Verbraucherzentrale Bundesverband klagt

Unzulässige Klausel: Dating-Portal darf keine eigenen Fake-Profile einsetzen

Veröffentlicht: 17.01.2023 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 17.01.2023
Laptop-Tastatur mit Love- und Scromersymbolen

So manche Beziehung soll gerüchteweise beim Griff nach demselben Lebensmittel im Supermarkt entstanden sein. Häufig aber suchen Menschen die große Liebe im Internet, und finden sie dort mitunter sogar. Dating- und Kontaktportale für Zwecke in diesem Dunstkreis gibt es dabei zu Hauf. Mit einem davon beschäftigte sich kürzlich das Landgericht Flensburg. Wie der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) informiert, hatte dieser nämlich eine Klage angestrengt. Sie betraf etas, was wohl für die meisten Menschen schon per se nicht wirklich romantisch ist: eine Klausel der Geschäftsbedingungen.

Das betreffende Portal setzte, wie der VZBV schreibt, auch Mitarbeitende mit Fake-Profilen zum Chatten ein, und hatte dies eben auch in den Geschäftsbedingungen so vermerkt. Ob es sich bei einem Profil um einen dieser sogenannten „Controller“ handelte, sei allerdings für die Nutzer des Portals nicht erkennbar gewesen. Mit der Vertragsnatur sei die Klausel nicht vereinbar, meint das LG Flensburg, und untersagte dem – inzwischen nicht mehr betriebenen – Portal die Nutzung (Urteil v. 28.10.2022, Az. 8 O 29/22, nicht rechtskräftig). 

AGB-Klausel vor Gericht: Flirten mit Scheinaccounts

Ob es auf dem betreffenden Portal tatsächlich um die ganz große Liebe ging oder andere Zwischenmenschlichkeiten, sei angesichts der im Urteil beschriebenen Aufmachung der Seite einmal dahingestellt. Jedenfalls warb es damit, Menschen mit gleichen Interessen die Möglichkeit zu bieten, sich näher kennenzulernen – „100 % Flirtchance, dafür garantieren wir“ hieß es gar. In den AGB wurde dann auf die „Controller/Controllerinnen“ hingewiesen: „… dass im Chat durch das Unternehmen beschäftigte Controller/Controllerinnen eingesetzt werden und tätig sind, die unter mehreren Identitäten am Chat teilnehmen. Insbesondere Dialoge mit anderen Teilnehmern führen“, heißt es auszugsweise.

Diese seien nicht ausdrücklich als solche erkennbar, sondern über Scheinaccounts im Chat tätig und würden sich gegenüber externen Teilnehmern nicht zu erkennen geben. Dienen würde ihr Einsatz zwar einerseits der „Überwachung der Teilnehmerpflichten“, also wohl der Moderation, aber ausdrücklich auch dazu, „eine Austauschmöglichkeit auch bei einem ggf. temporären Mangel an sonstigen (externen) Teilnehmern zu gewährleisten“. Zudem wurde geregelt, dass ein im Profil genutztes Bild der Person nicht die tatsächliche Person darstellen musste, auch das Geschlecht konnte durchaus anders als angegeben sein. Nach einer probeweisen Nutzung mussten Nutzer sogenannte Flirtchips erwerben, um Zusatzleistungen nutzen zu können. 

Kennenlernen zum Zwecke einer Freundschaft? Praktisch ausgeschlossen

Der VZBV war nun der Auffassung, dass die entsprechenden Regelungen den Nutzungszweck gefährden würden, wie er beworben worden sei. Zwar sei das Chatten und Flirten auch mit professionellen Mitarbeitern möglich, aber wegen der Werbung würden die Nutzer eben schon davon ausgehen, mit realen Nutzern in Kontakt zu treten, die sie auch kennenlernen könnten. Ein Kennenlernen zum Zwecke einer Freundschaft oder sogar einer Partnerschaft sei bei den Scheinprofilen aber ausgeschlossen.

Der Betreiber widersprach: Verbraucher würden durch die streitgegenständlichen Regelungen nicht unangemessen benachteiligt und bereits die Annahme, dass es sich um eine Flirt- und Datingplattform handele, sei falsch. Der in Aussicht gestellte Vertragserfolg sei nicht das Kennenlernen einer Person oder das Vermitteln eines Lebenspartners, vielmehr ginge es um eine Dienstleistung für Personen, die via Chat miteinander flirten wollten, heißt es unter anderem. 

LG Flensburg meint: intransparent und unangemessen benachteiligend

Und das LG Flensburg? Das sieht den Vertragszweck ebenfalls gefährdet. Ein Kennenlernen der Personen hinter den Scheinprofilen sei angesichts der Anonymität quasi unmöglich, die Klausel würde Nutzer insofern unangemessen benachteiligen. Intransparent sei sie aber auch, da sie Nutzer eben nicht darüber informiert, wann und wie oft ein Controller eingesetzt wird und auch nicht erkennbar sei, ob der Chatpartner unter Umständen vielleicht eher monetäre Interessen verfolgt, weil er für das Chatten bezahlt wird – zumal Nutzer für längeres Chatten auch mehr ihrer gekauften Flirtchips einlösen müssten.

Die Werbung ordnet das Gericht aus ähnlichen Gründen als irreführend ein und sieht darüber hinaus auch eine Irreführung durch Unterlassen, da sich der Hinweis auf die Controller eben erst in den AGB nicht und bereits auf der Startseite findet – Nutzern würden insofern wesentliche Informationen vorenthalten werden. Das Vorenthalten, so heißt es im Urteil, betreffe nicht nur Fälle, in denen jemand solche Informationen überhaupt nicht bekommt, sondern auch ihre Darstellung an einer unerwarteten Stelle. 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. 

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