E-Zigaretten: Was Händler nach dem BGH-Urteil zu nikotinhaltigen Liquids beachten müssen

Veröffentlicht: 09.02.2016 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 10.02.2016

Über den Sinn und Unsinn von E-Zigaretten scheiden sich immer noch die Geister. Die Frage, wie die E-Zigaretten selbst (sog. „Verdampfer“), und die dazugehörigen Liquids eingestuft werden können, ist in der juristischen, politischen und wissenschaftlichen Diskussion ein höchst umstrittenes Thema. Kurz vor der Umsetzung des neuen Tabakerzeugnisgesetzes mischt sich der Bundesgerichtshof mit einem ebenfalls umstrittenen Urteil in die Diskussion ein.

Smoke

(Bildquelle Smoke: Marcel Jancovic via Shutterstock)

Problem: Wie sind E-Zigaretten und Liquids rechtlich einzuordnen?

Sind die weitverbreiteten E-Zigaretten (sog. „Verdampfer“) als Medizinprodukte, und die dazugehörigen Liquids als Arzneimittel einzustufen oder nicht? Diese höchst umstrittene Frage hat für alle Händler dieser Produkte weitreichende Folgen, denn für den Verkauf gelten strenge gesetzliche Regelungen. Mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts steht zumindest fest, dass E-Zigaretten und die dazugehörigen Liquids weder als Arzneimittel noch als Medizinprodukt einzustufen sind (u.a. Urteil vom 20. November 2014, Az.: BVerwG 3 C 25.13).

Nikotinhaltige Liquids sind Tabakerzeugnisse

Zwar brachte das Urteil bei der Einordnung der E-Zigaretten und Liquids als Arzneimittel oder Medizinprodukt Klarheit. An dieser Auffassung will der Bundesgerichtshof in seinem aus dem Dezember 2015 stammenden Urteil nicht rütteln. Nikotinhaltige Verbrauchsstoffe für elektronische Zigaretten sind keine Arzneimittel (Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23.12.2015, Az.: 2 StR 525/13).

Bei den nikotinhaltigen Liquids soll es sich nach dem jüngsten Urteil jedoch um sog. „Tabakerzeugnisse" handeln.

Tabakerzeugnisse im Sinne des vorläufigen Tabakgesetzes sind aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind.

Die von dem angeklagten Händler vertriebenen Verbrauchsstoffe (Liquids) enthielten Nikotin, welches aus natürlichen Tabakpflanzen gewonnen wird. Es stelle damit nach Meinung der Bundesrichter ein Tabakerzeugnis dar, weil es unter Verwendung von Rohtabak gewonnen werde. Der Nikotinanteil sei unerheblich für die Einstufung als Tabakprodukt.

Fazit: Mit der Einstufung von nikotinhaltigen Liquids als Tabakerzeugnis eröffnet der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit des vorläufigen Tabakgesetzes sowie der Tabakverordnung, was weitreichende Einschränkungen für Hersteller und Händler bedeutet. Betroffen von dem Urteil sind zunächst alle nikotinhaltigen Liquids, bei denen das Nikotin aus natürlichen Tabakpflanzen gewonnen wird.

Verkaufsverbot für Tabakerzeugnisse zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen

Das Inverkehrbringen von diesen „Tabakerzeugnissen“ (d.h. nikotinhaltigen Liquids), sei außerdem "zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt“, da bei der Benutzung der elektronischen Zigarette kein Verbrennungsvorgang stattfindet und kein Rauch eingeatmet wird. Ein Verkauf von Produkten, die zum anderweitigen oralen Gebrauch als Rauchen oder Kauen bestimmt sind, ist in Deutschland jedoch verboten, § 5a Tabakverordnung.

Beschränkung bei der Zulassung von Stoffen

Außerdem machte sich der angeklagte Händler strafbar, weil er seine Liquids unter Verwendung nicht zugelassener Stoffe zum Verkauf angeboten hatte. Zum gewerbsmäßigen Herstellen von Tabakerzeugnissen werden die in der Tabakverordnung aufgeführten Stoffe für die dort bezeichneten Verwendungszwecke zugelassen. Der Gehalt an zugelassenen Stoffen in Tabakerzeugnissen darf die in der Tabakverordnung angegebenen Höchstmengen nicht überschreiten.

Die von dem angeklagten Händler zum Verkauf bereit gehaltenen Verbrauchsstoffe enthielten unter Anderem Ethanol. Hierbei handelt es sich um einen in Tabakerzeugnissen nicht zugelassenen Stoff. Die ebenfalls in den Liquids enthaltenen Stoffe Propylenglykol und Glycerin sind zwar im Grundsatz zulässig. Ihre Verwendung als Hauptbestandteil des Liquids in jedoch nicht gestattet.

