Bundesgerichtshof

Unternehmen muss Schadensersatz wegen „wucherähnlichen Rechtsgeschäft“ zahlen

Veröffentlicht: 18.11.2022 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 18.11.2022
Person hält Autoschlüssel

Vor dem Bundesgerichtshof ging es gerade um die konkrete Ausprägung eines speziellen Geschäftsmodells: Im Zentrum steht ein bundesweit tägiges Pfandleihhaus, das Autos ankauft und sie umgehend wieder an die Verkäufer vermietet („sale and rent back“). Ein Recht zum Rückkauf besteht für die Verkäufer nicht. In einem der verhandelten Fälle hatte der Kunde seinen BMW zum Preis von 5.000 Euro an das Unternehmen verkauft, bei einem Händlereinkaufswert von knapp 14.000 Euro. Für die anschließende Miete zahlte er monatlich 495 Euro. Wegen der Diskrepanz zwischen Kaufpreis und Einkaufswert vermutet der BGH eine verwerfliche Gesinnung des Unternehmens und bestätigte nun die Verurteilung zur Leistung von Schadensersatz. Es liege ein wucherähnliches Rechtsgeschäft vor (Urteil v. 16.11.2022, Az. VIII ZR 436/21 u.a.), heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts

Unternehmen kauft Autos und vermietet sie zurück

Der an den Verkauf anschließende Mietvertrag war zunächst auf sechs Monate befristet und wurde anschließend noch einmal verlängert. In den neun Monaten Mietzeitraum zahlte der Mieter an das beklagte Unternehmen insgesamt 4.455 Euro, zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr in Höhe von 99 Euro. Nachdem er die Miete für den nächsten Monat nicht gezahlt hatte, kündigte das Unternehmen den Mietvertrag und ließ das Fahrzeug, einen BMW M5, öffentlich versteigern. Bei dieser Versteigerung nahm das staatlich zugelassene Pfandleihhaus selbst teil und erwarb das Kraftfahrzeug, das zu diesem Zeitpunkt einen Wiederbeschaffungswert von 16.000 Euro hatte. Anschließend veräußerte sie es weiter. An der Versteigerung durfte sich der ehemalige Eigentümer zwar beteiligen. In dem Fall, dass bei der Versteigerung ein Mehrerlös erzielt worden wäre, sollte dieser dem ehemaligen Eigentümer nach den vertraglichen Vereinbarungen aber nicht zufließen, wenn er selbst den Zuschlag erhält. Neben diesem entschied der BGH noch über drei ähnliche Fälle.

 BGH: Unternehmen muss Schadensersatz zahlen

Dabei mussten sich die Richter mit der Frage auseinandersetzen, ob womöglich ein verbotenes Rückkaufgeschäft im Sinne der Gewerbeordnung beziehungsweise ein wucherähnliches Rechtsgeschäft vorliegt. Ersteres sei zwar nicht der Fall, da die gesetzliche Vorschrift ein Rückkaufsrecht verlange, was hier aber nicht gegeben sei. Doch ein wucherähnliches Geschäft sahen die Richter im Falle des BMW-Verkäufers. Sowohl der Kauf- als auch der Mietvertrag sowie die Übereignung des Fahrzeugs an das Pfandleihhaus seien daher nichtig. Der BGH bestätigt damit das vorhergehende Urteil, nach dem das beklagte Unternehmen Schadensersatz in Höhe des Wiederbeschaffungswertes des Fahrzeugs (16.000 Euro) leisten und die erhaltenen Mieten sowie die Bearbeitungsgebühr (4.554 Euro) gekürzt um den Kaufpreis (5.000 Euro) zurückzahlen muss. 

 „Verwerfliche Gesinnung“ der Beklagten nicht widerlegt

Aufgrund des besonders groben Missverhältnisses zwischen dem an den Kläger gezahlten Kaufpreis und dem Händlerankaufspreis, wie er zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags bestand, vermutet der Bundesgerichtshof eine verwerfliche Gesinnung des beklagten Unternehmens. Die angesichts der Umstände gegen die Beklagte sprechende tatsächliche Vermutung, dass sie bewusst oder grob fahrlässig einen Umstand zu ihren Gunsten ausgenutzt hätte, der den Kläger in dessen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt hat, konnte das Unternehmen demnach nicht widerlegen.

In den anderen verhandelten Fällen hatten sich die vorhergehenden Instanzen ausschließlich mit dem potenziellen Verstoß gegen die Gewerbeordnung befasst. Diese Urteile hob der BGH auf, damit die zuständigen Gerichte das Vorliegen eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts sowie einer wirksamen Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung der Kunden klären können. 

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