Arbeitsgericht Koblenz

Job für „coole Typen“ – Darf eine Stellenanzeige so formuliert werden?

Veröffentlicht: 11.07.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 11.07.2022
"We are hiring" auf Stuhllehnen geschrieben

„Wir suchen coole Typen - Anlagenmechaniker - Bauhelfer …“ – so hieß es in der im Internet veröffentlichten Stellenanzeige, mit der sich kürzlich das Arbeitsgericht Koblenz zu befassen hatte (Urteil v. 9.2.2022, Az. 7 Ca 2291/21). Dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Benachteiligung „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ insbesondere in Stellenanzeigen verbietet, das sollte Arbeitgebern mittlerweile hinreichend klar sein. Abgelehnte Bewerberinnen und Bewerber können ggf. eine Entschädigung geltend machen, wenn das doch passiert.

So lag der Fall auch hier: Eine gelernte Elektrotechnikerin hatte sich ohne Erfolg beworben. In der Formulierung der Stellenanzeige sah sie eine Diskriminierung aufgrund des Alters und der Sexualität. Zwar schlossen sich die Richter der Argumentation nicht vollends an, billigten ihr aber eine Entschädigung zu. Dabei befasste sich das Gericht auch mit gefallenen Beleidigungen sowie der Weiterleitung der Bewerbung an Dritte, für die eine zusätzliche Entschädigung festgesetzt wurde. 

Keine Altersdiskriminierung: „Cool“ ist nicht nur was für junge Menschen

Eine Diskriminierung des Alters konnte das Gericht bei der verwendeten Floskel, es würden „coole Typen“ gesucht, nicht feststellen. Es lasse sich dem nicht entnehmen, dass die Beklagte ausschließlich Bewerber eines „jungen“ Alters suche. „Cool“ sei ein mittlerweile eingebürgerter und in der allgemeinen Kommunikation gängiger Begriff, der weder typischerweise nur von jüngeren Personen genutzt werde, noch hauptsächlich auf jüngere Personen angewendet werde. „Cool können Personen, Verhaltensweisen, Ereignisse oder sonstige Umstände sein, der Begriff dient der saloppen Bezeichnung einer besonders gelassenen, lässigen, nonchalanten, kühlen, souveränen, kontrollierten, nicht nervösen Geisteshaltung oder Stimmung sowie der Kennzeichnung besonders positiv empfundener, den Idealvorstellungen entsprechender Sachverhalte. Einen Altersbezug weist er nicht auf“, heißt es im Urteil. 

Auch begründe die Suche eines Arbeitgebers nach „coolen Typen“ in einer Stellenausschreibung für sich genommen noch nicht zwingend eine Benachteiligung wegen des Geschlechts. In der Formulierung der Stellenausschreibung, wonach die Beklagte nach einem „Anlagemechaniker“ und „Bauhelfer“ suche, erkannten die Richter aber durch die ausschließliche Verwendung der maskulinen Form eine Ausrichtung nur auf Männer und nicht auf Personen anderen Geschlechts. Die Begrifflichkeit coole „Typen“ sei grammatikalisch zwar ein maskulines Substantiv, inhaltlich allerdings geschlechtsunspezifisch. „Gleichwohl legen die auf den Begriff Typ folgenden Wörter ‚Anlagenmechaniker‘ und ‚Bauhelfer‘ nahe, dass die Beklagte tatsächlich männliche Typen sucht“, heißt es im Urteil. 

Selbstbestimmung: Das Geschlecht ist Biologie, aber auch noch mehr 

Sodann befasst sich das Gericht auch mit dem Geschlecht: Die Klägerin sei zwar aus biologischer Sicht dem männlichen Geschlecht angehörig, empfinde sich jedoch dem Gegengeschlecht zugehörig. Darauf allein kommt es allerdings auch nicht an, was in der Vergangenheit von deutscher und europäischer höchstrichterlicher Rechtsprechung klargemacht wurde. Das Geschlecht bemisst sich nicht nur an der biologischen Determination, sondern ist auch als soziale Konvention zu verstehen „deren primäre Aufgabe darin besteht, jeder Person ihr So-Sein zu ermöglichen und ihre Lebensentscheidung zu sichern, unabhängig davon, welches Geschlecht sie hat oder welches Geschlecht ihr zugeschrieben wird“. 

Fallen biologisches und psychisches Geschlecht auseinander, ist demnach dem Selbstbestimmungsrecht des betroffenen Menschen Rechnung zu tragen. Zu keinem Zeitpunkt hätten Zweifel daran bestanden, dass die Klägerin, die etwa auch stets unter „Frau Markus…“ aufgetreten sei, als Frau angesehen und behandelt werden möchte – das bescheinigte auch ein Gutachten, das vom Landgericht Köln eingeholt worden war. Die geschlechtliche Identität der Klägerin als Frau sei daher rechtlich anzuerkennen. Zugleich stellt das Gericht fest, dass sich der Schutz des AGG im Hinblick auf Benachteiligungen wegen des Geschlechts auch auf transsexuelle Personen beziehen. Für den Schutz bedürfe es weder einer Angleichung des Vornamens noch eines Statuswechsels des Geschlechts noch einer Geschlechtsumwandlung. 

