Arbeitsrecht

Sozialversicherungspflicht: Wie unterscheide ich zwischen freier Mitarbeit und abhängiger Beschäftigung?

Veröffentlicht: 24.04.2023 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 24.04.2023
Fuß in Ketten

Die Einordnung einer Tätigkeit als selbstständig oder als sozialversicherungspflichtige, abhängige Beschäftigung ist eine ständig wiederkehrende Fragen des Arbeits- und schließlich auch Sozialversicherungsrechts, denn freie Mitarbeiter sind selbstständig tätig und nicht versicherungspflichtig. Um Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung müssen sie sich selbst kümmern. Doch die vielen Urteile rund um diese Themen belegen: Die Theorie ist nicht so einfach in die Praxis umzusetzen. Das zeigt auch ein aktueller Fall.

Die Merkmale von abhängiger und selbstständiger Beschäftigung

Er ist der Klassiker am Arbeitsmarkt: der angestellte Arbeitnehmer, der im Dienste eines anderen steht und zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (zugegeben, das BGB sollte an dieser Stelle etwas moderner formuliert werden). Weisungsgebunden ist, nichtsdestoweniger, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Gleitzeit und andere Modelle bleiben dabei zunächst außen vor. Wer abhängig beschäftigt ist, so viel steht fest, unterliegt der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Davon unterscheidet sich der freie Mitarbeiter, der gerade nicht angestellt, sondern selbstständig ist, und sein eigenes Gewerbe betreibt (z. B. Fotograf, Designer, Coaches und Trainer). Auch Freiberufler (z. B. Rechtsanwalt, Architekten) können mit Angestellten verwechselt werden, wenn sie oft im Unternehmen sind und möglicherweise nur diesen einen Kunden bzw. Mandanten haben. Sie führen jedoch aufgrund eines freien Dienst- oder Werkvertrages Aufträge selbstständig und meist persönlich durch, ohne dabei Arbeitnehmer des Auftraggebers zu sein. Sie schreiben letztendlich eine Rechnung für ihre Arbeit, statt aufgrund eines Arbeitsvertrages ein (festes) Gehalt ausgezahlt zu bekommen. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. 

Abgrenzung? Es kommt darauf an!

Die Grenzen verschwimmen jedoch manchmal. Die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kann nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder erfolgen. Denn es ist möglich, dass ein und derselbe Beruf – je nach konkreter Ausgestaltung der vertraglichen Grundlagen in ihrer gelebten Praxis – entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. So kann beispielsweise ein Architekt, Rechtsanwalt oder Fotograf, der über lange Zeit nur einen sehr großen Klienten hat, entweder weiterhin ein Freiberufler sein, oder andernfalls ein (unwissentlich) Angestellter des Unternehmens. 

Die Abgrenzung hängt wie so oft von den Verhältnissen im Einzelfall ab. Relevant sind Merkmale wie die Abhängigkeit von Weisungen, die Eingliederung in einen Betrieb und ein eigenes Unternehmerrisiko. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt letztendlich davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zeigen die tatsächlichen Umstände, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis und nicht um eine freie Mitarbeit handelt, kommt es final auf den konkreten Vertrag und wie beide Parteien ihn bezeichnen oder einordnen wollen, nicht mehr an.

Neues aus der Rechtsprechung

In einem aktuellen Fall musste ebenfalls der sozialversicherungsrechtliche Status festgestellt werden. Auch wenn eine „freie Mitarbeit“ vereinbart ist, kann die Tätigkeit einer Koordinatorin eines Jazzclubs eine abhängige Beschäftigung sein, wie ein aktuelles Beispiel zeigt. Die Tätigkeit der Koordinatorin des Jazzclubs, die in die Organisation und den Betrieb des Clubs eingegliedert war und kein wesentliches eigenes Unternehmerrisiko trug, war schließlich eine abhängige und damit sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, auch wenn anfangs vertraglich eine freie Mitarbeit vereinbart wurde. So entschied es vergangene Woche das Landessozialgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 20.03. 2023, Az.: L 4 BA 2739/20).

Der 4. Senat des LSG sah eine im Ergebnis abhängige Beschäftigung insbesondere deswegen an, weil der Koordinatorin ein fester Aufgabenbereich innerhalb der Betriebsorganisation der GmbH, nämlich die Koordination des gesamten Spielbetriebs, übertragen worden sei und nicht einzelne Aufträge. 

Dem Umstand, dass die Beteiligten ihr Rechtsverhältnis als freie Mitarbeit bezeichnet hätten, komme keine entscheidende Bedeutung zu, da nach dem Gesamtbild der Tätigkeit die für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung sprechenden Merkmale eindeutig überwögen. Die Frau habe an vier Abenden sowie an zwei Tagen vormittags vier Stunden zur Verfügung stehen müssen. Auch dies spreche deutlich für die Eingliederung in den Betrieb und die Organisation.

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Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

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