Streit zwischen Fahrradhändlern

OLG Stuttgart: Textilkennzeichnung in deutscher Sprache

Veröffentlicht: 26.02.2019 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 13.07.2022
Verschiedenes Zubehör für Radfahrer in blau.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat sich in einem nun veröffentlichten Urteil (OLG Stuttgart Urteil vom 18.10.2018, 2 U 55/18) im Wesentlichen mit drei Punkten der Textilkennzeichenverordnung beschäftigt.

Gestritten haben sich zwei Online-Händler, die Fahrräder und Fahrradzubehör vertreiben. Der Beklagte vertrieb unter anderem auf Amazon und Ebay eine Laufmütze mit folgenden Angaben zur Textilzusammensetzung: „SHELL: 100% POLYESTER; WINDSTOPPER®MEMBRANE; 100% POLYESTER; INSERT: 88% NYLON; 12% ELASTANE“

Zum Sortiment gehören außerdem noch Fahrradhandschuhe. Diese wurden wie folgt im Shop gekennzeichnet: „Material: Oberhand: 91% Polyester, 6% Elastan, 3% sonstige Fasern Innenhand: 100% Polyamid mit Polyurethan Eigenschaften: Schlicht schön: ...“

Der Kläger sieht hier gleich mehrere Verstöße gegen das Textilkennzeichnungsgesetz: Zum einen müsse die Kennzeichnung in deutscher Sprache erfolgen, zum anderen sei die Bezeichnung Polyamid mit Polyurethan rechtswidrig.

Auf die Abmahnungen wegen der Verstöße reagierte der Beklagte nicht, so dass der Kläger zunächst eine einstweilige Verfügung vor dem Landgericht beantragte und Recht bekam. Dagegen wendet sich nun der Beklagte im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart.

Angabe bei Mehrkomponenten-Textilerzeugnissen

Zunächst einmal hat das Gericht festgestellt, dass auch im Online-Shop erkennbar sein muss, welcher Teil des Produktes aus welchen Fasern besteht. Dabei geht es um sogenannte Mehrkomponenten-Textilerzeugnisse. Darunter versteht man Textilerzeugnisse, die aus zwei oder mehr Textilkomponenten bestehen, die nicht denselben Textilfasergehalt haben. In der Textilkennzeichenverordnung ist festgelegt, dass auf dem Etikett erkenntlich sein muss, welche Komponente welchen Textilfasergehalt aufweist.

Diese Zusammensetzung muss auch im Online-Shop erkennbar sein, denn die Verordnung kennt eine extra Regelung für die Kennzeichnung in der virtuellen Welt: 

„Diese Informatio­nen müssen für Verbraucher vor dem Kauf deutlich sichtbar sein; dies gilt auch für Fälle, in denen der Kauf auf elektro­nischem Wege erfolgt.” (Art. 16 der Verordnung)

Das Besondere an dieser eigentlich logischen Entscheidung ist hier die Auslegung der Verordnung: In Art. 16 ist festgelegt, welche Informationen dem Käufer vor dem Kauf zur Verfügung gestellt werden müssen. Abschließend sind dabei die Artikel genannt, die den Umfang der Informationen regeln. Der Artikel, der die Mehrkomponenten-Erzeugnisse (Art. 11) regelt, ist nicht aufgezählt. Dafür aber Artikel 9 (Multifaser-Textilerzeugnisse). Das Gericht ist hier davon ausgegangen, dass Artikel 11 einen speziellen Fall von Artikel 9 regelt und damit auch von der Informationspflicht umfasst ist.

Angabe in deutscher Sprache

Außerdem ging das Oberlandesgericht noch auf die Sprache der Kennezeichnung ein. In der Verordnung heißt es dazu:

„Die Etikettierung oder Kennzeichnung erfolgt in der Amtssprache oder den Amtssprachen des Mitgliedstaats, in des­sen Hoheitsgebiet die Textilerzeugnisse dem Verbraucher bereit­gestellt werden, es sei denn der betreffende Mitgliedstaat schreibt etwas anderes vor.”