Urteil mit Unmut aufgenommen

Bei betroffenen Händlern und Konsumenten von E-Zigaretten schlägt das Urteil hohe Wellen. Der Verband des eZigarettenhandels (kurz: VdeH) fasste das Urteil gestern kritisch zusammen: "Dieses Urteil ist ein schlechter Witz. Der Bundesgerichtshof hat versäumt, den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Dies hätten die deutschen Richter tun müssen, da ihr Urteil den EU-Binnenmarkt betrifft. Dann wäre die Sinnlosigkeit eines deutschen Alleingangs für 90 Tage klar geworden. […]", so Dac Sprengel, Vorsitzender des VdeH.

Befolgt man das Urteil streng, ist der Handel mit Liquids derzeit verboten, wenn das Nikotin aus natürlichen Tabakpflanzen gewonnen wird. Alle Stellen sollen jedoch einen kühlen Kopf bewahren und sich nicht für einen so kurzen Zeitraum von unnötigen Bestimmungen leiten lassen, so Sprengel weiter. Mit Inkrafttreten des Tabakerzeugnisgesetzes wird der Handel mit nikotinhaltigen Liquids legalisiert. Mit dem neuen Gesetz wird das Inverkehrbringen von Liquids erlaubt sein, wenn deren Nikotingehalt eine bestimmte Konzentration nicht übersteigt. Bleibt zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber mit der Verabschiedung dieses neuen Tabakerzeugnisgesetzes nicht zu lange Zeit lässt.

Die Gefahr dass das Verbot verfolgt wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Es bleibt jedoch für alle Händler zu hoffen, dass sich die Behörden nicht auf den Handel mit (verbotenen) Liquids fokussieren.

Kommentare  

#2 XSized 2016-02-09 14:52
Im Grunde wird hier die korrekte Definition von "Tabakerzeugnis " zitiert, allerdings ein entscheidender Punkt vergessen. In der Richtlinie 2001/37/EG ist die Definition von "Tabakerzeugnis se" klar geregelt und beinhaltet NICHT Nikotin. Das hat, wie im vorangegangenen Kommentar schon deutlich wird, selbst die Bundesregierung korrekt erkannt. Im Gegenteil wird Nikotin zusätzlich definiert.

Darüber hinaus würde das Urteil, sofern es die aktuellen Gesetze richtig interpretiert, auch noch an ganz anderer Stelle für Schwierigkeiten sorgen. Nikotinsprays beispielsweise sind von der Urteilsbegründu ng ganz genau so betroffen (enthält ebenfalls neben anderen Stoffen in "zu großen Anteilen" Ethanol und Propylenglycol) .
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#1 Achim 2016-02-09 12:46
Was hat der BGH denn hier nicht verstanden ?

Bereits im Jahr 2012 äußerte sich die Bundesregierung , also der Gesetzgeber(!) zum vor dem BGH verhandelten Sachverhalt wie folgt (Ab Seite 7, Mitte):

Deutscher Bundestag, Drucksache 17/9872

"Aus Sicht der Bundesregierung stellen E-Zigaretten und nikotinhaltige Liquids als Teile davon keine Tabakerzeugniss e im Sinne des § 3 Absatz 1 des Vorläufigen Tabakgesetzes dar. Nach der Legaldefinition des § 3 Absatz 1 des Vorläufigen Tabakgesetzes sind Tabakerzeugniss e „aus Rohtabak oder unter Verwendung von Rohtabak hergestellte Erzeugnisse, die zum Rauchen, Kauen oder anderweitigen oralen Gebrauch oder zum Schnupfen bestimmt sind.“

"Oraler Gebrauch im Sinne des § 3 Absatz 1 des Vorläufigen Tabakgesetzes ist das Einführen von Erzeugnissen aus Tabak in den Mund, ohne dass Rauch erzeugt wird. Vor diesem Hintergrund handelt es sich beim Inhalieren nikotinhaltiger Liquids nicht um anderweitigen oralen Gebrauch."

"Wie [...] dargestellt, hatte die Europäische Kommission in der „Orientation Note – Electronic cigarettes and the EC Legislation“ vom 22. Mai 2008 seinerzeit festgestellt, dass elektronische Zigaretten, die keinen Tabak enthalten, keine Tabakerzeugniss e im Sinne der Richtlinie 2001/37/EG sind."

Die EU-Kommision kam bereits im Jahr 2008 zu folgender Schlussfolgerung:

"[An] Electronic cigarette not containing tobacco is not a tobacco product under the Tobacco Products Directive."
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