Wir wurden gefragt

Wann beginnt und endet die Widerrufsfrist bei Dienstleistungen?

Veröffentlicht: 01.09.2020 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 02.09.2020
Frau vor Online-Tutor

Spätestens mit dem Lockdown haben auch Online-Fitnessstudios, Klavierunterricht per Videocall und andere virtuelle Dienstleistungen ihre feste Daseinsberechtigung gefunden. Wie beim Online-Kauf von Waren kann man sich auch den Abschluss eines Dienstleistungsvertrages wieder anders überlegen. Nur die Bedingungen unterscheiden sich zum regulären Warenkauf.

Widerrufsrecht ja, aber anders

Dem Verbraucher räumt das Gesetz das Recht ein, die abgegebene Vertragserklärung innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu widerrufen. Im Anschluss an diesen Widerruf werden die beiderseits empfangenen Leistungen zurückgewährt, d.h. der Kaufpreis wird zurückerstattet und die Ware zurückgesendet.

Die Widerrufsfrist beginnt grundsätzlich mit Vertragsschluss, § 355 Absatz 2 BGB. Für Dienstleistungen läuft die Widerrufsfrist schon, sobald der Vertrag geschlossen wurde. Abweichend davon beginnt die Widerrufsfrist beim Verkauf von Waren, sobald der Verbraucher die Ware erhalten hat. 

Bei vielen Online-Dienstleistungen wie Unterrichtsangeboten, Fitnessstudios oder Streaming-Diensten haben Kunden zunächst einen kostenfreien Testzeitraum, den sie nutzen können. Danach wird die Leistung kostenpflichtig. Davon darf man sich jedoch nicht täuschen lassen. Das Widerrufsrecht läuft unabhängig von diesem Testzeitraum und läuft ab dem Tag des Vertragsschlusses (s. o.). Wie genau der Vertrag geschlossen wird, und vor allem wann, ist von Webseite zu Webseite unterschiedlich. Um zu erfahren, wann der Vertragsschluss beginnt, muss man also einen Blick in die AGB und Kundeninformationen werfen, denn es gibt sogar eine gesetzliche Pflicht, über die technischen Schritte, die zum Vertragsschluss führen, zu belehren.

Beispiele aus der Praxis

In einem bekannten Online-Fitnessstudio heißt es beispielsweise: „Der Vertrag kommt durch Bestätigung der Anmeldung des Nutzers durch [...] („Registrierung“) bzw. Annahme der Bestellung des Nutzers durch [...] zustande. [...] kann die Bestätigung der Anmeldung bzw. die Annahme der Bestellung des Nutzers auch durch Freischaltung des jeweiligen Angebots erklären.”

Bei einem Anbieter für Nachhilfe und Fernunterricht lautet die Vertragsschlussregelung hingegen so: „Ein Vertrag zwischen Ihnen und [...] kommt zustande, wenn Sie am Ende des Bestellvorganges auf den Button „Jetzt kaufen“ [...] klicken. [...] Bei der erstmaligen Buchung eines [...]-Abonnements auf der Plattform [...] können Sie nach dem Vertragsschluss 30 Tage lang kostenlos testen, ob Ihnen [...] gefällt.”

Da wäre noch etwas…

Viele, Händler und Kunden, übersehen gelichermaßen einen wichtigen Punkt: Die Widerrufsfrist beginnt nicht, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht oder nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat. Der Unternehmer kommt dieser Informationspflicht erst vollständig nach, indem er dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung auf der Webseite zur Verfügung stellt. Das ist soweit kein Problem. Außerdem muss die Widerrufsbelehrung vollständig und in wiedergabefähiger Form, z. B. als pdf, nach Vertragsschluss in Textform, z. B. per Mail innerhalb der Bestellbestätigung, übermittelt werden.

Und wann endet die Widerrufsfrist?

Das Widerrufsrecht endet grundsätzlich 14 Tage nach dem Beginn der Widerrufsfrist, wenn keine längere Frist angeboten wird. Ein kleines Beispiel soll die Berechnung verdeutlichen. Der Verbraucher schließt am Dienstag, den 1. September 2020 die Dienstleistung verbindlch ab. Die Widerrufsfrist beginnt am Mittwoch, dem 2. September 2020. Die Widerrufsfrist endet mit Ablauf des 15. September 2020 bei einer 14-tägigen Widerrufsfrist.

Bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung (s. o.) verlängert sich die Widerrufsfrist auf maximal 12 Monate nach Ablauf der eigentlichen Widerrufsfrist. Die Frist beträgt dann insgesamt 12 Monate und 14 Tage.

Fazit & Praxistipp

Ist alles so wie zuvor aufgeführt umgesetzt, beginnt die Widerrufsfrist mit dem Vertragsschluss zu laufen. Es kann also vorkommen, dass die Widerrufsfrist schon vor Ablauf des kostenlosen Testzeitraumes endet. Dann hat der Kunde nur noch die Möglichkeit, den Vertrag durch eine reguläre Kündigung zu beenden.

Über die Autorin

Yvonne Bachmann
Yvonne Bachmann Expertin für: IT-Recht

Yvonne ist schon seit Beginn ihrer juristischen Laufbahn mit Leib und Seele im IT-Recht unterwegs. Seit Anfang 2013 ist sie als Volljuristin beim Händlerbund tätig und berät dort hilfesuchende Online-Händler in Rechtsfragen rund um ihren Shop. Genausolange berichtet sie bei uns zu Rechtsthemen, welche die E-Commerce-Branche aufwirbeln. 

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Yvonne Bachmann

Kommentare  

#1 Kenneth rumpf 2022-06-06 10:22
Guten Morgen,

Eigentlich steht wohl alles in ihrem Bericht dennoch eine Frage.

Habe einen DSL Vertrag bei der Telekom abgeschlossen. Freischaltung war ca 4 Wochen später. Erst bei Freischaltung stellte ich fest , dass ich kein TV Paket dabei hatte. Habe den Tarif magenta l statt magenta l TV basic genommen. Nicht drauf geachtet und geirrt und erst ab der möglichen Nutzung festgestellt.

14 Tage natürlich rum aber seit Freischaltung nicht.

Dennoch pech gehabt?

Beste grüsse
K. Rumpf

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Hallo Herr Rumpf,

leider ist es uns, auch aus Gründen der Haftung, nicht möglich eine individuelle Rechtsberatung abzugeben. Die Bedingungen zum Widerruf des Vertrags müssten sich aus der Widerrufsbelehr ung oder aus den AGB oder den Vertragsbedingu ngen ergeben. Oft hilft es auch beim Anbieter selbst nachzufragen. Wenn es zu Problemen kommt, kann in vielen Fällen auch die örtliche Verbraucherzent rale helfen.
Ich hoffe, wir konnten Ihnen weiter helfen.

Alles Gute und viele Grüße

die Redaktion
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