Bundesgerichtshof

Mangelhafte Ware: Müssen Händler Transportkosten vorschießen?

Veröffentlicht: 30.05.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 18.08.2022
Bundesgerichtshof in Karlsruhe

Die Kaufsache zeigt einen Mangel – und jetzt? Käufer haben dann gegebenenfalls einen Anspruch auf Nacherfüllung. Die Transportkosten zum Zwecke der Nacherfüllung muss dabei grundsätzlich der Verkäufer tragen. Ein Verbraucher als Käufer hat dabei gegenüber einem Unternehmer als Verkäufer einen Anspruch auf einen Vorschuss. Dieser besteht jedoch nicht in jedem Fall, wie ein junges Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt (Urteil v. 30.03.2022, Az. VIII ZR 109/20). Hier war der Verkäufer bereit gewesen, die Kaufsache bei der Käuferin abzuholen. Eingegangen ist sie darauf aber nicht, mit entsprechenden Konsequenzen. 

Der Fall: Ein Dressurpferd streckt die Zunge

Die Klägerin ist Verbraucherin und erwarb Mitte 2017 ein Pferd zum Kaufpreis von 12.000 Euro. Wenig später rügte sie gegenüber dem Verkäufer mehrfach die Tatsache, dass es beim Pferd, einem fünf Jahre alten Oldenburger Wallach, zum „Zungestrecken“ komme. Solche Erscheinungen werden auch als „Zungenfehler“ bezeichnet und können etwa auf medizinische Probleme hindeuten. 

Der beklagte Verkäufer jedenfalls erklärte sich zur Nacherfüllung bereit und bot an, das Pferd hierzu abzuholen. Die Klägerin allerdings verweigerte die Herausgabe und forderte stattdessen die Zahlung eines Transportkostenvorschusses in Höhe von 1.200 Euro, um den Transport vom Pferd zum Verkäufer selbst durchzuführen. Nachdem der Verkäufer diesen nicht zahlte, erklärte die Käuferin ihren Rücktritt vom Vertrag. Die Klage blieb in den ersten Instanzen erfolglos und landete schließlich beim BGH. 

Käufer muss Verkäufer Überprüfung der Kaufsache ermöglichen

Ist die Ware mangelhaft, können Käufer nach dem Gewährleistungsrecht einen Anspruch auf Nacherfüllung haben. Dabei muss sich der Verkäufer aber grundsätzlich nicht auf ein Nacherfüllungsverlangen einlassen, bevor ihm der Käufer eine Gelegenheit zur Untersuchung der Sache gegeben hat: Verkäufer sollen die verkaufte Sache zuvor etwa darauf überprüfen können, ob der behauptete Mangel tatsächlich besteht, worauf er beruht und wie er beseitigt werden kann. Schließlich könnte der Käufer ja alles Mögliche behaupten.

Dabei reicht es nicht aus, dem Verkäufer den Kaufgegenstand einfach „nur“ zur Verfügung zu stellen, das Ganze muss auch am rechten Ort geschehen – dem sogenannten Erfüllungsort. Das ist in der Regel und soweit nichts anderes vereinbart, jener Ort, an dem der Verkäufer seine Leistung erbringt (beispielsweise, indem er beim Versendungskauf die Lieferung beim Transportunternehmen abgibt. Der Erfüllungsort liegt hier beim Verkäufer). 

Verbraucher haben grundsätzlich Anspruch auf Kostenvorschuss

Liegt dieser Ort entfernt vom Käufer, entsteht natürlich Aufwand – die Sache muss dann, wie im Fall vor dem BGH, irgendwie vom Käufer zum Verkäufer kommen. Ist das erforderlich und entstehen dem Käufer dadurch (Transport-)Kosten, hat der Käufer bei einem Gewährleistungsanspruch für diese Kosten nicht nur einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Verkäufer, sondern kann bereits vorab einen Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen – so lässt auch der BGH im Urteil wissen. Übertragen lassen kann sich das auch auf Fälle aus dem Online-Handel: Der Käufer versendet hier die mangelhafte Ware an den Verkäufer und kann sich von diesem die erforderlichen Kosten dafür erstatten lassen. 

Der Grund für diese Regelung liegt darin, dass der Verkäufer den vertragsgemäßen Zustand der Kaufsache unentgeltlich bewirken muss. Die Vorschusspflicht wiederum soll den Verbraucher vor drohenden finanziellen Belastungen schützen, die ihn ja von der Geltendmachung seines Anspruchs abhalten könnten. 

Lange Rede, kurzer Sinn: Im Fall vor dem BGH lag der Erfüllungsort am (Wohn-)Sitz des beklagten Verkäufers. Hier hätte die Käuferin das Pferd zur Verfügung stellen müssen, auf Kosten des Verkäufers. 

Aber: Keine Kosten – kein Vorschuss

An dieser Stelle wird es für die Käuferin problematisch: Einen Anspruch auf Vorschuss der Transportkosten billigt ihr der BGH nicht zu. Da der Verkäufer angeboten hat, das Pferd bei der Käuferin unentgeltlich abzuholen, wären ihr nämlich gar keine Transportkosten entstanden, weshalb sie konsequenterweise auch keinen Anspruch auf einen Vorschuss solcher Kosten habe. Mehr noch: Indem die Käuferin den Pferdetransport selbst ausführen bzw. organisieren wollte und dies von der Zahlung eines Vorschusses abhängig machte, obwohl der Verkäufer die unentgeltliche Abholung angeboten hatte, sei sie ihrer Obliegenheit, das Pferd zur Verfügung zu stellen, nicht nachgekommen. 

Damit habe auch kein taugliches Nacherfüllungsverlangen seitens der Käuferin vorgelegen. Dies ist jedoch, neben anderen Punkten, Voraussetzung dafür, wirksam von einem Kaufvertrag zurücktreten zu können. Schon wegen dieses Umstandes war die Käuferin, trotz einer Rücktrittserklärung, nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten. Die aus einem Rücktritt resultierenden Ansprüche blieben ihr insofern verwehrt – so etwa auch ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. 

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Will der Käufer wegen eines Mangels eine Nacherfüllung, braucht es ein taugliches Nacherfüllungsverlangen. Dazu gehört, dass die Kaufsache am Erfüllungsort zur Verfügung gestellt wird. Einen Vorschuss für entsprechende Transportkosten kann der Käufer dabei jedoch nicht verlangen, wenn der Verkäufer sich bereit erklärt, die Sache unentgeltlich abzuholen und sie selbst zum Erfüllungsort zu bringen, sofern es dabei nicht zu erheblichen Unannehmlichkeiten für den Verbraucher kommt.

Übrigens: Gerade, wenn es sich um äußerst sperrige Waren handelt, können Online-Händler unter Umständen dazu verpflichtet sein, die Ware abzuholen oder die Abholung zu organisieren – dass der Verbraucher die Ware selbst versendet, kann laut Urteil des EuGH dann nicht verlangt werden, wenn es dadurch zu erheblichen Unannehmlichkeiten kommt. Mehr Informationen.

Das Urteil betrifft die alte Rechtslage, die Prinzipien lassen sich aber grundsätzlich auf die aktuelle Situation übertragen.

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