Mehrwertsteuerreform

22-Euro-Freigrenze fällt: Was bedeutet das für Online-Händler?

Veröffentlicht: 09.06.2021 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 09.06.2021
Containerschiff im Hafen

Wer Waren aus Drittstaaten importiert, ob nun als gewerblicher Händler oder privat, der muss sich regelmäßig auch mit Zoll und Einfuhrumsatzsteuer auseinandersetzen. Doch es gelten Ausnahmen: Sendungen mit einem Wert von bis zu 150 Euro etwa sind zollfrei. Sendungen mit einem Wert von bis zu 22 Euro sind außerdem von der Einfuhrumsatzsteuer befreit – noch. Die als „22-Euro-Freigrenze“ bekannte Regelung wird ab dem 1. Juli 2021 nämlich so nicht mehr existieren, dafür sorgt eine Änderung der EU. Auch Kleinsendungen mit geringem Warenwert werden somit künftig mit der Einfuhrumsatzsteuer belegt. 

Die Freigrenze hatte sowohl Freunde wie auch Feinde. Manch ein Besteller freute sich über niedrige Kosten und wenig Bürokratie bei der Bestellung, vor allem aus Fernost. Auf der anderen Seite aber sieht man eine Benachteiligung der Verkäufer und Anbieter im Inland: Eine Umsatzsteuer erst ab 22 Euro Warenwert – von so einer Ausnahmeregelung weiß man hier nichts und muss entsprechend auch die Steuer in der Rechnung berücksichtigen. Mehr Gleichstellung von in- und ausländischen Lieferungen und damit weniger Benachteiligung inländischer Händler sind damit ein erwarteter Effekt, der in Augen diverser Kritiker aber womöglich nur theoretisch Realität wird

22-Euro-Freigrenze fällt – Einfuhrumsatzsteuer (theoretisch) ab dem ersten Cent

Waren in Kleinsendungen mit einem Wert von bis zu 22 Euro, die aus Ländern außerhalb der Europäischen Union importiert werden, unterliegen künftig keiner Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer mehr. Eine Ausnahme besteht hier bei Geschenken von Privatpersonen an Privatpersonen, die Wertgrenze von 45 Euro bleibt in diesem Fall bestehen. 

Jedenfalls für kommerzielle Kleinsendungen bedeutet dies, dass die Einfuhrumsatzsteuer rein rechtlich betrachtet ab dem ersten Cent anfällt. Eine kleine praktische Ausnahme gibt es jedoch: Der Zoll erhebt keine Abgaben von weniger als einem Euro – bis zu einem Warenwert von ca. 5,20 Euro wird also auch keine Einfuhrumsatzsteuer erhoben. Inwiefern Importeure diese Regelung ausnutzen und etwa fälschlicherweise einen niedrigeren Warenwert auf der Verpackung angeben um die Abgabe zu umgehen, wird sich noch zeigen müssen. An der Zollgrenze ändert sich nichts – Sendungen mit einem Wert von bis zu 150 Euro sind weiterhin zollfrei, für bestimmte Produkte wie Alkohol, Parfum oder Tabak können Abweichungen gelten und außerdem Verbrauchssteuern fällig werden. 

Elektronische Zollanmeldung wird für Kleinsendungen Pflicht

Für eine erheblich größere Zahl von Sendungen als bisher muss damit die Höhe der Einfuhrumsatzsteuer berechnet werden. Ab dem 1. Juli 2022 muss deshalb für alle Waren eine Zollanmeldung erfolgen – auch für Waren mit Wert unter 150 Euro. Einen Unterschied gibt es allerdings: Für Sendungen mit Wert bis zu 150 Euro kann im Regelfall eine vereinfachte Zollanmeldung vorgelegt werden, bei welcher ein geringerer Umfang an Daten als bei der klassischen Einfuhrzollanmeldung angegeben werden muss. Insgesamt sollen mehr Sendungen überprüft werden, auch um zu überprüfen, ob die Waren den europäischen Vorschriften entsprechen.

