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Brauchen Handwerker:innen eine Widerrufsbelehrung?

Veröffentlicht: 08.06.2023 | Geschrieben von: Julia Petronis | Letzte Aktualisierung: 08.06.2023
Mann an PC daneben Handwerksutensilien

Wer als Online-Händler:in Waren oder Dienstleistungen über den eigenen Shop vertreibt, muss den Verbraucher:innen eine Widerrufsbelehrung zur Verfügung stellen. Damit wird sichergestellt, dass alle Informationen über die Bedingungen eines möglichen Widerrufs den Käufer:innen bekannt sind. Auch Handwerker:innen werden immer öfter online beauftragt. Dabei stellt sich folgende Frage: Müssen auch sie eine Widerrufsbelehrung zur Verfügung stellen?

Unter welchen Umständen besteht ein Widerrufsrecht?

Geht der Backofen kaputt oder streikt die Waschmaschine, benötigen viele die Hilfe von Handwerker:innen. Wer dabei niemanden auf der Kurzwahl hat, schaut im Internet nach geeigneten Fachkräften und greift entweder zum Telefon oder nutzt die Möglichkeit, online einen Termin zu buchen. 

Was viele nicht wissen: Verbraucher:innen steht bei Handwerksverträgen, die außerhalb von geschlossenen Geschäftsräumen, beispielsweise direkt vor Ort bei den Kund:innen, nach § 312 b BGB geschlossen werden, ein Widerrufsrecht zu. Das gilt auch für die sogenannten Fernabsatzverträge, die per Telefon, E-Mail oder online gemäß § 312 c BGB zustande kommen. 

In bestimmten Fällen kann ein Widerrufsrecht allerdings gemäß § 356 Absatz 4 BGB auch ausgeschlossen sein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn die besprochene Leistung sofort nach dem Verhandlungsabschluss durch den beauftragten Handwerker oder die Handwerkerin erbracht wird und diese Leistung nicht mehr als 40 Euro kostet. Auch bei Lieferung und Leistung von speziellen Maßanfertigungen und sehr dringlichen Reparaturleistungen besteht kein Widerrufsrecht.

Aber Achtung: Ausnahmen, die das Widerrufsrecht entfallen lassen, sind sehr eng auszulegen. 

Wie muss über das Widerrufsrecht informiert werden?

Wie beim Online-Kauf sind auch Handwerker:innen bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen dazu verpflichtet, Verbraucher:innen bei Vertragsschluss über das bestehende Widerrufsrecht aufzuklären. Das heißt: Es muss aktiv darüber informiert werden und es darf sich nicht darauf verlassen werden, dass Verbraucher:innen über das Recht zum Widerruf Bescheid wissen. Die Widerrufsbelehrung kann beispielsweise mit dem Versenden einer Auftragsbestätigung mitgeschickt werden. 

Nur in den genannten Ausnahmefällen, in denen das Widerrufsrecht erlischt, entfällt auch die Belehrungspflicht. In allen anderen Fällen müssen Handwerker:innen eine Belehrung erteilen.

Welche Folgen hat ein Widerruf für den Vertrag?

Verbraucher:innen haben grundsätzlich 14 Tage lang Zeit, den geschlossenen Werkvertrag zu widerrufen. Bei einem wirksamen Widerruf wandelt sich das Vertragsverhältnis gemäß § 357 Absatz 1 BGB in ein sogenanntes Abwicklungsverhältnis um. Das bedeutet, dass die empfangenen Leistungen zurückzugewähren sind. Davon umfasst sind die bereits getätigten Zahlungen, die zu erstatten sind. Aber auch die gelieferte Ware bzw. das verbaute Material, soweit es sich rückstandslos ausbauen lässt, müssen entweder bei den Verbraucher:innen abgeholt oder von ihnen zurückgesendet werden. 

An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass das Widerrufsrecht unabhängig von den Gewährleistungsrechten besteht. Das heißt: Auch wenn die Leistung mangelfrei erbracht worden ist, kann der Vertrag widerrufen werden. 

Was ist, wenn die Belehrung ausbleibt?

Wird es ganz oder teilweise versäumt, über die Widerrufsbedingungen aufzuklären, verlängert sich zunächst die Widerrufsfrist auf 12 Monate und 14 Tage. Das heißt konkret: Statt den üblichen 14 Tagen haben Kund:innen zusätzlich ein Jahr länger Zeit, den Widerruf zu erklären. 

Aber es ergibt sich noch ein größeres Problem für Handwerker:innen. Denn: Werden die Verbraucher:innen vor Vertragsabschluss nicht ordnungsgemäß über das ihnen zustehende Widerrufsrecht belehrt, und machen Verbraucher:innen dann von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch, entfällt der Anspruch auf den Werklohn. Das zeigte jüngst die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Urteil v. 17.05.2023, Rs. C-97/22). Darin wurde dem Elektroinstallateur sowohl der Anspruch auf die Zahlung der Rechnung, als auch der Anspruch auf Wertersatz abgesprochen. Ausschlaggebend dafür war die fehlende Belehrung über das Widerrufsrecht durch den Elektroinstallateur. 

Fazit

Auch bei Handwerksverträgen steht den Verbraucher:innen ein Widerrufsrecht zu, wenn die Verträge direkt vor Ort bei den Kund:innen, per Telefon oder online geschlossen werden. Bei Vertragsschluss muss dann zwingend eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgen. Andernfalls verlängert sich die Widerrufsfrist und der Vergütungsanspruch geht verloren. Um das zu vermeiden, sollten Handwerker:innen stets ihrer Aufklärungspflicht nachkommen und eine Widerrufsbelehrung bereitstellen.

Über die Autorin

Julia Petronis
Julia Petronis Expertin für: IT- und Medien-Recht

Julia ist seit April 2021 als juristische Redakteurin bei uns tätig. Während ihres Studiums der Rechtswissenschaften in Leipzig konzentrierte sie sich vor allem auf das Medien- und IT-Recht, sowie das Wettbewerbs- und Urheberrecht – und kann dieses Wissen heute auch „in der echten Welt“ einsetzen.

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