Nach Urteil des EuGH: Zweite Chance für ".eu"-Wunschdomain

Veröffentlicht: 06.03.2013 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 06.03.2013

Seit sechseinhalb Jahren hat die EU ihre eigene Domain-Endung ".eu". Mehr als 3,6 Millionen Unternehmen und Privatpersonen registrierten seither Internetadressen mit der Domain. Damit steht sie im Ranking der Top Listed Domains (TLD) auf einem guten achten Platz hinter u.a. ".com" und ".de". Dass von dem beliebten Kuchen auch Unternehmen aus Drittländern wie der USA ein Stückchen abhaben wollen, ist wenig verwunderlich. Doch damit noch überall EU drin ist, wo EU drauf steht hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem aktuellen Urteil vom 19.07.2012 einen Riegel vor der durch Tricks umbrückten Tür zur ".eu"-Domain geschoben - und damit Europäern eine zweite Chance für ihre ".eu"-Wunschdomain gegeben.

Wie Drittländer wie die USA an eine ".eu"-Domain gelangten

Viele Unternehmen aus Drittländern wie der USA bedienten sich eines geschickten Kniffs, um an eine ".eu"-Domain zu gelangen. Denn wer für sich zu Beginn der ersten eu-Domain-Registrierungsphase ("Sunrise Period I") Ende 2005 eine der beliebten Domains registrieren lassen wollte, musste nicht nur einen Sitz in der EU nachweisen, sondern auch ein früheres Recht an der gewünschten Domain belegen. Ein solches Recht konnte z.B. ein Lizenzrecht an einer Marke sein.

Um trotzdem an die gewünschte Domain zu gelangen, registrierten bis dato viele amerikanische Unternehmen eine Marke in einem EU-Mitgliedstaat, die den Wortlaut der gewünschten Domain enthält. Dann lizenzierten sie diese Marke an ein Unternehmen mit Sitz in der EU. Diese "Lizenzverträge" beschränkten sich in der Regel auf das Recht des EU-Unternehmens, im eigenen Namen die Domain zu registrieren - inoffiziell selbstverständlich für das US-Unternehmen und gegen ein Entgelt.

Eine Verwertung der Waren oder Dienstleistungen der Marke war hier meist nicht vorgesehen, weshalb diese Verträge auch eher Dienstleistungs- als Lizenzverträgen gleichen.Dies wurde in einem kürzlich verhandelten Fall vor dem EuGH nun zur Achillesverse der Amerikaner- und damit zum Fallstrick in Puncto ".eu"-Domain für Nicht-EU-Staaten.
?Belgien vs. USA- ein Fall für den EuGH

Der EuGH hatte einen Streit zwischen zwei Online-Händlern für u.a. Kontaktlinsen zu entscheiden, die Rechte an der eu-Domain "www.lensworld.eu" geltend machten. Die belgische Gesellschaft Pie Optiek klagte vor dem Gerichtshof die Übertragung der Domain "www.lensworld.eu" von einem belgischen Beratungsunternehmen, dass die Registrierung für den US-amerikanischen Händler Walsh Optical vornahm.

Da das US-amerikanische Unternehmen weder über einen Sitz in der EU, noch über ein früheres Recht verfügte, ließ es zunächst die entsprechende Bild-Marke "lensworld" bei dem Markenbüro der Benelux-Staaten eintragen. Dann schlossen sie einen "Lizenzvertrag" mit dem belgischen Beratungsunternehmen Bureau Gevert. Dieses ist auf dem Gebiet des geistigen Eigentums tätig und führte den Auftrag aus, die Registrierung der entsprechenden eu-Domain vorzunehmen- in eigenem Namen aber auf Rechnung von Walish Optical.