Der Zoll führt angesichts des voraussichtlich stark steigenden Umfangs von Zollanmeldungen eine neue IT-Anwendung ein, das sogenannte ATLAS-IMPOST. Dessen Inbetriebnahme ist allerdings erst für den 15. Januar 2022 vorgesehen. An dieser Stelle ist jedoch eine Übergangsregelung geplant. Händler mit einem extrem hohen Importaufkommen (mehr als 3000 Sendungen) werden vom Zoll allerdings gebeten, sich direkt an ihn zu wenden. Neu ist auch die Zuständigkeit bei der Abgabe von Zollanmeldungen: Diese können bei kommerziellen Lieferungen bis 150 Euro und bei Geschenken bis 45 Euro nur noch in jenem Mitgliedstaat abgegeben werden, in dem die Beförderung endet. 

Neues Steuerportal IOSS

Eine Ausnahme von dieser Zuständigkeitsregelung ergibt sich dann, wenn man auf den Import One Stop Shop zurückgreift (kurz IOSS) – die „einzige Anlaufstelle für die Einfuhr“. Einzig meint dabei nicht, dass es keine andere Möglichkeit der Erklärung und Entrichtung der Steuer gibt, sondern vielmehr, dass IOSS der zentrale Ansprechpartner ist, wenn man diese Regelung wählt. Hier wird Unternehmern ermöglicht, die Umsatzsteuer vom Erwerber zu erheben und dann beim IOSS zu erklären und zu entrichten. Die Einfuhr dieser Ware ist dann zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen und von der Umsatzsteuer befreit.

Nicht genutzt werden kann der IOSS bei Waren im Wert von über 150 Euro, B2B-Lieferungen oder Geschenksendungen von Privatpersonen. Wer IOSS nutzen möchte, muss sich dafür zunächst beim Bundeszentralamt für Steuern registrieren – hier gibt es auch ein FAQ zu weiteren Details rund um die Regelung. Antworten auf zahlreiche weitere Fragen rund um die bevorstehenden Änderungen gibt der Zoll hier

Was können Online-Händler tun?

Online-Händler können zunächst überprüfen, ob sie von diesen Änderungen überhaupt betroffen sind, sich also Ware aus Ländern außerhalb der EU liefern lassen oder selbst in einem Drittland sitzen. Dabei ist es sinnvoll festzustellen, wie derzeit mit Importen umgegangen wird und welche Möglichkeiten sich ab dem 1. Juli ergeben. Gegebenenfalls sollte auch der Kontakt mit Lieferanten in Drittstaaten gesucht werden, damit diese die eventuell notwendigen Daten liefern und Vorkehrungen treffen.

Kommentare  

#1 Michael 2021-06-10 10:29
Ein bisschen komplizierter wäre sicher drin gewesen, oder?

Und: Auf Grund von Corona, änderte sich der Termin vom 01.01.2021 auf 01.07.2021 für den Wegfall der Freigrenze. Aaaaber, das Portal zur gesetzlichen Anmeldung ist auch am 01.07.2021 noch immer nicht fertig.
Das sollte sich mal ein Unternehmer erlauben. Dutzende Abmahner würden sich wie die Fliegen aufs Aas stürzen.
Aber wie immer sind ja einige gleicher als andere.

Und was mache ich jetzt bei monatlichen Bestellungen die diese Grenze von 3000 Sendungen nicht erreichen? Bin ich dann gezwungen ein halbes Jahr lang die "Servicepauscha le" von DHL zu bezahlen? Macht Sinn 5,90 EUR Pauschale zu zahlen bei einem Warenwert von 5 EUR.
Vor allem, wenn Lieferungen noch in der Pipeline sind und erst nach dem 01.07. kommen, obwohl sie hätten schon längst da sein sollen.
DHL und Co werden kräftig dran verdienen. Haben ja in den letzten Coronomonaten nicht schon genug bekommen.

"An dieser Stelle ist jedoch eine Übergangsregelu ng geplant." Gibt es hier schon nähere Details?

Ich freue mich schon auf das Chaos in drei Wochen. :-(
_________________________

Antwort der Redaktion

Hallo Michael,

wir können deinen Frust verstehen und arbeiten selbst daran, schnell an alle Informationen zu kommen, die für dich als Händler nützlich sein können.

Wir bleiben auf jedenfall dran und informieren auf all unseren Kanälen, sollten wir neue Infos haben!

Beste Grüße
die Redaktion
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