Verstoß gegen Persönlichkeitsrecht: Beklagter leitete Bewerbung mit Kommentar weiter

Bei diversen Beleidigungen, die die Beklagte gegenüber der Klägerin geäußert hatte, sah das Gericht den Schwerpunkt im beleidigenden Charakter, nicht aber in einer geschlechtsspezifischen Aussage. Als Indiz für eine entsprechende Diskriminierung ordnete das Gericht diese insofern nicht ein. Anders jedoch bei der Nachricht und dem Smiley, die die Beklagte zusammen mit der Bewerbung an eine andere Person geschickt hatte: Hier sah das Gericht sehr wohl den Hintergrund, dass sich diese Aussage ausschließlich auf den Umstand beziehen dürfte, „dass die Bewerbung der Klägerin von ‚Frau Markus‘ stammt“. Einen anderen Anlass zur Beanstandung habe die Bewerbung nämlich nicht gegeben, so die Richter. Weshalb kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutze vor Benachteiligungen haben soll, das ergebe sich aus den Ausführungen der Beklagten letztlich nicht. Die Entschädigung legte das Gericht hier auf 5.000 Euro fest. Darüber hinaus muss die Beklagte weitere 1.000 Euro Entschädigung dafür leisten, dass sie die Bewerbung Dritten zugänglich gemacht hat. 

Extra Entschädigung – „Vertrauliche Daten sind vertraulich zu behandeln“

„Den Arbeitgeber trifft die vorvertragliche Pflicht, die Bewerbungsunterlagen nicht angenommener Bewerber an diese zurückzusenden oder sie - mit deren Einverständnis - zu vernichten oder für eine spätere Stellenausschreibung aufzubewahren; in jedem Fall hat er die Daten vertraulich zu behandeln und sie nicht externen Dritten gegenüber zu offenbaren“, sagt die höchstrichterliche Rechtsprechung. Das Gericht wertet das Weitergeben als erheblichen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin, mit der die Beklagte auch gegen ihre Vertraulichkeitspflicht und datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen habe. Erschwerend komme der negative Begleitkommentar hinzu. Die Verletzung hält das Gericht mit einem Betrag von 1.000 Euro zusätzlich für hinreichend sanktioniert. 

Arbeitgeber sind gut darin beraten, sich an die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu halten und entsprechende Diskriminierungen zu vermeiden. Das gilt insbesondere für die Formulierung von Stellenausschreibungen. Laut dem Urteil des AG Koblenz stellt die Suche eines Arbeitgebers nach „coolen Typen“ in einer Stellenausschreibung zumindest für sich genommen und ohne weiteren Sachvortrag keine Benachteiligung wegen des Alters oder Geschlechts dar – ob die vom Gericht gewählte Argumentation als überzeugend empfunden wird und „coole Typen“ tatsächlich einen geschlechtsneutralen Ausdruck darstellt, das ist wohl streitbar. Am Ende nahm das Gericht jedenfalls eine Benachteiligung wegen des Geschlechts an, unter Berücksichtigung der weiteren Begriffe aus der Ausschreibung.

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Kommentare  

#1 Michael 2022-07-13 14:54
Oh Mann, ist denn schon der erste April? Mit solch einem Kram beschäftigt man ernsthaft die Gerichte?
Nur weil ein weibliches menschliches Wesen meint, sie sei kein Typ? "Typ" ist geschlechtsneut ral.

Aber egal ... nach diesem Winter haben auch wir hoffentlich diese "first-world-pr oblems" nicht mehr, wenn man sich wieder auf Wichtiges konzentrieren muss.

Wie soll denn das Stellengesuch dann rechtssicher lauten? "Wir (eine Firma, bestehend aus menschlichem Leben) suchen coole Typ*innen jeglichen Alters - Anlagenmechanik er*innen - Bauhelfer*innen … Wir legen keinen Wert auf Können und Erfahrung. Als Unternehmen der Baubranche ist uns korrektes Gendern als Kerngeschäft wichtiger als gute Arbeit mit kompetentem Personal*innen auszuführen.
Ihre Bewerbung nehmen wir gerne entgegen, holen sie auch gerne ab, wenn Ihnen das mehr zusagt.

???

Ist ein Stellengesuch Hebamme (m/w/d) eigentlich korrekt? Immerhin ist das Wort "weiblich", denn es gibt keinen Hebammerich und auch keine Hebamme*innen.

Gendern ... Ein Paradies für Abmahnanwälte.
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