Ein Registrierungsantrag für eine gleichlautende ".eu"-Domain von Pie Optiek wurde kurze Zeit später wegen des Antrags von Bureau Gevers abgewiesen. Für die Vergabe der ".eu"-Domains gilt "First come, first served“- das sog. Windhundprinzip. Die Belgier wollten ihre Wunschdomain jedoch nicht kampflos einem US-Unternehmen überlassen. Doch sowohl ein Antrag beim zuständigen Schiedsgericht in der Tschechischen Republik als auch eine Klage beim Tribunal de première instance de Bruxelles wurden abgewiesen. Beim vorlegenden (Berufungs-)Gericht, dem cour d'appel, wurde das Verfahren ausgesetzt, um die strittigen Fragen der Parteien vom EuGH in einer Vorabentscheidung klären zu lassen.

Der bislang leer ausgegangene belgische Online-Händler Pie Optiek rügte vor allem, dass der "Strohmann" Bureau Gevers durch die Lizenzvereinbarung mit den Amerikanern nicht die nötige Eigenschaft des Lizenznehmers früherer Rechte verliehen bekommen hat. Somit sei auch Walsh Optical nicht berechtigter Inhaber der strittigen Domain geworden.
Das Gericht musste also zunächst den Begriff des Lizenznehmers laut der entsprechenden EU-Verordnung gemeinschaftskonform auslegen und hat entschieden:

"Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 874/2004 dahin auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem das betroffene frühere Recht ein Markenrecht ist, der Begriff "Lizenznehmer früherer Rechte" keine Person erfasst, der vom Inhaber der betreffenden Marke nur erlaubt worden ist, im eigenen Namen, aber für Rechnung dieses Inhabers einen Domänennamen zu registrieren, der mit der genannten Marke identisch oder ihr ähnlich ist, ohne dass dieser Person erlaubt worden wäre, die Marke kommerziell gemäß ihren Funktionen zu benutzen."

Der EuGH hat damit abschließend festgestellt, dass von Unternehmen aus Drittländern vorgeschickte Dienstleister im Gewandt eines Lizenznehmers nicht zu dem Kreis der Antragsberechtigten für eine ".eu"-Domain gehören. Zudem betonte es wiederholt das Ziel der hauseigenen Domain-Endung:

"Hierzu ergibt sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 733/2002, dass die Domäne oberster Stufe". eu" geschaffen wurde, um den Binnenmarkt im virtuellen Markt des Internets besser sichtbar zu machen, indem eine deutlich erkennbare Verbindung mit der Union, ihrem rechtlichen Rahmen und dem europäischen Markt geschaffen und so den Unternehmen, Organisationen und natürlichen Personen innerhalb der Union eine Eintragung in eine spezielle Domäne ermöglicht wurde, die diese Verbindung offensichtlich macht. "

Das heißt: nur Unternehmen und Privatpersonen mit (Wohn-)Sitz in der EU sollen eine ".eu"-Domain für sich beanspruchen können. Damit soll der interne Zusammenhalt gestärkt und die Zusammengehörigkeit zu einem gemeinsamen Binnenmarkt gezeigt werden.

Fazit:

Die Entscheidung des EuGH stellt klar, dass die Registrierung durch einen "falschen" Lizenzvertrag das Erfordernis der Lizenznehmers früheren Rechts nicht erfüllt. Damit gibt der Gerichtshof Unternehmen und Privatpersonen der EU eine zweite Chance, doch noch an ihre Wunschdomain zu kommen. Ob diese tatsächlich wieder frei geworden sind durch das nunmehr rechtswidrige Vorgehen von Händlern aus Nicht-EU-Staaten lässt sich folgendermaßen feststellen:

1.) Zunächst ist zu prüfen, ob die besetzte Domain von einem Unternehmen aus der USA oder anderen Drittländern verwendet wird.

Dies ist meist aus dem Impressum der entsprechenden Internetseite ersichtlich.

2.) Dann sollte herausgefunden werden, welches Unternehmen die Registrierung tatsächlich vorgenommen hat.

Hierfür ist eine Abfrage auf www.whois.eu möglich. Wenn keine nähere Verbindung zwischen dem die Domain verwendenden Unternehmen und dem Registrierenden zu erkennen ist, stehen die Chancen für die Wunschdomain äußerst gut.

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