Lego, Ikea, Star Trek & Co.

Firmen gegen Fans – Wenn ein Kampf um Markenrechte entbrennt

Veröffentlicht: 19.04.2021 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 01.07.2022
Kampf um die Marke: Business-Mann mit Boxhandschuhen

Es gibt sie in allen Bereichen des Lebens, etwa im Sport, in der Musik, in der Kunst oder auch in der Wirtschaft: Fans. Zwar geht der Begriff „Fan“ ursprünglich auf einen negativen Aspekt, nämlich ein „fanatisches“ und damit rücksichtsloses Schwärmen zurück, dennoch streben viele Unternehmen danach, sich eine solide Basis an Fans aufzubauen. Und das hat auch seinen Grund!

Fans sind wirtschaftlich ein Gewinn 

Fans sind Menschen, die sich (je nach Bereich) einer Sache bzw. einem Bezugsobjekt emotional verbunden fühlen, sich begeistert zeigen und sich in Folge häufig auch für diese Sache einsetzen. Gerade dieser Einsatz kann für Unternehmen große Vorteile mit sich bringen, denn bei einer langfristigen Treue können durch Fans sogar positive Auswirkungen auf wirtschaftlicher Ebene verzeichnet werden.

„Aus unserer Grundlagenforschung wissen wir, dass Unternehmen mit einer hohen Fan-Quote unter ihren Kunden und Mitarbeitern wirtschaftlich erfolgreicher sind als andere“, beschreibt der Mainzer Fan-Forscher Roman Becker die Potenziale. Dabei sind die potenziellen Vorteile für Firmen laut des Experten enorm: „Denn diese kaufen mehr, sie kaufen häufiger, sie sind weniger preissensibel, sie bewerten Konditionen besser, haben den höchsten Deckungsbeitrag und sind beste Botschafter.“ 

Und damit nicht genug. Denn Fans haben nicht selten auch eine weitere, äußerst positive Eigenschaft: Sie sind demnach in besonderem Maße leidensfähig. Das heißt nichts anderes, als dass sie durch ihre emotionale Bindung an das Unternehmen oder Produkt selbst in ungünstigen oder schwierigen Zeiten zu ihrem Objekt der Wahl stehen. Was man also beispielsweise bei Fußball-Fans wahrnehmen kann, die auch in Abstiegssituationen ihrem Verein nicht den Rücken kehren, zeigt sich im besten Fall auch in der Wirtschaft.

In der Praxis wird allerdings deutlich, dass es durchaus auch vorkommen kann, dass die gegenseitige Zuneigung kippt und sich Unternehmen gegen eigene Fans wenden. In einigen Fällen führte dies in der Vergangenheit sogar zu rechtlichen Schritten, die gegen die kaufwilligen und eigentlich schwärmenden Fans eingeleitet wurden.

Lego gegen Held der Steine

Eines der prominentesten Beispiele aus jüngster Zeit ist etwa die Geschichte vom sogenannten „Held der Steine“. Dabei handelt es sich um den 40-jährigen Thomas Panke, der als begeisterter Lego-Fan im Jahr 2012 in Frankfurt einen Lego-Laden eröffnete. Bekanntheit erlangte er dabei, da er über die Videoplattform YouTube Sets des dänischen Klemmbaustein-Herstellers in eigenen Videos vorstellte und über seine Lego-Passion sprach. 

Für Lego waren die Fanvideos eigentlich wie kostenlose Werbung, dennoch kam es zum Bruch: 2019 wurde Panke im Rahmen eines anwaltlichen Schreibens von Lego dazu aufgefordert, sein Logo zu ändern, da dieses einen Noppenstein enthielt, wodurch das Unternehmen die Gefahr einer Verwechslung sah. Nach dieser Auseinandersetzung mit Lego verschob Panke den inhaltlichen Fokus seiner Videos und zeigte fortan auch Sets anderer Hersteller und übte immer wieder deutliche Kritik an Lego. Auch ließ er seine Marke löschen. Lego entschuldigte sich nach einem Shitstorm der User für die misslungene Kommunikation.

Anfang 2021 nahm der Zwist zwischen Pranke und Lego allerdings eine weitere Stufe: Der einstige Lego-Fan erhielt eine markenrechtliche Abmahnung, da er in einigen seiner Videos „Lego“ als Gattungsbegriff verwendete und dabei die Steine anderer Hersteller der Spielzeugsteine meinte. Lego sah darin eine Verletzung der eigenen Marke. In einem Video, das im Internet für große Wellen sorgte und derzeit knapp 1,5 Millionen Aufrufe bei YouTube hat, äußerte Pranke erneut sein Unverständnis über das ungeschickte Vorgehen von Lego.

