Bundesgerichtshof

Urteil gefällt: Kein Anspruch auf Entfernung der Bewertung „Versandkosten Wucher!!“

Veröffentlicht: 29.09.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 29.09.2022
Hand hält roten Bewertungssmiley

Vor dem BGH war gestern eine Verhandlung im Streit um eine negative Bewertung auf Ebay angesetzt, nun ist bereits das Urteil gefallen (Urteil v. 28.9.2022, Az. VIII ZR 319/20). 

Der beklagte Käufer hatte nach Erhalt der erworbenen Artikel eine Bewertung für den Händler abgegeben, unter anderem mit dem Inhalt „Versandkosten Wucher!!“. Dies hielt der Verkäufer jedoch für unzulässig und klagte. Hierfür stützte er sich auch auf die Ebay-AGB, die Regelungen für Bewertungen vorsehen. 

Die Revision des beklagten Käufers hatte nun Erfolg: Dem Verkäufer steht ein Anspruch auf Entfernung der Bewertung nicht zu. 

BGH: Es gilt die Grenze der Schmähkritik

„Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten“, heißt es in § 8 der Ebay-AGB, mit dem sich der Bundesgerichtshof zu befassen hatte. Es geht um die Frage, ob die Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ wohl darunter fällt, also ggf. ein Verstoß gegen die Vereinbarung besteht. 

Bei der Frage, wie weit die Klausel reicht und ob durch sie vertraglich eine strengere Beschränkung erzeugt wird, als sie durch den gesetzlichen Rahmen ohnehin vorgegeben ist, kommt der BGH zu dem Schluss: Nein. „Anders als das Berufungsgericht es gesehen hat, enthält die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB über die bei Werturteilen ohnehin allgemein geltende (deliktsrechtliche) Grenze der Schmähkritik hinaus keine strengeren vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts

Werturteile: Rechtsprechung mache erkennbar, wo die Grenzen der Zulässigkeit liegen

Diese lässt auch wissen, dass es in der Verhandlung des Falles viel um die juristische Auslegung der Ebay-Klausel ging – deren Wortlaut beurteilt das Gericht demnach nämlich als nicht eindeutig. Letztlich aber sieht es viele Argumente dafür, warum die Klausel keine über die ohnehin rechtlich bestehenden Beschränkungen für Werturteile hinausgehenden Rahmenbedingungen schafft. So fehle etwa eine Definition für „sachlich“ in den AGB. Auch liege es im „wohlverstandenen Interesse“ aller Beteiligten, dass die Zulässigkeit einer solchen, grundrechtsrelevanten Bewertung an den Grundsätzen ausgerichtet wird, wie sie die höchstrichterliche Rechtsprechung festgelegt hat. Welche Anforderungen an die Zulässigkeit von Bewertungskommentaren bestünden, werde hierdurch für Nutzer und für Ebay selbst möglichst greifbar und verlässlich umrissen. 

Die Grundrechte der Beteiligten spielten ohnehin eine Rolle in der Verhandlung: Der Meinungsfreiheit des Bewertenden würde man von vornherein geringer gewichten als die Grundrechte des Verkäufers, wenn die Meinungsäußerung eines Käufers bereits dann als unzulässig zu beurteilen wäre, wenn sie herabsetzend formuliert sei oder nicht (vollständig oder überwiegend) auf sachlichen Erwägungen beruhe. Und eine Auslegung der AGB-Klausel, die die grundrechtlichen Wertungen nicht hinreichend berücksichtigt, die entspreche „nicht dem an den Interessen der typischerweise beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Verständnis redlicher und verständiger Vertragsparteien“, heißt es in der Mitteilung. 

„Versandkosten Wucher!!“ – BGH erlaubt harsche Bewertung 

Die Grenze der Zulässigkeit der Bewertung liegt damit dort, wo die Grenze zur Schmähkritik überschritten wird. Das sei bei der Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ aber nicht der Fall gewesen. „Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung“, so die Mitteilung in Bezug auf das Urteil. Damit es sich bei einer Äußerung um Schmähkritik handelt, müsse hinzutreten, dass dabei nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll.

Bei „Versandkosten Wucher!!“ stehe aber eine Diffamierung der klagenden Verkäuferin nicht im Vordergrund. Wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form – der beklagte Käufer setze sich kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung der Verkäuferin auseinander, indem er die Versandkosten beanstandet. „Die Zulässigkeit eines Werturteils hängt nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist“, schließt die Pressemitteilung. 

