Offener Brief an Rösler: Urbanara gegen den neuen Markt

Veröffentlicht: 22.08.2013 | Geschrieben von: Doreen Rothmann | Letzte Aktualisierung: 22.08.2013
Offener Brief an Rösler: Urbanara gegen den neuen Markt

Der Neue Markt, der bereits von 1997 bis 2003 existierte, war ein Segment der Deutschen Börse, das 1997 infolge der Euphorie um die New Economy eingerichtet wurde. Als Aktienindex sollte der Neue Markt den Marktanteil der „Neuen Technologien“ widerspiegeln und so jungen Unternehmen und StartUps aus sogenannten Zukunftsbranchen, darunter Informationstechnik, Multimedia und Biotechnik, eine Möglichkeit der Eigenkapitalfinanzierung über einen Börsengang bieten. 2001 kam es zu den ersten Skandalen um gefälschte Geschäftszahlen: Die Kurse explodierten, obwohl die Unternehmen kaum Gewinne erzielten. Das Image des Neuen Marktes war ruiniert.

Dennoch hält Philipp Rösler die Wiederbelebung des Neuen Marktes für sinnvoll, da so innovativen StartUps der deutschen Internetszene geholfen werden könne, über Börsengänge an das notwendige Kapital zu kommen.

Bei vielen StartUps schmerzt die Erinnerung über das erste Scheitern jedoch noch immer – so auch bei dem 2010 gegründeten StartUp Urbanara. Ben Esser, Gründer und CEO der Urbanara AG, wendet sich deshalb in einem offenen Brief an den Bundeswirtschaftsminister und gibt zu bedenken, dass das Crowdinvesting bereits die Verbindung zwischen Risikokapital und Börse schafft, sodass kein Neuer Markt nötig wird.

In dem offenen Brief werden die aus Sicht der Urbanara AG vier wichtigsten Argumente gegen eine Wiederbelebung des Neuen Marktes dargelegt:

1. Junge Unternehmen benötigen keine Börse “light”

„Derzeit fehlt es in Deutschland vor allem an Finanzierungsmöglichkeiten für junge Unternehmen, deren Geschäftsmodell sich bereits am Markt bewährt hat und die eine Finanzierung im Bereich zwischen 2 und 10 Millionen Euro anstreben.“

Argumentiert wird in diesem Punkt außerdem, dass gerade die Vergangenheit zeigt, dass der Neue Markt hohe Erwartungen von Anlegern mit sich bringt, aber niedrige Transparenzstandards zu Missbrauch verführen.

2. Der Nachholbedarf in Deutschland besteht in der Partizipation, nicht im Geld

„2012 wurden rund 240 Mio. EUR Risikokapital in Deutschland investiert. […] Heute nutzen erfolgreiche deutsche StartUps wie Soundcloud, Wooga oder Zalando internationale Beteiligungen. Die Kriterien für die Kapitalbeschaffung über Risikokapitalinvestoren sind weltweit vergleichbar und allgemein bekannt. Heute haben nachhaltig ausgerichtete StartUps generell weniger Probleme als noch zu Zeiten des Neuen Marktes, eine Wachstumsfinanzierung zu erhalten. Wer sich bislang nicht an jungen Unternehmen beteiligen konnte, ist der von einem Anbieter überzeugte Kunde. […] Kunden als Teilhaber schaffen Reputation und Loyalität, verhelfen dem Unternehmen zu mehr Bekanntheit und geben wichtige Impulse für die Ausrichtung der Produkte und Dienstleistungen. In Sachen Partizipation besteht gerade am deutschen Markt ein großer Nachholbedarf.“

3. Crowdinvestment schließt die Lücke zwischen Risikokapital und Börse

„Technologieunternehmen brauchen keine Sonderwirtschaftszone, sondern ein solides Umfeld: Einen zentraler Marktplatz muss mit klaren Corporate Governance Regelungen wie einer dreijährigen Lock-up Periode, Adhoc-Pflichten und einer transparenten Finanzplanung Investoren informieren und schützen.“

4. Transparenz beim Crowdinvesting macht Anlageberatung überflüssig

„Nicht zu Unrecht ist die Anlageberatung von provisionsorientierten Banken und externen Dienstleistern in Kritik geraten. Crowdinvesting verfolgt den umgekehrten Ansatz: Der Investor soll eine eigenständige Entscheidung treffen – anhand der Transparenz[.]“

StartUps und junge Unternehmen wie Urbanara appelieren daran, dass ein Vertrauen für die neuen öffentlichen Beteiligungssystem geschaffen werden muss, anstatt gescheiterte Modelle wie den Neuen Markt wiederzubeleben. Die Crowdinvesting-Plattformen haben, so Ben Esser, „den Bedarf der Finanzierung für junge Unternehmen längst erkannt und bedienen ihn schon heute. Ihre Idee, den Neuen Markt wiederzubeleben, würde direkt gegen existierende Modelle wie dieses wirken.“

Fazit

Börsenkenner sind der Meinung, dass ein „Neuer Markt 2.0“ einen anderen Namen als sein Vorläufer erhalten sollte, um das Projekt nicht von Beginn an unter den sprichwörtlichen schlechten Stern zu stellen. Die vielen kritischen Stimmen weisen jedoch nicht auf eine Wiederbelebung hin. Ob und unter welcher Bezeichnung die Markteröffnung stattfindet, wird sich noch zeigen.

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