Das bedeutet, dass der Beklagte englische Begriffe wie „shell” nicht verwenden darf. Stattdessen muss er auf die deutschen Begrifflichkeiten zurückgreifen. Zwar sind Begriffe wie T-Shirt mittlerweile so in den deutschen Sprachgebrauch übergegangen, dass sie eingedeutscht sind; dies gilt aber nicht für Begriffe wie „shell” oder „insert”. Diese sind schlicht im Allgemeingebrauch nicht genug verbreitet.

Polyamid mit Polyurethan

Weiter im Urteil geht es dann mit einem Klassiker: Die Bezeichnung Polyamid mit Polyurethan entspricht nicht der Textilkennzeichenverordnung. Im Anhang I der Verordnung ist festgelegt, welche Begrifflichkeiten verwendet werden müssen. Der beklagte Händler führt dazu aus: „Auch die Angabe 100% Polyamid mit Polyurethan sei eine zulässige und vollständige Angabe gem. Anhang I der Textilkennzeichnungsverordnung.”

Ganz unrecht hat der Händler hier nicht: Die Anlage kennt sowohl den Begriff Polyamid, als auch die Bezeichnung Polyurethan – aber nicht in Verbindung mit dem Wörtchen „mit”. Beide Begriffe stehen an unterschiedlichen Stellen. Das ist irreführend. Im Urteil heißt es dazu:

„Der Anhang I enthält hierzu in der Tabelle 2 unter der Nr. 30 die Bezeichnung Polyamid oder Nylon und unter der Nr. 39 die Bezeichnung Polyurethan. Damit sind zwar beide Bezeichnungen im Anhang I zur TextilKennzVO aufgeführt. Dass diese Bezeichnungen durch das Wort mit verbunden sind, stellt aber schon für sich genommen einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 TextilKennzVO dar, denn durch die Verwendung des Wortes mit statt eines und liegt die Annahme nahe, dass es sich um eine kombinierte Textilfaser handelt, d.h. um einen neuen Stoff.”

Aber auch: Sieg für den Beklagten

Zwar hat der Beklagte die Berufung verloren, allerdings hatte er bereits vorher einen kleinen Erfolg erstritten: Im Zuge der ersten Instanz hat der Händler gegen den Kläger mit einer Widerklage quasi zurückgeschossen: Der klägerische Händler hat auf Ebay ein Fahrrad mit der Behauptung beworben, es habe 27 Gänge. Tatsächlich hatte es nur elf Gänge. Mit dieser Widerklage hatte der Beklagte bereits in der ersten Instanz „im Wesentlichen” Erfolg.

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Sandra May

Kommentare  

#3 Redaktion123435f4 2019-02-28 08:29
Hallo Herr Bär,

der Streitwert der Berufung beträgt 26.000 EUR.

Beste Grüße,
die Redaktion
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#2 Karsten Klemm 2019-02-27 15:05
Hi,

wieder so ein total schwaches Urteil! Ein extrem hoher Anteil der Waren die in DE angeboten wird ist so ausgezeichnet das sie überall verkauft werden können. Ist ja auch ein Kostenfaktor. Alle Waren aus den USA oder die aus anderen Ländern eingeführt wurden haben halt auch nur deren TExtilkennzeich nung. Jetzt entstehen wieder millionen von EURO kosten nur weil ein Richter denkt das Deutschland mit den vielen deutschen ja unbedingt alles auf Deutsch sein muss. Den Richter sollte man verklagen. Nämöich auf die Mehrkosten die fabrieziert werden.
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#1 Roland Baer 2019-02-27 14:28
Auf welche Kosten lief das denn a. hinaus?
Streitwert
Gericht etc.
um zu wissen ob Widerspruch sinn machen könnte.
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