Urteil des Amtsgerichts München

Gelegentliche Funktionsstörung – Ist das ein Sachmangel?

Veröffentlicht: 07.09.2020 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 07.09.2020
Digitalkamera kaputt

Nicht immer laufen die Dinge so, wie sie sollen: Es regnet, die Bahn kommt zu spät, und die frisch gekaufte Digitalkamera pfeift und vibriert und lässt das Bild im Sucher wackeln. Für eine Digitalkamera ist das wohl untypisch – es klingt ganz nach einem Sachmangel, wegen welchem dem Käufer Ansprüche zustehen. Was aber, wenn diese Fehler nur unter besonderen Umständen auftreten? Die für Online-Händler durchaus relevante Frage, ob tatsächlich ein Sachmangel vorliegt, kann manchmal schwierig zu beurteilen sein. Das Amtsgericht München hatte nun in solch einem Fall zu entscheiden und sah: kein Sachmangel, kein Anspruch des Käufers auf Rückabwicklung des Vertrages (Urteil v. 08.06.2020, Az. 191 C 4038/17). Berufung wurde allerdings schon eingelegt. 

Mini-Exkurs: Was ist ein Sachmangel?

Der Spiegel spiegelt nicht, die Uhr läuft rückwärts, das Auto eignet sich nicht für das Fahren im Straßenverkehr: Liegen diese Fehler bei Übergabe vom Verkäufer an den Käufer vor, wird man in der Regel von einem Sachmangel sprechen können. Wann ein Sachmangel vorliegt, das verrät § 434 BGB. Danach muss die Ware die Beschaffenheit aufweisen, die vereinbart wurde. Wurde keine Beschaffenheit vereinbart, dann gibt es weitere Punkte, nach denen sich das Vorliegen eines Sachmangels bestimmt. So ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie

  • sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzten Zwecke eignet, und sonst wenn sie

  • eine Beschaffenheit aufweist, die bei ähnlichen Sachen üblich ist.

Darüber hinaus können auch öffentliche Äußerungen (z.B. in der Werbung) oder Umstände der Montage(anleitung) eine Rolle spielen, sowie die Falsch- oder Zuweniglieferung. 

Der Fall: Kamera funktioniert bei winterlichen Wildtieraufnahmen nicht richtig

Im Fall vor dem Amtsgericht München hatte der Käufer eine Digitalkamera mit Objektiv im Wert von 1.799 Euro erworben. Laut Pressemitteilung des Gerichts behauptete er dann das Vorliegen besagter Mängel: Bei niedrigen Temperaturen ertöne nach Antippen des Auslöseknopfes ein Pfeifen, es käme zu Vibrationen und einem Wackeln im Sucher. Dabei habe er die Kamera gerade auch für „winterliche Wildtieraußenaufnahmen“ erworben. Der beklagte Online-Händler bestreitet die Mangelhaftigkeit. 

Im Prozess war dann ein erstes Sachverständigengutachten eingeholt worden, welches der klagende Käufer jedoch inhaltlich und methodisch in Zweifel zog und wegen Befangenheit erfolgreich ablehnte: Zwischen Anfertigung des Gutachtens und der gerichtlichen Anhörung hatte der Sachverständige sein Fotogeschäft an den beklagten Verkäufer veräußert. Sodann wurde ein zweites Gutachten in Auftrag gegeben. 

Amtsgericht München: Kein Sachmangel gegeben

Das Amtsgericht sah nun keinen Sachmangel und führte dazu einige Aspekte an. Zwar war im zweiten Sachverständigengutachten offenbar festgestellt worden, dass es tatsächlich zu „Effekten/Fehlbildern“ beim Gebrauch der Kamera bei niedrigen Temperaturen komme – dies jedoch unregelmäßig und in nicht vorhersehbaren Fällen. Die Einsatzbedingungen, unter denen die Fehler beim durchgeführten Gutachten auftraten, würden nicht mehr zu den gewöhnlichen Nutzungsbedingungen gehören, denen die Kamera gewachsen sein müsse. So traten Fehler etwa bei einer Abkühlung der Kamera auf vier Grad über 14 Stunden auf. 

Auch hatte der Käufer zwar vorgehabt, die Kamera insbesondere bei winterlichen Aufnahmen zu nutzen. Eine besondere Verwendungseignung in dieser Hinsicht war im Vertrag aber nicht vereinbart worden, sodass auch nicht an den „nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck“ angeknüpft werden konnte. Schließlich ließ sich aus der Höhe des Preises der Kamera auch keine „professionelle Verwendung“ ableiten, die auf eine entsprechende Verwendungseignung für Außenaufnahmen in der Kälte hindeuten könnte. Davon ab weise auch die Gebrauchsanweisung auf allgemeine Probleme im betreffenden Temperaturbereich hin. Letzten Endes war für das Amtsgericht auch nicht erkennbar, dass sich ein durchschnittler Käufer in unseren Breitengraden im Winter länger als zwölf Stunden zur Anfertigung von Fotografien ohne Unterbrechung draußen aufhalte, auch wenn er eine hochwertige Kamera kauft. 

Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig, da der klagende Käufer Berufung eingelegt hat.

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