Wir wurden gefragt

Darf Arbeitnehmern wegen fragwürdiger Social-Media-Posts gekündigt werden?

Veröffentlicht: 05.08.2022 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 05.08.2022
Person verwendet verschiedene Social-Media-Funktionen auf Smartphone

Nie war es einfacher, seine inneren Ansichten in die weite Welt hinauszublasen. Dabei offenbaren unsere Mitmenschen nicht nur Meinungen und Ansichten, die wir ihnen vielleicht gar nicht zugetraut hätten; manchmal sind sogar strafbare oder zumindest moralisch verwerfliche Aussagen dabei. Was ist nun, wenn Arbeitgeber solche Äußerungen im Netz lesen? Was ist, wenn der Mitarbeiter im Netz rechte Hetze und Hass verbreitet? Können private Postings arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen? Darf so ein Mitarbeiter abgemahnt, oder gar gekündigt werden? Wir haben uns die Sache mal genauer angeschaut. 

Trennung von Privatleben und Beruf

Grundsätzlich dürfen Unternehmen ihren Mitarbeitern nicht vorschreiben, wie sie ihr Privatleben zu gestalten haben. Diese Trennung gilt aber nicht grenzenlos. Das musste auch eine Erzieherin, die in einem Heim der evangelischen Diakonie angestellt war, feststellen.

Die Erzieherin veröffentlichte unter dem Künstlernamen „Julia Pink“ Pornos im Internet. Nachdem der Arbeitgeber Wind von den privaten Aktivitäten bekam, wurde der Erzieherin, an der man 17 Jahre lang nichts auszusetzen hatte, fristlos gekündigt. Das LAG München (Urt. v. 21.04.2015, Az. 6 Sa 944/14) stellte letzten Endes fest, dass eine Kündigung erfolgen durfte. Zwar nicht fristlos, sondern ordentlich, aber im Ergebnis durfte die Diakonie aufgrund der erschienen Videos und Bilder eine arbeitsrechtliche Kündigung aussprechen. 

Die pornografischen Aktivitäten seien geeignet, das Vertrauensverhältnis der Eltern zu der Einrichtung zu schädigen. Außerdem stünden sie im Widerspruch zur kirchlichen Lehre. Immerhin sei für die Arbeit in einer kirchlichen Einrichtung eine gewisse „Glaubwürdigkeit“ erforderlich.

Der Fall zeigt, dass berufliches und privates tatsächlich auf eine Art und Weise miteinander verschmelzen kann. 

Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber

Arbeitnehmer haben gegenüber ihrem Arbeitgeber eine gewisse Treuepflicht. Diese Treuepflicht ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben und bringt eine Reihe Pflichten mit sich. So haben wir erst kürzlich hier erklärt, dass das Mobben von Kollegen ein Verstoß gegen die Treuepflicht sein kann. Diese Treuepflicht kann sich auch auf private Aktivitäten auf Social-Media-Plattformen auswirken. Das gilt insbesondere dann, wenn die Person ihre Unternehmenszugehörigkeit offen zur Schau stellt.

Diese Feststellung musste auch ein Triebfahrzeugführer machen. Dieser teile öffentlich auf Facebook ein kontroverses Bild. Zu sehen war das Eingangstor von Auschwitz begleitet von dem Text „Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme“. Als bald erhielt er einen Anruf seines Vorgesetzten. Trotz Löschung und Entschuldigung folgte die außerordentliche Kündigung. Das Arbeitsgericht Mannheim (Urteil vom 19.02.2016, Aktenzeichen: 6 Ca 190/15) stellte fest, dass es sich bei dem Post nicht um einen rein privaten Inhalt handelte. Auf dem Profil des Mannes befanden sich nämlich auch Bilder, auf denen er eindeutig dem Unternehmen zugeordnet war. Daher konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die öffentlichen Äußerungen des Mitarbeiters auf seinen Arbeitgeber zurückfallen könnte. Berechtigt war die Kündigung – weder außerordentlich noch ordentlich – aber dennoch nicht. Der Mitarbeiter war immerhin 14 Jahre in dem Unternehmen beschäftigt und hatte sich bisher nichts zu schulden kommen lassen. 

Fazit: Auf die Details kommt es an

Unterm Strich lässt sich die Eingangsfrage nicht pauschal beantworten. Es kommt immer darauf an, in welchem Kontext sich der Arbeitnehmer äußert. Handelt es sich um ein rein privates Profil, ohne Bezug zum Arbeitgeber, müssen auch grenzwertige Meinungen und Ansichten akzeptiert werden. Wird die Unternehmenszugehörigkeit, wie im Falle der Erzieherin in der Diakonie, nicht offengelegt, können private Tätigkeiten nur im Ausnahmefall arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Diese müssen dann sehr gut begründet werden.

Spannend wird die Frage aber dann, wenn die Äußerungen zu Unmut innerhalb von einzelnen Teams sorgen. Immerhin ist es mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass sich auch Kollegen auf privaten Netzwerken vernetzen und so gegenseitig Einblicke in ihre Gedankenwelten bekommen können. Inwiefern das dann arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, ist allerdings noch nicht geklärt. 

Legt der Arbeitnehmer seine Unternehmenszugehörigkeit auf seinem privaten Profil offen, so können aus dem Teilen kontroverser Inhalte arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen. Allerdings müssen Arbeitgeber hier weitere Faktoren berücksichtigen. So wird es immer eine Rolle spielen, ob der Mitarbeiter schon etwas auf dem Kerbholz hat, wie lange er bereits im Unternehmen ist und wie er sich sonst verhält.

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Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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