Top oder Flop? Die wichtigsten Urteile zu Vertriebsbeschränkungen

Veröffentlicht: 09.08.2017 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 09.08.2017

EU-kartellrechtlich ist jede spürbare Wettbewerbsbeschränkung verboten, wenn sie nicht gerechtfertigt ist. Das Bundeskartellamt und die deutschen Gerichte hatten daher in den letzten Jahren äußerst viel zu tun, denn Beschränkungen des freien Vertriebes von Markenprodukten nahm durch den florierenden Online-Handel immer mehr zu.

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© Angela Waye / Shutterstock.com

Scheinbar unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat Amazon in den vergangenen Monaten und Jahren mit Marken wie Asics, Joop und Cartier Vertriebsbeschränkungen beschlossen. Nach und nach kamen immer mehr dieser Fälle ans Tageslicht, was für reichlich Unmut sorgte. Kein Einzelfall, denn Markenhersteller versuchen nicht nur, auf Plattformen für Recht und Ordnung zu sorgen, sondern in einigen Fällen sogar den Online-Handel komplett zu beschränken.

Viele Händler ergaben sich ihrem Schicksal. Doch einige Betroffen wehrten sich und zogen sogar vor deutsche oder europäische Gerichte. Die nachfolgenden Urteile bilden chronologisch die Entwicklung von Vertriebsbeschränkungen im Internet nach.

Händler darf Scout-Schulranzen bei Ebay anbieten

2009 hat das Landgericht Berlin (Urteil vom Urteil vom 21.04.2009, Az.: 16 O 729/07) zugunsten der Online-Händler auf Ebay entschieden. Hier wollte der Schulranzenhersteller Scout den Verkauf seiner Waren auf der Auktionsplattform wegen eines angeblichen Image-Schadens durch den dortigen Billigvertrieb gerichtlich verbieten lassen. Das Gericht hat dem jedoch nicht zugestimmt, die Online-Händler dürfen die Ranzen weiterhin auf Ebay verkaufen, da ein solches Vertriebssystem nicht erforderlich sei. Das Kammergericht Berlin schloss sich in der nächsten Instanz an (Urteil vom 19.09.2013, Az.: 2 U 8/09 Kart.).

Vertrieb über Internet-Auktionsplattform kann untersagt werden

Ganz anders entschied das OLG München 2009 (Urteil vom 02.07.2009, Az.: U 4842/08 Kart.) in einer ähnlich gelagerten Sache: Hier bekam der Sportartikelhersteller Amer Sports Corporation Recht. Ein Unternehmen darf seinen Händlern den Weiterverkauf der Artikel über eine Online-Auktionsplattform untersagen, wenn sachliche Gründe, wie beispielsweise eine Qualitätssicherung, dafür vorliegen. 

EuGH: Vertriebsbeschränkungen in Ausnahmefällen zulässig

Allerdings hat auch schon der EuGH zum Thema Stellung bezogen und in seinem Urteil vom 13.10.2011 (Az.: C 439/09-Pierre Fabre Dermo-Cosmétique) klargestellt, dass Vertriebsbeschränkungen bezüglich des Vertriebs im Internet nur in Ausnahmefällen und unter strenger Auslegung der einschlägigen Bestimmungen zulässig sind. Eine in einer Vertriebsvereinbarung enthaltene Klausel, die es den Vertriebshändlern verbietet, ihre Produkte über das Internet zu verkaufen, stellt eine Wettbewerbsbeschränkung dar, sofern kein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Coty, Deuter, Casio & Co.

Der Hersteller darf den Verkauf über Plattformen nicht verbieten, so auch das Landgericht Kiel in einem Rechtsstreit über die Zulässigkeit von Vertriebsbeschränkungen zwischen einem Kamera-Hersteller und einem Online-Händler (Urteil des Landgerichts Kiel vom 08.11.2013, Az.: 14 O 44/13 Kart.).

Zuletzt geriet der Parfümhersteller Coty, der für den Vertrieb von bekannten Markenparfums bekannt ist, wieder in die Schlagzeilen. Das Landgericht Frankfurt a.M. untersagte den Ausschluss von Internet-Plattformen wie Amazon, weil dieses Vorgehen gegen das geltende Kartellverbot verstoße (Az.: 2-03 O 128/13). Die Frage, die das OLG Frankfurt in der nächsten Instanz dem EuGH vorlegte, wird hoffentlich bald entschieden.

Auch das Oberlandesgericht Schleswig hat entschieden, dass das Verbot des Verkaufs von Casio-Uhren über Online-Marktplätze rechtswidrig ist (Urteil vom 5. Juni 2014, Az. 16 U 154/13 Kart.).

Ebenfalls mussten die Vertriebsbeschränkungen von Deuter erst durch gerichtliche Hilfe in die Knie gezwungen werden. Das Landgericht Frankfurt a.M. kippte auch hier die Vertriebsbeschränkungen des Rucksackherstellers für Amazon (Az.: 2-03 O 158/13). Die Folge-Instanz, das OLG Frankfurt, hatte schließlich entschieden, dass ein Hersteller es seinen Vertragshändlern unter bestimmten Voraussetzungen untersagen kann, Produkte über Verkaufsplattformen zu vertreiben (Urteil vom 22.12.2015, Az.: 11 U 84/14). Zu dem wichtigen Urteil vor dem Bundesgerichtshof kam es nie, weil die Revision zurückgezogen wurde (Az.: KZR 3/16). 

Bundeskartellamt verbietet Asics Vertriebsbeschränkungen

Bereits Ende 2015 hat das Bundeskartellamt angekündigt, sich mehr gegen Vertriebsbeschränkungen und damit für ein Wachstum des Online-Handels einsetzen zu wollen. Auch die Sanktionsmaßnahmen sollen effektiver werden, so der Wunsch des Bundeskartellamtes. Ein Markenhersteller, der besonders im Fokus stand, war Asics. Das Bundeskartellamt stellte fest, dass die Anwendung des selektiven Vertriebssystems, das Asics bis Ende 2012 in Deutschland eingeführt und gegenüber den in Deutschland ansässigen Händlern bis Ende Februar 2015 angewendet hat, wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot rechtswidrig war. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Grundsatzentscheidung des Bundeskartellamts bestätigt, die Asics dieses Verhalten untersagt hatte. Sehr zur Freude der Händler.

Fazit:

Zahlreiche betroffene Händler können ein Lied davon singen, wie schwer der Vertrieb von Markenwaren im Internet sein kann, wenn (große) Markenhersteller dem Online-Handel Steine in den Weg legen wollen. Die aufgeführten Urteile zeigen ein Auf und Ab. Das liegt unter anderem daran, dass jede Beschränkung immer im Einzelfall bewertet werden muss. Hat der eine Hersteller aufgrund seiner Produktpalette berechtigte Gründe für Vertriebsbeschränkungen, kann es beim nächsten schon wieder ganz anders aussehen. Zudem sind die Entscheidungen von den Rechtsauffassungen der Richter abhängig oder können an formellen Fehlern scheitern. Bei der Durchsetzung ihrer Rechte werden die Händler künftig mehr vom Bundeskartellamt und von der Europäischen Kommission unterstützt.

 

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