Grundsatzfrage

Wann muss Amazon für Verstöße der Händler mithaften?

Veröffentlicht: 25.10.2022 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 01.11.2022
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Die meisten Urteile drehen sich darum, dass Amazon-Marketplace-Händler für die Verstöße der Plattform mithaften müssen. Es geht aber auch umgekehrt, wie die Wettbewerbszentrale jetzt in einem Grundsatzverfahren klären lassen will.

Status quo: Amazon ab Kenntnis für Angebote verantwortlich

Für Amazon und andere Marktplätze gibt es keine allgemeine gesetzliche Überwachungspflicht, die gespeicherten und auf der Plattform eingestellten Informationen auf Rechtsverletzungen hin zu überprüfen – das wäre in der Praxis bei den Massen an angebotenen Artikeln auch gar nicht möglich. Amazon ist es als Unternehmen, das eine Vielzahl von Waren für eine Vielzahl von Kunden einlagert oder präsentiert, nicht zuzumuten, ohne Anlass jede Ware auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen.

Amazon haftet für Rechtsverletzungen seiner Händler jedweder Art aber dann, wenn die Plattform auf konkrete Rechtsverletzungen hingewiesen worden ist und nichts unternommen hat. Eine Mitverantwortlichkeit kann dann für Amazon nicht mehr von der Hand gewiesen werden. Der Marktplatz muss das Angebot vielmehr auf dem entsprechenden Hinweis unverzüglich sperren und Vorsorge treffen, dass es nicht zu weiteren Rechtsverletzungen kommt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 10.04.2008, Az.: I ZR 227/05).

Der Marktplatz ist dabei in der Pflicht, technisch mögliche und zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen zu ergreifen, damit keine Rechtsverstöße mehr auftreten können.

Reichweite der Plattformhaftung von Amazon nicht genug?

Das ist der Wettbewerbszentrale jedoch noch nicht genug. Sie bezeichnet es als „wettbewerbsverzerrendes Ärgernis”, dass oftmals gleiche oder ähnlich gelagerte Rechtsverletzungen nach kurzer Zeit erneut auf den Verkaufsplattformen auftauchen würden. Hier sollen sich die Plattformen nicht auf eine nur eingeschränkte Haftung zurückziehen können, so eine Meldung.

Die Wettbewerbszentrale will nun klären lassen, wie weit eine solche „Erfolgsabwendungspflicht” durch Amazon bei Wettbewerbsverstößen seiner Händler reicht, denn hier sei die Rechtslage nicht eindeutig. Amazon, so heißt es weiter, sei der Auffassung, dass diese Verpflichtung „nur in Ausnahmefällen bei ganz besonders schutzwürdigen Interessen (Jugendschutz/Produktsicherheit)“ bestehe und nicht gleichartige Verstöße umfasst, die zum Zeitpunkt des Hinweises bereits vorlagen.

Mithaftung von Plattformbetreibern für den Handel von enormer Bedeutung

Aufhänger für die Klärung dieser Grundsatzfrage war die Verwendung der Begriffe Sojamilch, Hafermilch und Reismilch für vegane Pflanzendrinks, was seit einem Urteil nicht mehr gestattet und damit rechtswidrig ist. Entsprechende Angebote seien zwar entfernt wurden. Im Anschluss habe Amazon jedoch nichts unternommen, um weitere, ebenfalls unrichtige Angebote, zu entfernen.

Die bislang letzte Gerichtsinstanz, das Landgericht Frankfurt a.M., stimmte der Wettbewerbszentrale zu und sah eine Haftung für Amazon auch für Verstöße gegen formale Marktverhaltensregeln. „Es sei Amazon zuzumuten, Wörter wie „Sojamilch“, „Hafermilch“ und „Reismilch“ aus Angeboten Dritter herauszufiltern. Es genüge, die Angebote durch Filterprogramme laufen zu lassen, was keinen großen Aufwand bedeute”, berichtet die Wettbewerbszentrale über die Urteilsgründe. Über die Berufung wird das Oberlandesgericht Frankfurt entscheiden.

Ob eine Mithaftung durch Amazon zu einem neuen Kurs in der Abmahnindustrie führt, ist fraglich. Zum einen hat sich Amazon als Abgemahnter in der Regel als äußerst starrsinnig erwiesen. Zum anderen würde eine Mithaftung, so wie es der Name schon vermuten lässt, den verantwortlichen Händlern die Pflicht zu einem wettbewerbskonformen Verhalten nicht nehmen. Sie können weiter abgemahnt werden. Ein von den Richtern vorgeschlagener Filter könnte aber ganz willkommen sein, um Dauerbrenner unter den abgemahnten Begriffen wie PU-Leder oder der versicherte Versand zu minimieren.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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