Urteil des Bundesgerichtshofs

Rechtsmissbrauch: Ist der Bieter ein „Abbruchjäger“?

Veröffentlicht: 04.07.2019 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 09.10.2020
Schwarzes Schaf

Auktionsangebote auf Plattformen abzubrechen, das ist meist nicht ohne Weiteres möglich. Der BGH hatte sich kürzlich mit einem solchen Fall zu beschäftigen: Versteigert wurde auf Ebay ein Pirelli-Radsatz für einen Audi A6, etwa im Wert von 1.700 Euro. Gewählt hatte der Verkäufer einen Startpreis von einem Euro – als er es abbrach, stand das Höchstgebot bei 201 Euro. Nach den zum Zeitpunkt des Kaufs geltenden Bedingungen sollte ein Kaufvertrag auch bei einer vorzeitig beendeten Auktion zustande kommen, außer der Anbieter war „gesetzlich“ zur Rücknahme des Angebots berechtigt. 

Wie dem auch sei, war das Angebot in diesem Fall beendet worden, weil der Radsatz aus einer Garage gestohlen worden sein soll. Der Käufer forderte zunächst die Erfüllung des Kaufvertrags und wollte die Reifen geliefert haben. Dieses Verlangen blieb erfolglos, weshalb er schließlich vom Kaufvertrag zurücktrat und Schadensersatz forderte – insgesamt 1.500 Euro nebst Zinsen sollten es sein. 

Der Streit landete schließlich vor dem Bundesgerichtshof, nachdem der beklagte Verkäufer gegen das zu Gunsten des klagenden Käufers ausgefallene Urteil des Landgerichts der vorhergehenden Instanz Revision eingelegt hat. Der Bundesgerichtshof wies diese Revision aber zurück (Urteil v. 22. März 2019, Aktenzeichen VIII ZR 182/17) – der Verkäufer hatte also keinen Erfolg mit seiner Auffassung der rechtlichen Lage. 

Verkäufer konnte Grund des Abbruchs nicht beweisen

Worum ging es dabei also genau? Zunächst einmal konnte der Verkäufer vor Gericht nicht überzeugend darstellen, dass er zum vorzeitigen Abbruch der Auktion berechtigt war. Grundsätzlich, so das Urteil des Berufungsgerichts (hier die Instanz vor dem BGH), könne auch ein Diebstahl so einen Abbruch rechtfertigen. „Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen eines solchen berechtigten Auktionsabbruchs trage nach allgemeinen Grundsätzen der Verkäufer“, heißt es dort. Der Verkäufer hatte den Nachweis, dass ihm gerade der Radsatz gestohlen worden ist, auf den der Kläger geboten hatte, aber nicht erbringen können – so bestätigt der BGH. 

Darüber hinaus hat der Verkäufer den Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit erhoben: Hier musste der Gerichtshof insofern prüfen, ob das vorangegangene Urteil Rechtsfehler in der Feststellung des Sachverhalts aufwies. Das war jedoch nicht der Fall: Für sich genommen sei es nicht zu beanstanden, „dass ein Bieter sich als sogenannter Schnäppchenjäger betätigt, der bei Internetauktionen gezielt auf Waren bietet, die zu einem weit unter Marktwert liegenden Mindestgebot angeboten werden“, stellt das Gericht fest.

Auch sei es nicht zu missbilligen, wenn dieser Bieter sein Höchstgebot auf einen Betrag begrenzt, der deutlich unter dem Marktwert liege – gerade die Möglichkeit, ein Schnäppchen zu erzielen, mache den Reiz einer Internetauktion wie dieser aus. Umgekehrt nehme so der Veräußerer die Chance wahr, durch den Mechanismus des Überbietens einen für ihn vorteilhaften Preis zu erzielen. „Im Übrigen ist es der Verkäufer, der in solchen Fällen von sich aus durch die Wahl eines niedrigen Startpreises unterhalb des Marktwerts ohne Einrichtung eines Mindestpreises das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs eingegangen ist“, so die Richter weiter. 

Abbruchjäger? Einzelfall entscheidend

Die Tatsache, dass der Käufer hier im Fall an diversen Auktionen teilgenommen – für die Jahre 2013 und 2014 ist von 14.000 Auktionen mit einem Gesamtbetrag von mehr als 52 Millionen Euro die Rede – und in etwa 100 Fällen Schadensersatzansprüche geltend gemacht habe, überzeugte die Richter nicht vom Gegenteil. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten eines Bieters komme bei Internetauktionen in Frage, „wenn seine Absicht von vornherein nicht auf den Erfolg des Vertrages, sondern auf dessen Scheitern gerichtet ist, er also den angebotenen Gegenstand gar nicht erwerben will, sondern auf den Abbruch der Auktion abzielt, um daraufhin Schadensersatzansprüche geltend machen zu können (sogenannter Abbruchjäger)“, teilen die Richter mit.

Ob dies gegeben sei, müsse anhand des Einzelfalls durch den Richter entschieden werden – und eine entsprechende Absicht des Käufers konnten sie hier nicht feststellen: Einerseits könne dies generell aus der Anzahl und dem Wert seiner Gebote geschlussfolgert werden, weil er bei normalem Verlauf der Auktion nicht damit rechnen müsse, die Gesamtsumme auch aufbringen zu müssen. Gerade Gebote, die weit unter dem Marktwert liegen, würden regelmäßig überboten werden. 

Verkäufer sei nicht rechtlos gestellt

Zudem habe er die Artikel, auf die er erfolgreich geboten hatte, jeweils auch abgenommen – und in Einzelfällen im Wege eines Vergleichs sogar höhere Beträge gezahlt. Zwar brachte der klagende Verkäufer noch vor, es ginge zu Lasten des Käufers, dass dieser für die Vielzahl an Gegenständen gar keine Verwendung und damit kein „erkennbares Interesse“ an diesen habe. „Ob der Kläger den Radsatz für sich selbst oder einen Dritten erwerben, weiter verschenken oder – mit Gewinn – weiterveräußern wollte, lässt als bloßes Kaufmotiv keine tragfähigen Rückschlüsse auf eine fehlende Erwerbsaussicht des Klägers zu“, heißt es dahingehend aber im Urteil.

Schlussendlich werde der Kläger durch das Urteil des Berufungsgericht, dem sich der BGH in weiten Teilen angeschlossen hat, auch nicht rechtlos gestellt. „Der Verkäufer hat es vielmehr selbst in der Hand, den von ihm angebotenen Artikel nicht zu einem für ihn ungünstigen Preis zu verkaufen, indem er einen Mindestpreis festsetzt und er es unterlässt, die Internetauktion unberechtigt vorzeitig abzubrechen“, endet das Urteil.

Kommentare  

#1 Mathias S. 2019-07-10 14:28
Deutschland das Land in dem Trickser, Täuscher, Abmahner usw. auf Unterstützung durch Gerichte hoffen dürfen da handwerklich schlecht gemachte Paragraphen von Gerichten selten nach dem gesetzgeberisch en Willen sondern nach "ich kann den Text schlauer interpretieren" ausgelegt werden.
Das deutsche Justizsystem galt mal als Mustergültig, da waren aber noch andere Richter auf den Stühlen.
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