Umsatzsteuerbetrug

Rechtswidrig? Neues zu den Erfassungsbescheinigungen

Veröffentlicht: 04.02.2020 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 04.02.2020
Schild Finanzamt

Im letzten Jahr geschah in rechtlicher Hinsicht so allerhand, das Online-Händler betraf. Dazu zählt auch die Marktplatzhaftung mit ihren Erfassungsbescheinigungen. Der Gesetzgeber wollte eine Regelung schaffen, mit welcher Umsatzsteuerausfälle beim Handel mit Waren im Internet eingedämmt werden können. Zu diesen soll es besonders auf Online-Plattformen kommen, auf denen auch viele Händler mit Sitz außerhalb Deutschlands und der EU Produkte anbieten – und wegen ihrer fehlenden steuerlichen Registrierung von der Finanzverwaltung praktisch kaum aufgespürt werden konnten. 

Dem begegnete der deutsche Gesetzgeber, indem er Online-Marktplätze einfach ein Stück mit in die Verantwortung zog: Einfach ausgedrückt soll der Marktplatzbetreiber haften, wenn er nicht sicherstellt, dass seine Dritthändler ordnungsgemäß registriert sind. Mit diesen Erfassungsbescheinigungen hat allerdings die EU-Kommission ein Problem: Wegen Verstößen gegen das Unionsrecht leitete sie im Oktober 2019 ein Vertragsverletzungsverfahren ein und forderte Deutschland zur Stellungnahme auf. Wie sich nun zeigt, scheint aber zumindest die Bundesregierung kein Problem mit der Situation zu sehen. 

Erfassungsbescheinigungen sind (nicht) rechtswidrig

Das Verfahren um die Erfassungsbescheinigungen sorgte bei vielen Online-Händlern für Unmut. Es braucht einen Antrag, der – in Papierform – beim zuständigen Finanzamt eingereicht werden muss. Hat man Glück und es läuft alles glatt, erhält man eine Bescheinigung, die dann wiederum allen genutzten Online-Marktplätzen vorgelegt werden muss. Das Verfahren ist umständlich und es erreichten uns einige Berichte von Händlern, die über uninformierte Finanzämter oder Fehler und Verzögerungen im Ablauf klagten. Grund für das Vertragsverletzungsverfahren ist allerdings die Situation für Händler aus der EU: Diesen würde mit dem analogen Verfahren der Erfassungsbescheinigungen der Marktzugang unzulässiger Weise erschwert.

Die Bundesregierung teilt diese Auffassung allerdings nicht – das ergibt sich aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage unter anderem der FDP-Fraktion. Man habe die Vorwürfe intensiv geprüft und der Kommission mitgeteilt, dass man nach wie vor der Überzeugung sei, mit der Regelung nicht gegen Unionsrecht zu verstoßen. Dabei bot die Regierung der EU-Kommission auch ein ergänzendes fachliches Gespräch an. Sollte es im Anschluss daran doch Handlungsbedarf geben, würden entsprechende Vorschläge an den Gesetzgeber gemacht werden. Konkrete Maßnahmen, eine etwaige Diskriminierung von Ausländern zu vermeiden, gebe es aktuell jedoch nicht.

Pflicht auch für Kleinunternehmer – Warum eigentlich?

Die Bundesregierung wurde auch gefragt, warum Kleinunternehmer ebenfalls eine Erfassungsbescheinigung abgeben müssen, der jedoch keine Umsatzsteuermehreinnahmen gegenüber stünden. Um solche Mehreinnahmen gehe es hier auch gar nicht, antwortet die Bundesregierung, sondern schlicht um die Möglichkeit des Nachweises. „Würden Kleinunternehmer nicht in die Regelung einbezogen, bestünde die Gefahr, dass diese von den Betreibern elektronischer Marktplätze zur Vermeidung der Haftung für nicht entrichtete Umsatzsteuer nicht zum Handel auf ihrem Marktplatz zugelassen würden“, heißt es, und das Kleinunternehmer so wirtschaftlich benachteiligt werden würden. 

Zahlen oder Schätzungen kann die Bundesregierung kaum nennen – weder zur Haftungsfällen, Steuermissbrauch, Sperrungen von Online-Händlern wegen fehlender Bescheinigungen oder der Gesamtzahl beantragter Erfassungsbescheinigungen. Zum 30.12.2019 hätten sich aber beim Finanzamt Neukölln zumindest 29.000 Händler mit Sitz in China registriert – 65-mal so viele wie noch 2017. 

Ein digitales, automatisiertes Verfahren ohne Papierbescheinigungen stehe nach wie vor auf der Agenda und werde mit höchster Priorität verfolgt – genaue Angaben, wann es aber endlich soweit ist, gibt es nicht. Weitere Entwicklungen dürfen hier also mit Spannung erwartet werden, zumal schon im nächsten Jahr EU-weite Maßnahmen im Hinblick auf die Mehrwertsteuer in Kraft treten und auch hier eine Regelung für Online-Marktplätze vorgesehen ist. Wie der Gesetzgeber im Hinblick auf die hierzulande nun schon bestehende Regelung reagieren wird, dazu nimmt die Bundesregierung keine Stellung. Man werde zwecks einer fristgerechten Umsetzung entsprechende Vorschläge vorlegen.

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