Oberlandesgericht Naumburg

Neues Urteil: Verstoß gegen DSGVO ist wettbewerbswidrig

Veröffentlicht: 26.11.2019 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 26.11.2019
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Können DSGVO-Verstöße wettbewerbswidrig und abmahnfähig sein? In dieser Frage war es nun länger ruhig, abgesehen von vereinzelten Stellungnahmen (wir berichteten). Einige wenige Urteile gab es bislang, diese kommen aber zu unterschiedlichen Schlüssen. Nun hat sich das Oberlandesgericht Naumburg mit dieser Frage beschäftigt und stellt fest: Ja, ein Verstoß gegen die DSGVO kann wettbewerbswidrig sein. Man dürfe aber nicht generalisieren, es komme auf die verletzte Norm an (Urteil v. 07.11.2019 – AZ. 9 U 6/19). 

Im Fall geht es um einen Apotheker, der via Amazon Marketplace Medikamente verkauft, auch solche, die apothekenpflichtig sind. Der Kläger dagegen betreibt eine stationäre Apotheke. Er ist der Auffassung, dass der beklagte Apotheker mit dem Verkauf auf Amazon einerseits berufsrechtliche Vorgaben verletzt, daneben aber auch gegen die DSGVO verstößt. In der ersten Instanz vor dem Landgericht Magdeburg scheiterte der Kläger noch, auch weil er laut den Richtern nicht die Befugnis hätte, etwaige DSGVO-Verstöße seines Mitbewerbers geltend zu machen. 

Das Oberlandesgericht Naumburg widerspricht in zweiter Instanz und stellt fest: Dem klagenden Apotheker steht ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten zu. 

Können Mitbewerber gegen DSGVO-Verstöße vorgehen?

Berufsrechtliche Verstöße seien zwar nicht zu sehen. Die Regelungen der DSGVO seien in diesem Fall allerdings als Marktverhaltensregeln zu betrachten. Damit öffnet sich das Tor zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), sodass der Kläger in seiner Rolle als Mitbewerber Ansprüche auf wettbewerbsrechtlicher Ebene anbringen kann. 

Den Richtern ist dabei wohl bewusst, dass unter Juristen Uneinigkeit in der Frage herrscht, die Online-Händler in erster Linie mit der Abmahnfähigkeit von DSGVO-Verstößen verbinden. Prinzipiell sieht die DSGVO selbst einen Katalog an Rechtsfolgen von Verstößen vor. Strittig ist aber, ob dadurch auch Ansprüche ausgeschlossen werden, die sich aus einem Zusammenspiel von DSGVO und UWG ergeben können – die Rechtsprechung in Deutschland ist sich hier bislang uneins. 

Das OLG Naumburg schließt sich jedenfalls einem Urteil an, welches das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg gefällt hat (wir berichteten). Demnach müsse die konkrete Norm der DSGVO, gegen die verstoßen worden ist, darauf geprüft werden, ob diese auch das Marktverhalten regelt. Grundsätzlich ausgeschlossen seien Ansprüche von Mitbewerbern nicht. 

Apotheker hätte schriftliche Einwilligung benötigt

Hier geht es dann um die Bestelldaten der Kunden und die Tatsache, dass für deren Verarbeitung keine ausdrückliche Einwilligung durch den Apotheker eingeholt wurde. Die Richter stellen fest, dass es sich bei den Bestelldaten um Gesundheitsdaten handelt – also um besonders sensible Daten, für die entsprechend schärfere Vorgaben gelten. Wollen Apotheker Patientendaten speichern und nutzen, muss die Einwilligung schriftlich erteilt werden. 

Die Daten würden für werbliche Zwecke genutzt werden, in dem Kunden einerseits durch Auswertung der Absatzdaten von Amazon zielgerichtet angesprochen werden könnten. Andererseits nutze aber auch der Apotheker selbst die Bekanntheit des Marktplatzes. Die Vorgabe zur Nutzung von Daten zu Werbezwecken nach der DSGVO sei in diesem Fall insofern eine Marktverhaltensregel – gegen die der beklagte Apotheker verstoßen hat, weil er keine schriftliche Einwilligung besorgt hat. Der klagende Mitbewerber darf insofern verlangen, dies zu unterlassen. Will der Beklagte also Medikamente auf Amazon vertreiben, muss er – irgendwie – eine entsprechende Einwilligung einholen. 

Unklare Rechtslage verhindert Schadensersatzanspruch

Die vom Kläger ebenfalls geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Auskunft nach der DSGVO sahen die Richter allerdings nicht als gegeben an. Der Beklagte hätte dafür schuldhaft gegen seine Datenschutzpflicht verstoßen müssen. Angesichts der aktuellen Unklarheit über die Frage, ob DSGVO-Verstöße überhaupt über das UWG verfolgt werden können, habe der Beklagte aber einem sogenannten unvermeidbaren Verbotsirrtum unterlegen. Er konnte also schlicht nicht wissen, dass er mit seinem Verhalten Ansprüche eines Mitbewerbers auslöst, sodass der Kläger mit diesen beiden Ansprüchen keinen Erfolg hat. 

Auch mit diesem Urteil steht nicht verbindlich fest, dass DSGVO-Verstöße durch Mitbewerber verfolgt werden können, beispielsweise mittels einer Abmahnung bzw. Unterlassungsaufforderung – das bringen die Richter des OLG Naumburg zum Ausdruck. Sie haben die Revision zum BGH grundsätzlich zugelassen, damit in dieser Frage Klarheit geschaffen werden kann. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht.

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