Ikea gegen kreative Bastler

Auch der schwedische Möbelriese Ikea stand schon im Kreuzfeuer der Kritik, da er gegen Fans vorgegangen ist: Das Zentrum des Trubels bildete damals die Website ikeahackers.net, die sich auf  „gehackte“ Ikea-Möbel spezialisiert hat. Die Bloggerin Jules Yap zeigte ihren Besuchern kreativ umgebaute oder umgestaltete Möbel und entsprechende Anleitungen dafür. Auch hier könnte man von kostenloser Werbung sprechen, über die sich Ikea hätte freuen können, denn Yap bot selbst keine Möbel zum Verkauf an. Die einzigen Einnahmen generierte sie durch Werbeanzeigen auf ihrer Website.

Doch wie Yap in einem Blogeintrag aus dem Jahr 2014 berichtete, kam Ikea auf sie zu und forderte über einen Anwalt von ihr, ihre Domain aufgrund von Markenrechten abzugeben und an den Möbelhändler zu übertragen. „Ich habe kein Geld, um rechtlich gegen ein so großes Unternehmen vorzugehen“, beschrieb sie damals ihre Situation. Im Endeffekt einigte sich Jules Yap mit Ikea darauf, ihre Website bzw. Domain behalten zu dürfen – unter der Voraussetzung, mit dieser kein Geld zu verdienen.

Von dem damaligen Zwist ist auf ihrer Seite nichts wahrzunehmen. Neben dem besagten Beitrag findet sich nur auf ihrer „About“-Seite noch ein Verweis, den sie allerdings mit der Bemerkung versieht, dass nun alles in Ordnung sei: „Diese Seite ist weder die Idee von Ikea noch wird sie von Ikea in irgendeiner Weise genehmigt oder unterstützt. Dies ist eine reine Fan-Website. Ich hatte vor ein paar Jahren ein paar Probleme mit ihnen. [...] Aber jetzt ist alles gut“, heißt es dort.

Paramount Pictures im Kampf um klingonische Sprache

Einen etwas kuriosen Streit hat die Filmproduktionsgesellschaft Paramount Pictures vor einigen Jahren im Zuge eines Urheberrechtsstreits ausgefochten: Damals befand sich das Unternehmen im Zwist mit Star-Trek-Fans, die einen Fan-Film drehen wollten, wobei Paramount die Urheberrechte an der klingonischen Sprache für sich beanspruchte. Diese Sprache wird in der fiktiven Star-Trek-Welt vom latent aggressiven Kriegervolk der Klingonen gesprochen. 

Die konstruierte Sprache Klingonisch wurde in den 80er-Jahren von Paramount in Auftrag gegeben und daraufhin vom US-amerikanischen Sprachwissenschaftler Marc Okrand erfunden. Ziel war es, eine außerirdische Sprache für Star Trek zu kreieren, die nicht (wie sonst üblich) aus sinnlosen Lautfetzen bestand, sondern tatsächlich eine sinnvolle Basis hat und somit in verschiedenen Teilen der Reihe auch übereinstimmt. Da Paramount Auftraggeber der Sprache war, wollte das Unternehmen auch die entsprechenden Rechte.

Die Gegenseite argumentierte im Rechtsstreit, dass Paramount Pictures Klingonisch gar nicht für sich beanspruchen könne, dass sich rund um die Sprache eine rege Community gebildet habe und es sich mittlerweile um eine lebendige Sprache handele, die man eben nicht urheberrechtlich schützen könne. Um dieses Argument zu untermauern, plädierte ihr Anwalt auf Klingonisch: „Der Anwalt der klingonischen Fans, Marc Randazza, argumentiert in seinem Unterstützerbrief mit klingonischen Zitaten und sogar ganzen Büchern, die vom Englischen ins Klingonische übersetzt wurden“, berichtete PCGamesHardware damals. „Weiterhin habe es bereits Ehe-Schwüre auf Klingonisch gegeben, ein Kind spräche es sogar ‚muttersprachlich‘.“ Der Streit zwischen Filmfirma und Fans endete übrigens erst im Jahr 2017 mit einer außergerichtlichen Einigung.

Warner Brothers gegen Harry-Potter-Jünger

Dass sich die großen Filmstudios regelmäßig in die Schlacht stürzen, wenn es um den Schutz ihrer Marken geht, zeigt auch ein weiteres Beispiel abseits von Paramount Pictures: Der Branchenriese Warner Brothers, der Anfang der 2000er-Jahre die ersten Harry-Potter-Bücher von J. K. Rowling verfilmte, ging damals gegen zahlreiche inoffizielle Fanseiten vor, die sich dem Thema rund um den Zauberlehrling verschrieben hatten. Weil sie gegen das Urheberrecht verstießen, sollten sie ihre Domainnamen abgeben. Einer der juristischen Briefe ging etwa an eine 15-jährige Britin, die sich daraufhin an die Presse wandte und eine umfangreiche Berichterstattung anstieß. Ein 15-jähriges Mädchen aus Singapur, das auf seiner Fanpage unter anderem einen Chatroom, Rätsel und ein Wörterbuch mit Zaubertränken und -sprüchen präsentierte, erhielt sogar zwei rechtliche Schreiben, weil sie mit Abbildungen gegen geltendes Urheberrecht verstoße. 