Mehr Informationen zur Vorgeschichte gibt es hier

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Kommentare  

#29 TT 2022-10-06 14:43
Nun Hr. Brandes, da kann ich Ihnen nur empfehlen nach Russland auszuwandern, da werden Sie sicher willkommen sein...
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#28 TT 2022-10-06 11:42
Die Antwort der Redaktion ist aus meiner Sicht enttäuschend und spiegelt eigentlich nur die Situation des Rechtssystems wieder. Natürlich ist der Anspruch individuell, aber darum geht es doch gar nicht, sondern es geht darum, dass auch Menschen mit kleinem Geldbeutel zu Ihrem Recht kommen sollen. Wir wollen hier nicht gegen ebay und auch nicht gegen die Meinungsfreihei t klagen, die soll so bleiben wie sie ist und das bedeutet auch das jeder seinen eigenen Blödsinn schreiben kann. Viel schlimmer ist, dass viele interlektuell offensichtlich nicht in der Lage sind zu unterscheiden was Blödsinn ist und was nicht (mal ganz allgemein gesehen). Es geht darum, dass der Verfasser eines solchen Blödsinns, sofern der Inhalt nicht allgemein ist sondern sich konkret auf eine Person bezieht, egal ob es um eine individuelle oder juristsiche Person handelt, zur Verantwortung gezogen wird, sofern dadurch ein Schaden entsteht. Niemand wird individuell wegen einer negativen Bewertung einen solchen Prozess anstrengen. Die Gefahr auf Kosten in 4-stelliger Höhe sitzen zu bleiben ist viel zu groß. Wir brauchen eine Kultur, die mit den gleichen rechtsstaatlich en Mitteln die diese Leute heute in Ihrer Meinungsfreihei t schützt, schadensrechtli ch zur Verantwortung zieht.... und da sind wir wieder beim Händlerbund. Ich wünsche mir eine Art "Rechtsschutzve rsicherung", die es möglich macht gegen solche Leute quasi auf Knopfdruck vorgehen zu können. Nur wenn es genügend Urteile gibt, die in solchen Äußerungen einen wie auch immer gearteten Schaden erkennen, wird sich was ändern und da geht es jetzt nicht nur um inkorrekte negative Bewertungen, sondern auch um Beleidigungen, Hass, Hetze und was sonst noch so alles dazu paßt...

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Antwort der Redaktion

Lieber TT,

wir geben deine Anregungen gerne an die zuständige Stelle im Händlerbund weiter!

Beste Grüße

die Redaktion
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#27 brandes dieter 2022-10-06 11:35
Eine Überarbeitung der Gesetze ist sehr aufwändig und im Moment kaum möglich.
Das Problem mit der Justiz wäre EINFACH in den Griff zu bekommen, wenn man den Richtern die Narrenfreiheit nehmen würde.
Oder in ein paar Jahren, wenn KI so weit ist und das ganze Gesetzgewusel überarbeiten lassen würde. Für Menschen hat sich das System Gesetz durch die Komplexität und die so weit verselbständigt en Flicken in eine Shäre verabschiedet, die heisst, dass man nichts mehr tun kann.

Nur noch Patriarchen wie Musk u.ä. bekommen System in den Griff (mal eben das optimal umweltfreundlic he Auto salonfähig gemacht, der Ukraine mal so eben die Kommunikation ermöglicht, usw. usw.).
Demokratische Systeme sind nun am Ende der Entwicklungsfäh igkeit. Ohne KI ist da nun ein Stillstand in der Entwicklungsmög lichkeit eingetreten.
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#26 Ben Tlin 2022-10-06 11:29
Leider wird der Einzelhandel hierzu auch nicht von seinen zuständigen Wirtschaftsverb änden hinreichend vertreten.
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#25 anja 2022-10-06 10:19
Ich kann mich für dieses Land und seine "Rechtsprechung " nur noch fremdschämen. Eigentlich komme ich aus dem Fremdschämen seit 2020 garnicht mehr raus. Da wird gehetzt, beleidigt, beschimpft und gemobbt, was das Zeug hält und solche Bewertungen spiegeln nur wider, was hier großflächig im Land los ist.
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#24 G.Martin 2022-10-05 21:39
Bei Ebay dürfen selbst die Dümmsten - Gestörtesten und psychisch Kranken einmal ihre Meinung sagen, solange sie irgendetwas kaufen oder ersteigern. Wer und warum da jemand wie bewertet, interessiert Ebay nicht, solange der Rubel rollt. Hat man dann noch das Pech einen unkompetenten Ebay-Mitarbeite r zu erwischen , wird selbst die eindeutig unwahre ( nur zur Befriedigung dienende Bewertung) nicht entfernt. In den Zeiten des Internets kommen nun auch solche zu Wort , die im wahren Leben absolute Versager sind - nur etwas ersteigern oder kaufen, und schon darf jeder mal so richtig seinen angesammelten Frust über sein unbefriedigende s Leben abladen.
Selbst wenn 99,9% der Kunden zufrieden sind , kommt man bei eintausend Bewertungen auf einen dieser absoluten Versager und muss die rote Negativbewertun g im Bewertungsprofi l mitschleifen. Verkäufer sollten sich im Gegenzug untereinander austauschen ,und eine Liste der "unmündigen Käufer" anlegen ,um diese für einen Kauf zu sperren.
Bedauerlicher weise sind dann noch Richter da , die keine Ahnung von der Materie haben ( aber die Macht " recht zu sprechen") deren Beweggründe man nur erahnen kann .Beispielsweise zu unzähligen Abmahnungen wurde von solchen Leuten( die sich Richter nennen dürfen ) ,redliche Bürger ( Verkäufer) genötigt Strafen zu bezahlen .Diese Berufsgruppe gehört unbedingt auf den Prüfstand ,und sollte für Ihre massenhaften Fehlurteile belangt werden.

