Grundsatzurteil

Händler müssen Muster-Widerrufsbelehrung nicht verwenden

Veröffentlicht: 11.04.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 11.04.2023
Jurist prüft Vertrag

Am 13. Juni 2014, übrigens ein Freitag, wurde das Fernabsatzrecht mit der Verbraucherrechterichtlinie revolutioniert und zum Teil auch verkompliziert. Tausende Online-Shops mussten nach dem Willen des deutschen und europäischen Gesetzgebers um Punkt 0:00 Uhr auf die neue Rechtslage eingestellt sein. Dabei gab es unter anderem neue Informationspflichten und seitdem auch ein gesetzliches Muster, welches Händler mit kleineren Personalisierungen für ihre Shops als fertige Widerrufsbelehrung übernehmen konnten. Damit sollten individuelle Rechtstexte und Rechtsunsicherheiten überflüssig werden (zur Erinnerung gibt es das besagte gesetzliche Muster hier). Die große Frage war jedoch, wie weit man sich von diesem Muster wegbewegen kann und darf, ohne eine Abmahnung befürchten zu müssen.

Wie muss eine abmahnsichere Widerrufsbelehrung aussehen?

Mit der Umsetzung der Novelle 2014 wurde vor allem eins befürchtet: wieder einmal eine große Abmahnwelle, denn zahlreiche Rechtsfragen blieben bis zum letzten Tag vor der Umsetzung ungeklärt und sind es bis heute. So war unklar, wie es beispielsweise mit der sogenannten 40-Euro-Klausel weitergehen soll, denn die fand keinen Niederschlag in dem gesetzlichen Vorschlag für eine Widerrufsbelehrung. Dementsprechend war die Unsicherheit groß, ob eine in der Widerrufsbelehrung verwendete 40-Euro-Klausel ein Garant für eine Abmahnung war oder alles doch nur halb so wild ist.

Der BGH widmete sich in einer aktuell veröffentlichten Grundsatzentscheidung der Frage, wie weit man vom gesetzlichen Muster abweichen darf und urteilte: Nur, wer die gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrung unverändert und richtig ausgefüllt verwendet, ist wirklich sicher (vor einer Abmahnung) und darf sich auf eine gesetzliche Schutzwirkung berufen (Urteil vom 01.12.2022, Az.: I ZR 28/22).

Für Widerrufsbelehrung besteht künstlerische Freiheit – aber ohne Schutz

Der BGH lässt jedoch noch die Hintertür für individuelle Regelungen offen. Unternehmer können ihre Informationspflichten auch durch eine eigene Widerrufsbelehrung erfüllen, die von der Musterbelehrung abweicht, aber inhaltlich den gesetzlichen Informationspflichten genügt, beispielsweise in anderer Form die Ausschlussgründe aufzählt oder die Rücksendeadresse nennt. 

In einem solchen Fall trägt der Unternehmer allerdings das Risiko, dass seine Informationen unvollständig, missverständlich und uneindeutig sind. Der BGH mahnt zudem zwischen den Zeilen an, dass das Muster idealerweise verwendet werden soll, denn jegliche Abweichung schaffe Rechtsunsicherheiten und müsse im Zweifel wieder von den Gerichten auf ihre Zulässigkeit hin beurteilt werden, was wiederum das ohnehin schon ausgelastete Justizsystem unnötig in Beschlag nehmen würden. Für individuelle Änderungen des Muster-Textes durch den Unternehmer bestehe kein schutzwürdiges Bedürfnis, heißt es.

Was nun notwendiges Ausfüllen und Anpassen und was schon eine nicht mehr geschützte individuell gestaltete Belehrung sein soll, wurde jedoch nicht thematisiert und könnte für sich genommen wiederum zu Streitigkeiten führen.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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Kommentare  

#2 Walter Beitzel 2023-04-13 08:51
Alle bisherigen Rechtsänderunge n haben bei kleinen Unternehmen nur zusätzlichen Arbeitsaufwand und Zeit gekostet. Für die eigentliche Arbeit bleibt immer weniger Zeit. Bei mir wird noch alles gütlich geregelt und ob die Kunden die Regelungen überhaupt verstehen, die Widerrufsbelehr ung lesen, bezweifle ich.
Widerwillig wird der Datenschutz weggeklickt und die online Streitbeilegung nutzt auch kaum einer.
Alles wird bis ins Detail geregelt, damit findige Abmahner genug Gründe dafür entdecken.
Wichtige Regelungen müssen sein, aber keine Arbeitsbeschaff ung und Arbeitsplatzsic herung für EU-Beamte die uns "kleinen Geschäften" damit das Leben schwer machen.
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#1 Michaela Zang 2023-04-12 10:37
Das Widerrufsformul ar hat bisher noch kein Kunde von uns genutzt. Die meisten Kunden schicken die Ware ohne Vorankündigung zurück. Leider haben unsere Gesetzgeber null Ahnung vom Handel. Hauptsache dem Kunden wird alles ermöglicht. Der dumme Händler kann ja ständig mit Änderungen belastet werden.
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