FAQ: Wir beantworten Ihre Leserfragen zum Gewährleistungsrecht

Veröffentlicht: 27.01.2016 | Geschrieben von: Yvonne Bachmann | Letzte Aktualisierung: 18.08.2022

Anfang Januar haben wir einen Beitrag zum Gewährleistungsrecht veröffentlicht. Die Reihe „Wir wurden gefragt“ dreht sich regelmäßig um aktuelle und praxisnahe Fragen aus dem Alltag eines Online-Händlers. Beim Thema „Versandkosten in einem Gewährleistungsfall“ haben sich für unsere Leser zahlreiche neue Fragen ergeben. Wir haben die häufigsten herausgegriffen und möchten sie beantworten.

Frage: Kann ich die Portokosten vom Kunden verlangen, wenn sich nach der Rücksendung und Prüfung herausstellt, dass das Produkt gar nicht defekt ist?

Antwort: Stellt sich ein vom Kunden gerügter Mangel nach einer Überprüfung als unberechtigt heraus, handelt es sich um ein unberechtigtes Nacherfüllungsverlangen bzw. ein unberechtigtes Mangelbeseitigungsverlangen. Solche unberechtigten Mangelbeseitigungsverlangen können zu einem Schadensersatz führen (z.B. nutzlos bezahlte Portokosten, negative TÜV Prüfung).

Ein Ersatz für solche angefallenen Kosten darf jedoch nur verlangt werden, wenn Käufer erkannt hat oder fahrlässig verkennt, dass gar kein Mangel vorliegt. Eine Prüfungspflicht hat der Käufer lediglich im Rahmen seiner Möglichkeiten. Bei Ungewissheit darf der Käufer Mängelrechte geltend machen, ohne Schadensersatz befürchten zu müssen, auch wenn sich sein Verlangen im Ergebnis später als unberechtigt herausstellt.

Dieser Fall dürfte besonders bei technischen oder schwer zu bedienenden Geräten zutreffen. Beispielsweise wird man dem Kunden bei bestimmten Veränderungen des Materials kaum zumuten können, zwischen einer falschen Behandlung und einem Herstellungsfehler zu unterscheiden.

Frage: Ist der Verkäufer den gesamten Gewährleistungszeitraum von zwei Jahren verpflichtet, die Rücksendekosten in einem Gewährleistungsfall zu tragen?

Antwort: Ja. Stellt sich heraus, dass ein Herstellungs- oder Produktionsfehler vorliegt, muss der Händler für den Austausch bzw. die Reparatur sorgen und die entsprechenden Kosten dafür aufbringen.

Frage: Der Kunde möchte die Ware zurückgeben (Widerruf). Um sich die Rücksendekosten zu sparen, beruft er sich auf einen Defekt. Zu Recht?

Antwort: Eine immer häufiger werdende Konstellation, da immer mehr Kunden die Tragung der Rücksendekosten umgehen möchten. Hier schießen Kunden jedoch häufig über das Ziel hinaus: Das Widerrufsrecht und das Gewährleistungsrecht sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, die streng voneinander zu unterscheiden sind und nebeneinander bestehen.

Der Kunde muss sich zunächst entscheiden: Will er den Vertrag endgültig auflösen und sein Geld zurück erstattet haben, dann muss er seinen Widerruf erklären. Konsequenterweise gelten dann auch alle Pflichten aus dem Widerrufsrecht, also ggf. Tragung der Rücksendekosten.

Möchte er einen neuen Artikel geliefert bekommen oder dessen Reparatur, muss er die Kosten für die Rücksendung nicht zahlen. Die Erstattung des Kaufpreises kann er dann jedoch nicht verlangen.

Frage: Verstehe ich es richtig, dass der Käufer bei Berufung auf eine Herstellergarantie sehr wohl den Rücktransport bezahlen muss?

Antwort: Es kommt darauf an. Es gibt keine gesetzlichen Regelungen zur Tragung der Rücksendekosten in einem Garantiefall. In der Regel gewährt nur der Hersteller eine gesonderte freiwillige Garantie. Hier ist er hinsichtlich der Tragung der Rücksendekosten frei, er kann sie freiwillig übernehmen, muss es aber nicht. In diesem Fall muss sich der Kunde auch direkt an den Hersteller wenden.