[Anmerkung der Redaktion: Bitte bleiben Sie sachlich.]
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#23 TT 2022-10-05 21:01
Die Meinungsfreihei t ist eben ein hohes Gut und das ist auch gut so. Was ich an der ganzen Sache allerdings vermisse ist die Konzentration auf das Wesentliche an der Sache. Der Begriff Wucher beinhaltet, dass für eine Leistung ein Entgeld verlangt wird, welches weit über dem für diese Leistung sonst üblichen Rahmen liegt. Das ist hier eindeutig nicht der Fall. Demzufolge ist die Aussage desjenigen der die Bewertung abgegeben hat falsch. Daraus resultieren meiner Meinung nach Ansprüche auf Schadensersatz. Auch wenn dieser Schaden vielleicht nur imaginär darstellbar ist (alte Kunden werden sich davon vermutlich eher nicht beieinflussen lassen aber potentielle neue Kunden die nicht genauer nachlesen möglicherweise schon) halte ich es für dringend geboten hier mal für Referenzurteile zu sorgen. Gerade bei ebay ist die Anzahl der Käufer, die meinen gegenüber dem Verkäufer durch ihre Bewertung gewissermaßen erzieherisch tätig werden zu müssen besonders hoch... und diese Leute brauchen mal eins auf den Deckel! Die Versandkosten sind immer wieder ein rotes Tuch. Diese Kosten sind aber nun mal vorhanden und beinhalten eben auch mehr als nur die Briefmarke für das Einschreiben. Allein schon die MwSt übersehen da viele. Viele Käufer scheinen auch interlektuell nicht in der Lage zu sein zu erkennen, dass auch bei kostenlosem Versand die Versandkosten bezahlt werden, die sind dann eben im Artikelpreis umgelegt und wenn zwei Stück bestellt werden zahlt man eben doppelt (siehe z.B. Amazon prime). Ich sehe hier eigentlich den Händlerbund in der Pflicht in solchen Fällen den Prozess auf Schadensersatz zu führen und Referenzen zu schaffen, denn das Thema ist schon sehr alt....

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Antwort der Redaktion

Lieber TT,

wir freuen uns über dein Interesse am Thema! Bei Schadensersatza nsprüchen handelt es sich grundsätzlich um individuelle Ansprüche, die durch den Betroffenen selbst geltend gemacht werden müssen. Der Händlerbund unterstützt seine Mitglieder aber selbstverständl ich gerne auch in der Klärung solcher Fragen in der individuellen Rechtsberatung.

Beste Grüße
die Redaktion
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#22 THomas 2022-10-05 15:29
Ich sehe das genau wie Michael um 08:47 Uhr. Wir hatten das Problem auch schon. Ich kaufe nicht irgendwas zu einem Preis und Versandkosten einer bestimmten Höhe und beschwere mich hinterher, daß es zu teuer ist. So etwas geht gar nicht und die Richter, die das anders sehen, die gehören verklagt. Solche Schwachmaten
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#21 Ebeling 2022-10-05 15:13
Warum ist es anscheinend völlig unerheblich, ob die Versandkosten tatsächlich (zu) hoch waren? Sowas müßte doch erstmal festgestellt werden. Dann kann man also frei weg auch was von Wucher schreiben wenn die Versandkosten tatsächlich sogar sehr niedrig waren und das wäre dann völlig in Ordnung für deutsche Gerichte? Schilda läßt grüßen.
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#20 oejendorfer 2022-10-05 15:06
Den Inhalt des Urteils verstehen sowieso über 90% aller Bürger nicht, (locker ausgedrückt)da sie ja nicht Jura studiert haben und "Wertschöpfend" tätig sind.
Nur zur Sache.: Der kunde kann eine Bewertung nur dann abgeben, wenn er bei ebay ein Produkt gekauft hat. Also hat er das ebay Angebot des Verkäufers gelesen, mit allen Daten die da stehen. Somit hat er selbst zu ""Wucher Versandkosten "" gekauft. Na, liebe ebay Händler/Käufer, hat es doch ein super EIGENTOR geschossen.
Aber im Nachherrein meckern scheint eine neue "Deutsche Tugend" zu sein.
Tschüss Wolfgang
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