Warner Brothers kommentierte damals, dass solche Schritte üblich seien. Man „bedauere, wenn Fans die Absichten von Warner Brothers missverstünden“, schrieb der Tagesspiegel. Allerdings könne das Unternehmen eben „nicht wissen, ob die Betreiber zehn oder 40 Jahre alt seien und ob ihre Zukunftspläne der Marke Harry Potter schaden würden“.

Auch über die nächsten Jahrzehnte hinweg hatte Warner alle Hände voll mit urheberrechtlichen Auseinandersetzungen zu tun: Im Jahr 2018 zeigten sich beispielsweise viele Fans empört über das Vorgehen von Warner, da der Medienkonzern gegen lokale Harry-Potter-Fan-Festivals in den Vereinigten Staaten vorging. Konkret verbot das Studio u. a. die unautorisierte und vor allem kommerzielle Verwendung von Begrifflichkeiten wie Namen, Orte oder Objekte, die aus dem Harry-Potter-Universum stammen. Betroffen war zum Beispiel das „Wizarding Weekend“, welches 2016 als kleines Straßenfest in Ithaca, New York entstand und bereits 2017 mehr als 20.000 Besucher zählte. Auch in Atlanta, Texas oder am Chestnut Hill College in Philadelphia hätte es ähnliche Festivals gegeben, auf denen sich Fans des Zauberers zusammengefunden hätten, führte Moviepilot aus.

Unternehmen haben oft keine Wahl

Neben den genannten Fällen lassen sich noch eine ganze Reihe weiterer, ziemlich prominenter Streitigkeiten nennen, bei denen sich Firmen gegen die eigenen Fans gerichtet und diese damit in ihrer Fanfreude erschüttert haben. Die Frage, die sich dabei stellt: Warum gehen Unternehmen diesen Weg, wenn doch Fans eigentlich einen so positiven Effekt haben, Umsätze steigern und dem Image guttun?

Aus rechtlicher Sicht lässt sich die Frage offensichtlich recht einfach beantworten: Weil sie es müssen! „Dass Unternehmen zur Verteidigung der eigenen Marke teilweise auch gegen ,die Kleinen‘ ausholen, hat einen rechtlichen Hintergrund: Um den Schutz der Marke aufrecht erhalten zu können, muss diese ernsthaft benutzt werden“, weiß unsere Rechtsexpertin Sandra May. „Würden Unternehmen bei der Fremdverwendung ihrer Marken häufiger mal beide Augen zukneifen, würden sie die Verwässerung der eigenen Marke begünstigen. In einem Markenrechtsverfahren müsste sich ein solches Unternehmen zurecht den Vorwurf gefallen lassen, dass sie ihre eigenen Marken nicht ernsthaft verwenden und damit auch keinen Grund haben, diese zu schützen.“ Aus diesem Grund, so May weiter, sehen sich viele Firmen gezwungen, vehement gegen potenziell widerrechtliche Verwendungen ihrer Marken vorzugehen.

Der Ton macht die Musik

Während Unternehmen also in vielen Fällen gar keine andere Wahl haben, als Fans auf Urheberrechtsverletzungen hinzuweisen, muss es ein Motto der Stunde geben. Nämlich: Der Ton macht die Musik. Das Sprichwort mag vielleicht ob seines Alters überholt klingen, doch dies ändert nichts an seinem Wahrheitsgehalt. Fans von Sportvereinen, Musikbands, Filmen oder Unternehmen dürften in den allermeisten Fällen weder die Absicht haben, ihrem Fanobjekt zu schaden noch selbst in juristische Schwierigkeiten verwickelt zu werden. 

Statt mit der sprichwörtlichen Machete (oder wahlweise der Kettensäge) eine juristische Schneise durch die Fanmassen zu schlagen, wäre es besser, die Fans über die Problematik zu informieren und gemeinsam Wege zu finden, diese zu lösen. Ein Aspekt, der dabei in der Praxis eine große Rolle spielen dürfte: Viele Unternehmen lassen Marken- oder Urheberrechtsverletzungen durch spezialisierte Anwälte prüfen, die unter Umständen nicht das nötige Feingefühl ausgebildeter Marketing-Experten besitzen und Abmahnungen bzw. juristische Schreiben als korrektes Mittel der Wahl betrachten. Das hat nichts mit bösem Willen, sondern ausschließlich mit juristischer Korrektheit zu tun.

Sicher wäre der ein oder andere Shitstorm ausgeblieben, hätten sich Marketing-Experten zwischengeschaltet, die mit Blick auf das juristische Ziel und die Durchsetzung der eigenen Rechte eben auch eine freundliche und verständnisvolle Kommunikation forciert hätten. An dieser Stelle zeigt sich wieder einmal, wie wichtig ein gutes, vielschichtiges und umfangreich gedachtes Marketing ist. Es lohnt sich, darin zu investieren. Dann klappt’s auch mit den Fans.

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

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