Oberlandesgericht: Facebook muss Meinungsfreiheit achten

Veröffentlicht: 10.09.2018 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 10.09.2018

Vor dem Oberlandesgericht München ging es um Facebook. Kern der Verhandlung war wieder mal das Löschen von Nutzerkommentaren auf der Plattform. Facebook behält sich in seinen AGB dieses Recht vor und macht die Entscheidung über die Kommentare von der Verträglichkeit mit ihren eigenen Richtlinien abhängig. Das OLG musste entscheiden, inwiefern der Konzern dabei die Grundrechte berücksichtigen und gegebenenfalls sein Hausrecht hinter die Meinungsfreiheit seiner Nutzer zurückstellen muss.

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Eine Userin meldete sich in einem Kommentar mit einem Wilhelm-Busch-Zitat nebst einem Smiley und dem Satz „Ich kann mich argumentativ leider nicht mehr mit Ihnen messen, Sie sind unbewaffnet und das wäre nicht besonders fair von mir“ zu Wort. Facebook war nicht nach einem Like zumute – sperrte die Userin temporär und löschte den Post unter Berufung auf seine AGB. Das Netzwerk behält sich vor, Kommentare zu löschen, wenn sie nach interner Ansicht gegen die Nutzungsbedingungen oder die eigenen Richtlinien zur Beurteilung solcher Posts verstoßen.

Facebook-AGB teilweise rechtswidrig

Die Richter in München wiesen Facebook darauf hin zurecht: Die AGB-Klausel, welche Facebook zur Löschung sämtlicher Informationen, die ein User in dem Netzwerk postet, ermächtige, sei zumindest teilweise rechtswidrig. Nachdem kurze Zeit zuvor das Landgericht Heidelberg Facebook die Aufstellung derartiger eigener Hausregeln noch gestattet hatte, wenn sich diese denn zumindest grob an der Aussage des Verfassers im jeweiligen Post orientieren (AZ.: 1 O 71/18), griff nun das Oberlandesgericht München diesen Punkt ebenfalls auf – urteilte jedoch anders (AZ.: 18 W 1294/18).

Die Klausel sei in ihrer konkreten Gestaltung rechtswidrig, da sie den Nutzer als Vertragspartner des Netzwerkes unangemessen benachteilige, sprachen die Richter. Wird ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen, wie hier zwischen der Userin und Facebook, sind die Parteien gesetzlich zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet. Dieser Pflicht komme Facebook hier jedoch nicht nach.

Grundrechte erlauben keine Willkür bei Beurteilung

In der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ von Facebook ist unter Nr. 5.2 geregelt, dass sämtliche Inhalte und Informationen, die Nutzer auf Facebook posten, entfernt werden, wenn das Netzwerk „der Ansicht“ ist, dass diese gegen die Erklärung selbst oder gegen Facebook-Richtlinien verstoßen. Dies führt in der Konsequenz zu einer unzulässigen Benachteiligung der Nutzer, da die Entscheidung über die Löschung von Posts allein der Willkür von Facebook überlassen wird und eine objektive Betrachtung weder notwendig noch nachvollziehbar sein muss. Eine Entscheidung anhand objektiver Kriterien sei aber durch die sogenannte mittelbare Drittwirkung der Grundrechte auch im Privatrecht erforderlich, heißt es in der Urteilsbegründung.

Selbstverständlich ist das nicht, da Grundrechte vor allem den Schutz des Einzelnen vor dem Staat gewährleisten sollen. Einher geht aber, dass sie auch ein grundlegendes Wertekonzept der Gesellschaft aufstellen – und damit für alle Bereiche des Rechts gelten. Da in der Regel alle beteiligten Parteien kollidierende Rechte geltend machen, die auf die Grundrechte zurückzuführen sind, müssen diese so zum Ausgleich gebracht werden, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wahrgenommen werden können.

„Virtuelles Hausrecht“ tritt gegenüber Meinungsfreiheit zurück

Für diesen Fall bedeutete dies, dass Facebooks „virtuelles Hausrecht“ gegenüber dem Recht der Userin auf freie Meinungsäußerung den Kürzeren zog. Es erlaube eine Löschung von Posts auch dann, wenn diese die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreiten, urteilten die Richter. Der notwendigen objektiven Betrachtung durch das Gericht hielt der Kommentar daraufhin stand. Grundlage dafür sind Facebooks Gemeinschaftsstandards, die genauere Merkmale einer sogenannten Hassbotschaft enthalten und wiederum eine Löschung von Inhalten ermöglichen, die Personen etwa aufgrund ihrer Ethnizität, Religion oder Behinderungen und Krankheiten direkt angreifen und damit eine objektive Beurteilung ermöglichen.

Urteil ist richtungsweisend für soziale Kommunikation

Der gelöschte Post der Userin greife nach Ansicht der Richter jedoch niemanden aufgrund dieser Merkmale an, sondern sei Teil einer persönlichen Auseinandersetzung. Eine Löschung rechtfertigte dies allein nicht.
Das Urteil trifft wichtige Aussagen zur großen Relevanz des Rechts zur freien Meinungsäußerung. Es gehe darum, eine klare Rechtsprechung zu etablieren, dass Facebook keine Inhalte löschen darf, die die Meinungsfreiheit erlaube, äußerte sich der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel gegenüber der FAZ. Soziale Kommunikation läuft heute selbstverständlich über Netzwerke wie Facebook ab, der Umgang mit sensiblen Informationen und persönlichen Aussagen ist jedoch weit weniger klar. Das Urteil trägt damit wesentlich zur Schaffung von Standards in einem Bereich bei, der womöglich für einige doch noch Neuland ist.

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