Musterprozess

Werbung für Online-Krankschreibung – Ist das erlaubt?

Veröffentlicht: 19.11.2019 | Geschrieben von: Melvin Louis Dreyer | Letzte Aktualisierung: 19.11.2019
Arzt mit Tablet

Das Internet ist voller Dienstleistungen. Mehr und mehr spielt hier auch der Gesundheitssektor eine Rolle – Ärzte können bewertet und Medikamente in Versandapotheken bestellt werden. Doch dabei bleibt es nicht: Seit nicht allzu langer Zeit werden online auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, auch AU-Schein oder gelber Zettel genannt, angeboten. Patient und Arzt sitzen sich dabei dem Prinzip nach nicht vis-a-vis in der Praxis gegenüber, sondern es findet eine Fernbehandlung statt. Diese ist zwar grundsätzlich verboten, es gibt jedoch einige Ausnahmen, auf deren Grundlage Ärzte auch auf Kommunikationsmedien zurückgreifen können. Der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs allerdings geht es um die Werbung für solch ein Online-Angebot. Der Mitteilung der Wettbewerbszentrale auf Juris zufolge hat diese nun einen Musterprozess eingeleitet. 

Werbung für Krankschreibung ohne Arztbesuch 

Dabei geht es um ein Unternehmen aus Norddeutschland, das für die „Krankschreibung ohne Arztbesuch“ wirbt. Den Nutzern wird ein „100% gültiger AU-Schein“ versprochen. Praktisch läuft der Vorgang offenbar wie folgt ab:

Das Angebot kann ausschließlich in bestimmten Fällen genutzt werden – nämlich bei „Erkältungen“, „Regelschmerzen“, „Rückenschmerzen“ sowie „Stress“. Auf der Webseite des Unternehmens können vorgegebene und auswählbare Symptome angeklickt werden. Anschließend sollen Patienten einige Fragen zum Gesundheitszustand beantworten, außerdem können sie nach eigenem Ermessen die Dauer der Krankschreibung bestimmen. „Für wie viele Tage fühlen Sie sich arbeitsunfähig? Arzt folgt ihrem Wunsch…“ wird das Angebot in der Mitteilung zitiert. Nach Zahlung und Angabe der Kontaktdaten erhält man dann digital oder postalisch einen AU-Schein, der von einem Privatarzt ausgestellt ist. Einen Kontakt zwischen Patient und Arzt habe es bei Testbestellungen nicht gegeben. 

Viele Juristen sehen Online-AU-Schein derzeit kritisch

Die Bewerbung dieses Angebots verstößt nach Auffassung der Wettbewerbszentrale gegen das Heilmittelwerbegesetz. Eine „Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhaften Beschwerden, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen oder Tier beruht (Fernbehandlung)“ ist demnach unzulässig. 

Auch gegen die Aussage „100% gültiger AU-Schein“ wendet sich die Klage. Sie sei irreführend, weil der Eindruck erweckt werde, dass die beworbene Krankschreibung allen Anforderungen an einen AU-Schein gerecht werde. Aus formaler Sicht erhält man zwar eine Bescheinigung, die beim Arbeitgeber eingereicht werden kann. Etliche Juristen würden aber bezweifeln, dass sie auch arbeits- und berufsrechtlichen Anforderungen gerecht wird. Und auch nach Auffassung der Wettbewerbszentrale müsse ein ärztlicher Kontakt stattfinden, bevor eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt wird. Zudem würde es keine höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland geben, auf deren Grundlage man eine hundertprozentige Gültigkeit annehmen könnte. 

Gesetzesänderung: Künftig ohne Arztbesuch?

Die Klage ist anhängig beim Landgericht Hamburg (AZ. 406 HKO 165/19). Dort wurde kürzlich ein ähnlicher Fall entschieden, das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig (AZ. 406 HKO 56/19). Die Richter nahmen hier beim Anbieten von AU-Scheinen via Whatsapp eine Wettbewerbsverletzung an. Dem Versicherer ottonova ist der Mitteilung zufolge außerdem durch das Landgericht München die Bewerbung eines digitalen Arztbesuches untersagt worden – hier konnten Patienten mittels einer App Diagnosen oder Therapieempfehlungen einholen, wie es seitens der Wettbewerbszentrale heißt (AZ. 33 O 4026/18, nicht rechtskräftig). 

Künftig soll es zu gesetzlichen Änderungen kommen. Der Regierungsentwurf des Digitale-Versorgung-Gesetzes sieht eine Einschränkung des Werbeverbots für Ferndiagnosen vor, wenn nach anerkannten fachlichen Standards kein persönlicher Kontakt zwischen Patient und Arzt erforderlich ist. Laut der Wettbewerbszentrale sei aber das Geschäftsmodell, um das es hier geht, auch unter dieser neuen Rechtslage nicht zulässig.

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