Filmtitel moralisch verwerflich?

EuGH-Urteil: „Fack ju Göhte“ darf vielleicht doch Marke werden

Veröffentlicht: 28.02.2020 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 28.02.2020
Zeichnung von Goethe mit Sonnebrille

Wegen Sittenwidrigkeit wurde dem Titel der Filmkomödie „Fack ju Göhte“ bislang die Fähigkeit zum Markenschutz verwehrt. Sowohl das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) als auch das Gericht der Europäischen Union (EuG) hatten das abgelehnt. Der Europäische Gerichtshof allerdings bringt mit einem Urteil nun wieder Bewegung in die Sache (Urteil vom 27.02.2020, Aktenzeichen C-240/18P). In den bisherigen Entscheidungen habe man sich nicht ausreichend mit der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland auseinandergesetzt. Die sehe es mit der moralischen Verwerflichkeit offenbar etwas anders. 

„Fack ju Göhte“ – vulgär und anstößig?

„Fack ju Göhte“ aus dem Jahr 2013 gehört mit 7,4 Millionen Zuschauern und seinen zwei Fortsetzungen zu den erfolgreichsten deutschen Kinofilmen, läutet die Pressemitteilung des EuGH zum Urteil ein. Da ist es keine Frage, dass die Produktionsfirma Constantin Film den Filmtitel markenrechtlich schützen will. 2015 erfolgte die Anmeldung beim EUIPO für verschiedene Waren und Dienstleistungen, etwa für Spiele, Kosmetikartikel, Schreibwaren und Reise- und Sportartikel. Doch die Anmeldung wurde abgelehnt. Die deutschsprachigen Verkehrskreise wurden in „Fack ju“ (Lautschrift) den vulgären und anstößigen Ausdruck „Fuck you“ erkennen, was sich auch durch die Begleitung durch „Göhte“ nicht ändere. Die dagegen erhobene Klage vor dem EuG wurde im Januar 2018 abgewiesen, woraufhin Constantin Film Rechtsmittel beim EuGH einlegte.

Constantin Film klagt vor EuGH

Sowohl die Entscheidung des EUIPO als auch des EuG enthalten Fehler, und dazu weitestgehend die selben. Das urteilten die Richter, sodass sich das EUIPO erneut mit der Markenanmeldung beschäftigen und darüber entscheiden muss. 

Obwohl „Fack ju“ mit dem englischen Ausdruck „Fuck you“ gleichgesetzt sei, würden verschiedene Umstände darauf hinweisen, dass die breite deutschsprachige Öffentlichkeit den Filmtitel nicht als moralisch verwerflich wahrnimmt. Trotz des Erfolges des Films und der guten Sichtbarkeit seines Titels habe es im Publikum offenbar keinen Meinungsstreit gegeben. Noch dazu seien zu dem Film, der Fördermittel verschiedener Organisationen enthielt, auch jugendliche Zuschauer zugelassen, und schließlich würde er gar vom Goethe-Institut zu Unterrichtszwecken genutzt werden. 

Keine plausible Erklärung für Ablehnung der Marke

Laut den Richtern müsse der Begriff „Fuck you“ außerdem nicht zwangsläufig durch das deutschsprachige Publikum so wie durch das Englischsprachige interpretiert werden, da die Empfindlichkeit in der Muttersprache wesentlich stärker sein könne, als in einer Fremdsprache – zumal der Titel den englischsprachigen Ausdruck selbst auch gar nicht enthalte. Mit anderen Worten: Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff „Fuck you“ nicht unbedingt so ernst genommen, wie es anderswo gemacht wird. Anders läge der Fall womöglich, wenn sich im Titel die deutsche Übersetzung fände.

Diese Umstände führten nun zum Urteil des EuGH. Auch die Tatsache, dass kein konkreter Aspekt vorgetragen worden sei, mit dem plausibel erklärt wird, warum „Fack ju Göhte“ als Marke einen Verstoß gegen grundlegende moralische Werte und Normen der Gesellschaft darstellen würde, führte zu einem neuen Aufrollen des Falls. Damit habe das EUIPO nicht hinreichend dargetan, dass die Marke nicht eingetragen werden kann. 

Nachdem der EuGH wesentliche Punkte der ursprünglichen Ablehnung durch das EUIPO widerlegt hat, muss sich das Amt nun also erneut mit der Markenanmeldung auseinandersetzen.

Kommentare  

#1 Karl-Peter Schmidt 2020-02-28 19:45
Eine m.E. folgenschwere Entscheidung des EuGH - Man muss kein Anhänger/Fan eines der bedeutendsten Persönlichkeite n der Weltliteratur sein, um eine Verballhornung des Schriftstellers Johann Wolfgang von Goethe in dem Filmtitel zu erkennen - Die Gegenwart ist einerseits gekennzeichnet von einer tiefgreifenden Pornografie in der Kommunikation, andererseits geprägt von einer neopuritanische n Sittenstrenge.
Auch dieses Urteil des höchsten europäischen Gerichts wird noch nicht das letzte Wort sein.-
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