Oberlandesgericht Brandenburg

Aufhebung einer Ebay-Kontosperrung per einstweiliger Verfügung nur im Ausnahmefall

Veröffentlicht: 07.09.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 07.09.2022
Mit Kette verschlossene Ladentür

Manche Online-Händler, die Marktplätze nutzen, haben die Erfahrung bereits gemacht: Die jeweiligen Marktplatzbetreiber können ein Verkaufskonto – aus Gründen – sperren. Für die Betroffenen ist das mitunter eine sehr ernsthafte Situation. Mit einer derartigen Sperre eines gewerblichen Ebay-Kontos befasste sich nun kürzlich das OLG Brandenburg im einstweiligen Rechtsschutz (Urteil v. 21.7.2022, Az. 10 U 65/22) – nicht zum Vorteil des betroffenen Händlers. Aus mehreren Gründen gab das Gericht seinen Anträgen nicht statt. Das Landgericht in erster Instanz habe seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht abgewiesen. 

Darum geht es: gelöschte Verkaufsangebote und gesperrte Verkäuferkonten

Hintergrund der Entscheidung ist die Löschung von Verkaufsangeboten und die Sperrung des Händler-Accounts mit zwei Nutzerkonten seitens des Marktplatzbetreibers. Wie sich der Entscheidung entnehmen lässt, handelte es sich bei den gelöschten Angeboten offenbar um solche von „Product Keys“ für Software, bei denen die Illegalität im Raum stand. Ebay jedenfalls kündigte das Vertragsverhältnis zum Händler ordentlich.

Dagegen ging der Händler im Wege der einstweiligen Verfügung vor. Sie dient dazu, in dringlichen Fällen vorläufigen Rechtsschutz zu schaffen und Schäden abzuwenden. Um so eine einstweilige Verfügung zu erzielen, braucht es einen Verfügungsgrund. Der kann vorliegen, wenn zu befürchten ist, dass durch „eine bevorstehende Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte“. Es braucht also eine Dringlichkeit. Die ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn der Antragsteller auch einfach auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren warten könnte, ohne dass ihn erhebliche Nachteile entstehen. Die „eigentliche“ gerichtliche Entscheidung wird durch eine vorläufige Anordnung im Eilrechtsschutz also grundsätzlich auch nicht ersetzt. 

Eilrechtsschutz – nach elf Monaten Abwarten?

In diesem Fall hatte der Ebay-Verkäufer den Antrag auf einstweilige Verfügung nun erst elf Wochen nach der Kündigung gestellt. Wie das Gericht ausführt, hätte es aber auch angesichts der behaupteten Existenzbedrohung durch die Sperrung nahegelegen, eine Unterlassungsverfügung schon umgehend nach der Sperrung zu erwirken oder das zumindest zu versuchen. Indem der Händler nun aber diese Zeitspanne verstreichen ließ, habe er die Vermutung, dringend auf einstweiligen Rechtsschutz angewiesen zu sein, selbst widerlegt.  

Dann spricht das Urteil auch ein weiteres Problem an, das einer einstweiligen Verfügung im Weg stehen kann: die sogenannte Vorwegnahme der Hauptsache. Dabei handelt es sich quasi um einen prozessualen Aspekt. Die Hauptsache darf, mit einigen Ausnahmen, grundsätzlich nicht durch die einstweilige Verfügung vorweggenommen werden. So eine Ausnahme bestünde etwa in Fällen, „in denen der Antragsteller dringend auf einen gerichtlichen Titel angewiesen ist und ihm ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden kann“. Die Nachteile, zu denen es andernfalls käme, müssen dabei nicht nur schwer wiegen, sondern darüber hinaus außer Verhältnis zu den dem Schuldner drohenden Schäden stehen. „Daher kann die einstweilige Verfügung in Bezug auf einen Hauptsacheanspruch regelmäßig nur in den Fällen einer existentiellen, irreparablen Schädigung der Antragstellerin ergeben“, heißt es im Urteil. 

Ausnahmsweise einstweilige Verfügung? Verkäufer müsste eine existentielle Notlage darlegen

Wie das OLG Brandenburg meint, stelle ein Antrag gegen eine Sperrung eines gewerblichen Verkäuferkontos wie hier zweifellos eine solche Vorwegnahme der Hauptsache dar. Im Regelfall scheidet eine Entscheidung im Wege der einstweiligen Verfügung damit aus. Es könne aber eine Ausnahme bestehen: Dazu muss „der Gläubiger so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Leistungsanspruches angewiesen sein oder müssen ihm so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, dass ihm ein Zuwarten oder eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach Wegfall des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs nicht zumutbar ist. Bei wirtschaftlichen Nachteilen ist insoweit erforderlich, als dass der Gläubiger anderenfalls in eine existentielle Notlage geriete“, heißt es im Urteil. 

Um gegen eine Kontosperrung auf einem Marktplatz vorzugehen, sollte man laut der Entscheidung nicht nur nicht zu lange mit dem entsprechenden Antrag „warten“ – schließlich steht hier die Dringlichkeit im Raum. Es müsse auch eine existentielle Notlage nachgewiesen werden. An der Glaubhaftmachung des Verkäufers in diesem Fall hatte das OLG Brandenburg (jedenfalls im Zeitpunkt der Ladungsverfügung) erhebliche Zweifel.

Es sei bemerkenswert, dass der Händler stets allein die erzielten Umsätze dargestellt habe. „Um eine existenzielle Notlage darlegen zu können, hätte es eher nahegelegen, Einkommensteuererklärungen und gegebenenfalls Einkommensteuerbescheide vorzulegen. Denn es war nicht ausgeschlossen, dass der Verfügungskläger noch über andere Einnahmen oder auch Vermögen verfügt“, heißt es im Urteil. Und dann ist es letztlich natürlich auch erforderlich, darlegen zu können, dass die Sperrung unberechtigt war. 

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