Wir wurden gefragt

Stoffhandel: Um wie viel darf die gelieferte Menge bei Meterware abweichen?

Veröffentlicht: 17.02.2022 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 17.02.2022
Schneider schneidet Stoff zurecht

Bei der Bestellung von Meterware im Internet kann es dazu kommen, dass der Kunde nicht zu einhundert Prozent die Menge bekommt, die er auch bestellt hat. Meistens dürfte die bestellte Lieferung ein paar Zentimeter großzügiger ausfallen; es kann aber auch vorkommen, dass zu wenig geliefert wurde. 

Letzteres passierte einer Leserin, deren Shop sich auf eine „Zehn-Prozent-Mindermengen“-Regelung berief. Soll heißen: Die Kundin muss eben damit rechnen, dass sie bis zu zehn Prozent weniger Stoff erhält als bestellt. Aber: Ist das überhaupt rechtens? Und: Hat der Kunde Anspruch auf Nacherfüllung, wenn auch nur ein Zentimeter fehlt?

Starre Zahl ist rechtswidrig

Die zehn Prozent Mindermenge ist eine Formulierung, die man aus dem Baugewerbe kennt. Aus anderen Rechtsgebieten ist sie nicht bekannt und wird so auch nicht Bestand haben, denn könnte der Händler sich darauf berufen, dass er von der bestellten Menge um zehn Prozent abweichen darf, hat das vor allem bei größeren Bestellungen große Auswirkungen. Das würde nämlich bedeuten, dass jemand, der zehn Meter Stoff bekommt, damit rechnen muss, nur neun Meter zu erhalten. Bezahlen müsste er nach dieser Logik aber die zehn Meter. Auch bei kleineren Bestellungen ergibt eine starre Zahl keinen Sinn: Bei einem Meter Stoff hätte der Händler zehn Zentimeter Spielraum. Das kann je nach geplanter Verwendung schlicht zu wenig sein.

Man sieht also: Liefert der Händler weniger Meterware als bestellt, so überzeugt der Verweis auf eine Zehn-Prozent-Grenze nicht. Zum einen gibt es dafür schlicht keine gesetzliche Grundlage; zum anderen führt diese starre Regel in der Praxis zu einem sehr schiefen Missverhältnis, zwischen dem, was der Kunde bestellt hat und dem, was er bekommen kann. Außerdem wurde immerhin ein Kaufvertrag über eine festgelegte Menge Stoff geschlossen. Vertrag ist schließlich Vertrag.

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Was ist mit kleinen Abweichungen?

Wie sieht es aber mit kleinen Abweichungen aus? Bleiben wir beim Beispiel mit dem Stoffversand: Viele Stoffhändler schneiden das Material großzügig zurecht, so dass der Kunde eher einen Zentimeter zu viel als zu wenig bekommt. Fällt die Stoffbahn am Ende ein wenig kürzer aus, so dürfte dies in der Regel kein Grund zur Beanstandung sein. Kleine Abweichnungen sind üblich und müssen einfach vom Kunden mit einberechnet werden. Allerdings muss im Einzelfall entschieden werden, welche Abweichung für den Kunden noch zumutbar ist, und welche nicht. Eine starre Grenze lässt sich schlicht und ergreifend nicht ziehen. 

In der Praxis schreiben viele Händler daher, wie sie den Stoff vermessen und klären darüber auf, dass es minimalen Abweichungen von der bestellten Menge kommen kann. Käufer sollten außerdem daran denken, dass das heimische Maßband nicht immer das genaueste Messwerkzeug ist und von dem des Händlers abweichen kann.

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Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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