Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Newsportal haftbar für rechtswidrige Kommentare!?

Veröffentlicht: 18.06.2015 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 19.06.2015

Das Internet ist gerade darauf angelegt, dass Nutzer beliebig Meinungen und Kommentare teilen können. Dass man für die eigenen Äußerungen einstehen muss, ist klar. Aber auch für fremde Inhalte kann eine Haftung des Webseitenbetreibers als Mitverursacher in Frage kommen.

EGMR

symbiot / Shutterstock.com

Die Änderung einer estnischen Fährroute war Anlass für einen Rechtsstreit, der es bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) schaffen sollte. Eines der größten Nachrichten-Portale in Estland „Delfi.ee“ berichtete über die Änderung einer Fährroute, was viele Gemüter erregte. Zahllose anonyme Kommentare und wütende Drohungen waren die Folge.

Auf Verlangen des Rechtsanwaltes der Fährgesellschaft musste das Nachrichtenportal die beleidigenden Äußerungen sechs Wochen später von der Seite nehmen. Für die estnischen Gerichte jedoch zu spät. Das Nachrichtenportal Delfi wurde trotzdem zur Zahlung einer Strafe in Höhe von 320 Euro verurteilt. Die Betreiber der Webseite – in ihrem Recht auf Meinungsfreiheit verletzt – riefen schließlich den EGMR in Straßburg an (Fall Delfi AS v. Estonia).

Damit hatte der EGMR zum ersten Mal über eine Rechtsverletzung und die damit einhergehende Haftung in einem Internet-News-Portal zu entscheiden. Das Gericht entschied schließlich, dass eine Verletzung des Rechts der Freiheit der Meinungsäußerung nicht vorliegt. Veröffentlicht ein Newsportal einen kontroversen Beitrag und ruft geradezu zu grenzwertigen Kommentaren auf, hätte man mit drohenden rechtswidrigen Kommentaren rechnen müssen. Treten offensichtliche Beleidigungen auf, müssen die Kommentare entfernt werden.

Rechtslage in Deutschland

Ein Diensteanbieter haftet nach dem Gesetzeswortlaut nicht grundsätzlich, sondern vielmehr erst ab Kenntnis. Kenntnis erlangt man beispielsweise dadurch, dass sich der Betroffene meldet und eine Entfernung des Fotos/Kommentars etc. verlangt. Werden Kommentare nicht automatisch, sondern erst nach vorheriger Prüfung bzw. Filterung freigeschaltet, kann man eine Kenntnis ebenfalls nur noch schwer von sich weisen. Bespielweise sollten auch User, die oft durch beleidigende Äußerungen auffallen, genau im Blick behalten werden. Wird ein kontroverser Beitrag veröffentlicht, ist die Gefahr von rechtswidrigen Kommentaren ebenfalls naheliegend. Je schwerwiegender die zu befürchtenden Verletzungen sind, umso mehr Aufwand muss der Betreiber auf sich nehmen, um die auf seiner Seite eingestellten Kommentare einer persönlichkeitsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen (vgl. dazu OLG Hamburg, Urteil vom 22.08.2006, Az. 7 U 50/06).

Tipp: Reagieren Sie in Fällen von offensichtlich rechtswidrigen Äußerungen oder entsprechenden Hinweisen der Betroffenen umgehend und entfernen die Kommentare vorerst. Wenn tatsächlich eine Verletzung (z.B. eine falsche Tatsachenbehauptung oder Beleidigung) vorliegt und der Webseitenbetreiber nichts unternommen hat, kann er ab diesem Zeitpunkt mit in die Haftung genommen werden. Generell empfiehlt sich die Nutzung einer Benachrichtigungsfunktion für neue Einträge oder die regelmäßige Filterung nach bekannten „Übeltätern“.

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.