Dreist oder berechtigt

Kundin will eingelaufene Handmade-Tasche reklamieren

Veröffentlicht: 19.05.2023 | Geschrieben von: Sandra May | Letzte Aktualisierung: 19.05.2023
Verschiedene Handtaschen auf einem Tisch
In unserer aktuellen Reihe „Dreist oder berechtigt“ nehmen wir Forderungen und Fragen von Verbraucher:innen, Kundschaft und Arbeitnehmer:innen unter die Lupe.

Dieses Mal werfen wir in unserer Reihe einen Blick auf die Handmade-Branche: Eine Kundin kaufte bei einer Etsy-Händlerin eine individuell angepasste Handtasche. Die Freude währte allerdings nur kurz: Obwohl sich die Kundin an die Angaben zum Waschen hielt, lief die Handtasche nach der ersten Wäsche ein. In der Folge hat sich die komplette Tasche verzogen und der Reißverschluss will auch nicht mehr so richtig funktionieren. Sie wendet sich daher an die Verkäuferin, um das Problem zu lösen. Für sie kommt sowohl eine Neulieferung als auch eine Rückerstattung des Kaufpreises infrage. Die Händlerin weigert sich aber. Immerhin stünde in der Produktbeschreibung, dass sie die Stoffe nicht vorwäscht und es daher passieren kann, dass ihre Produkte etwas einlaufen. 

Grundsatz: Hinweise wischen Gewährleistungsansprüche nicht weg

Fakt ist: Dass Textilien beim Waschen einlaufen können, ist kein Geheimnis und lässt sich bei manchen Stoffarten auch nur schwer verhindern. Daher ist der Hinweis, dass ein Produkt einlaufen kann, zumindest nicht falsch. Das bedeutet aber nicht, dass sich Anbieter:innen durch so einen Hinweis komplett von Gewährleistungsansprüchen frei machen können. Gerade wenn es sich bei der Kundschaft um Verbraucher:innen handelt, ist eine Einschränkung des Gewährleistungsrechts durch pauschale Hinweise jedenfalls kaum möglich. Vielmehr muss im Einzelfall geschaut werden, ob tatsächlich Gewährleistungsansprüche bestehen – oder eben nicht. 

Fakt ist außerdem, dass Stoffe selten gleichmäßig einlaufen. Gerade, wenn es sich um ein Produkt handelt, bei dem Reißverschlüsse eingearbeitet sind, die nicht gemeinsam mit dem Stoff einlaufen, bedeutet ein Einlaufen auch immer ein Verziehen des gesamten Produktes. Im schlimmsten Fall kann das Produkt dann gar nicht mehr verwendet werden. In solchen Fällen müssten Händler:innen sogar konkret darauf hinweisen, dass das Produkt eben nicht gewaschen werden sollte, da das zur Zerstörung führen kann. Es macht eben einen Unterschied, ob ein T-Shirt nach der ersten Wäsche einfach nur etwas enger sitzt oder der Reißverschluss eines Rockes Wellen wirft.

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Fazit: Kundin hat ein Recht auf Reklamation

Was aber bedeutet das für unseren Fall? Die Händlerin kann sich nicht auf ihren pauschalen Hinweis berufen. Für die Kundin war auch einfach nicht klar, dass ein Einlaufen solche drastischen Folgen für die Verwendbarkeit der Tasche haben könnte. Immerhin hat die Händlerin sogar konkrete Waschempfehlungen gegeben. Unerheblich ist außerdem, dass die Händlerin die Stoffe nicht vorwäscht. Übrigens: Man liest zwar häufig, dass selbstständige Näher:innen die Stoffe nicht vorwaschen, weil sie das nicht dürften – dies ist allerdings ein Irrglaube. Stoffe dürfen vorgewaschen und die daraus hergestellten Produkte als Neuware angeboten werden. 

Die Kundin hat also Ansprüche gegen die Händlerin und darf sogar auf eine Neulieferung bestehen. Ihr Verhalten kann daher nur als berechtigt bezeichnet werden.

Über die Autorin

Sandra May
Sandra May Expertin für: IT- und Strafrecht

Sandra schreibt seit September 2018 als juristische Expertin für OnlinehändlerNews. Bereits im Studium spezialisierte sie sich auf den Bereich des Wettbewerbs- und Urheberrechts. Nach dem Abschluss ihres Referendariats wagte sie den eher unklassischen Sprung in den Journalismus. Juristische Sachverhalte anschaulich und für Laien verständlich zu erklären, ist genau ihr Ding.

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