außen vor gelassen.

Mehrwert durch Zahlartenmix

Den einen Zahlartenmix gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die Präferenzen der Kunden in den einzelnen Ländern. In Frankreich bezahlen Onlinekäufer fast ausschließlich per Debit- und Kreditkarte. In den Niederlanden hingegen wickelt man rund 80 Prozent der Transaktionen im E-Commerce über das nationale Online-Überweisungsverfahren iDeal ab. Und während Schweden und Dänemark ihren Zahlungsverkehr radikal digitalisieren, bevorzugen deutsche Kunden nach wie vor den Rechnungskauf. Für Onlinehändler geht es also darum, den idealen Zahlartenmix für das Land zu finden, in dem sie aktiv sind – oder tätig werden wollen.

Wenn ein neues Zahlungsmittel auf Händlerseite preislich überzeugen kann und wenn es Konsumenten einen echten Mehrwert gegenüber etablierten Methoden bietet, hat es eine Chance, sich am Markt festzusetzen. Großes Potenzial besitzt beispielsweise One-Click-Payment: Kunden müssen im Onlineshop nur einmal klicken, um einen Einkauf samt Bezahlung abzuschließen. Sind die dahinter befindlichen Zahlarten sicher, wird sich der Express-Checkout sicherlich durchsetzen, da er dem Wunsch der Kunden nach Komfort optimal Rechnung trägt.

Neue Chancen durch paydirekt

Die Grundfrage für den Handel lautet daher: Welches Zahlungsmittel funktioniert am einfachsten? Die NFC-Technologie, also das kontaktlose Bezahlen am Point-of-Sale per Smartphone, findet bislang kaum Verbreitung. Immer mehr Dienstleister setzen beim Thema Kundenbindung daher auf eigene Smartphone-Apps, die mehr Service und Zusatznutzen für den Verbraucher bieten. Nachteil: Das Zahlen per App erfordert die Eingabe sensibler Daten und Kontoinformationen, die oftmals weiterverkauft und unkontrolliert von Dritten verwendet werden dürfen.

Im Gegensatz zu PayPal oder den verschiedenen App-Angeboten ermöglicht paydirekt dem Nutzer das Bezahlen über das eigene Online-Banking – der Zahlungsablauf wird direkt zwischen dem Händler und der Kundenbank abgewickelt, und die Datenverarbeitung erfolgt in Deutschland – ohne Umwege über ein Zwischenkonto oder zwischengeschaltete Dienstleister. Der Checkout ist einfach gestaltet: Anwender lösen Zahlungen einfach durch die Eingabe ihrer E-Mail-Adresse und ihres Passworts aus. Anders als bei PayPal oder verschiedenen Apps sollen Informationen über die Einkäufe dabei nicht weiterverkauft werden. Für deutsche Verbraucher könnte die Rechnung aufgehen, denn Datenschutz und Vertrauen sind wesentliche Eckpfeiler der hiesigen Bezahlkultur. Bleibt nur die Frage, ob sich paydirekt etablieren kann. Ist die kritische Masse aufseiten der Kunden erst einmal erreicht, ist davon auszugehen, dass Händler das Zahlungsmittel aufgrund seiner günstigeren Kosten verstärkt einbinden.

 

von Mirko Hüllemann

Geschäftsführer der Heidelberger Payment GmbH

Mirko Hüllermann
© Heidelpay

Mirko Hüllemann ist Geschäftsführer und Mitgründer der Heidelberger Payment GmbH, kurz: heidelpay, einem bankenunabhängigen Zahlungsinstitut für Online-Paymentverfahren. heidelpay (www.heidelpay.de) deckt das komplette Leistungsspektrum in Sachen elektronische Zahlungsabwicklung ab: von der Zahlartenanbindung über die Transaktionsverarbeitung bis hin zu Monitoring und Risk Management. Vor der Gründung von heidelpay im Jahr 2003 war Mirko Hüllemann u.a. für verschiedene Anbieter von Online-Zahlungsdiensten tätig: als Vertriebsleiter für die paybox.net AG und als Geschäftsführer für die United Payment GmbH. Seine berufliche Karriere startete der Dipl.-Volkswirt 1999, nach Abschluss seines Studiums an der Universität Heidelberg, als SAP-Berater bei der cbs Corporate Business Solutions Unternehmensberatung GmbH.

 

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