Aber Vorsicht! Meldet sich der Kunde innerhalb der zweijährigen Gewährleistungsfrist beim Händler, kann er nicht an den Hersteller und dessen Garantie verwiesen werden. Das gesetzliche Gewährleistungsrecht gilt parallel. Der Händler muss gegenüber dem Kunden daher grundsätzlich zwei Jahre für auftretende Mängel einstehen. Er darf den Käufer nicht einfach an den Hersteller verweisen.

Frage: Im Fall der Gewährleistung muss der Fehler am Produkt schon zum Kaufzeitpunkt vorhanden sein. Das muss erst mal nachgewiesen werden. Richtig?

Antwort: Bei Auftreten eines Sachmangels wird zugunsten des Verbrauchers vermutet, dass die Ware bei Gefahrübergang bereits mangelhaft war. Der Gefahrübergang beim Versendungskauf fällt auf den Zeitpunkt der Lieferung der Ware, d.h. mit Ablieferung der Ware beim Kunden. Das Gesetz stellt eine Vermutung dahin gehend auf, dass ein Mangel, der sich innerhalb von 6 Monaten nach Lieferung zeigt, auch schon zum Zeitpunkt der Lieferung vorlag.

Beispiel: Hat ein technisches Gerät gleich nach ein paar Wochen einen Defekt, wird vermutet, dass dieser Defekt am Produkt bereits vorhanden war (z.B. Herstellungsfehler) und nicht durch eine unsachgemäße Behandlung des Kunden entstanden ist. Der Verkäufer hat dann die Möglichkeit, die Vermutung durch entsprechenden Beweis zu widerlegen.

 

Kommentare  

#6 Johanna Bartsch 2023-01-25 17:09
Sehr geehrte Damen und Herren

Im März 2022 haben wir ein neues Ecksofa gekauft (online). Nach 8 Monaten haben wir Mängel festgestellt und die Firma kontaktiert und wurden auf Januar vertröstet nun nach 10 Monaten zeigt sie Vertiefungen der Sitzfläche und diese ziehen sich über die komplette Couch. Da unser Hausflur sehr eng ist haben wir damals einen Fensterlift benötigt um die Sofaecke ins Haus zu bringen. Auf die Anfrage an den Verkäufer bekam ich lediglich die Antwort das Sofa müsse an der Bordsteinkante übergeben werden.

Ich verstehe nicht wie es sein kann das ich als geschädigter einer Mangelhaftverar beiteten Sofaecke nun kosten auf mich nehmen muss diese an die Straße zu stellen. Ist das wirklich rechtens ? Mfg
____________

Hallo Johanna,

du hast recht. Ist das Sofa wirklich mangelhaft, dann muss es der Händler tatsächlich im Wohnzimmer abholen (lassen) und ggf. reparieren oder neu liefern. Der Kunde darf keinen Aufwand bzw. Nachteil erleiden.

Viele Grüße
Die Redaktion
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#5 Melchior 2016-02-01 14:16
Gelegentlich erleichtert auch ein Blick in das Gesetz die Rechtsfindung.

§ 439 BGB (zB hier dejure.org/.../439.html )

Der Käufer kann sich gemäß Absatz 1 nach seiner Wahl aussuchen, ob er einen reklamierten Artikel durch den Verkäufer repariert bekommen will oder gleich einen mangelfreien Artikel im Austausch erhalten möchte. Es muss also kein Käufer den defekten Artikel aus der Hand geben und dann wochenlang ohne diesen Artikel, dessen Eigentümer er schließlich ist, darauf warten, ob und wann Verkäufer und nachgeschaltete Werkstätten usw. ihm den Artikel wieder mangelfrei zurück geben. Tatsächlich kann der Käufer sogar verlangen, dass ad hoc eine mängelfreie Sache im Austausch geliefert wird, noch bevor er dem Verkäufer den reklamierten Artikel überhaupt zugeschickt hat (die Reklamation muss er dem Kunden im Zweifel einfach glauben, bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Falschreklamati onen wäre der Kunde aber schadensersatzp flichtig gegenüber dem Verkäufer). Das geht auch aus dem Umkehrschluß des Absatz 4 hervor.

Die konkrete Ausgestaltung hängt vom Einzelfall ab. So ist es nachvollziehbar , dass ein Käufer, der zB reklamiert, dass eine seiner vier Herdplatten ausgefallen ist, erstens sofort Austausch will und nicht Wochen später, wenn der Herd repariert wurde und in der Zwischenzeit kein Kochen möglich wäre und zweitens den teildefekten Herd solange behält, bis der Austauschherd eingetroffen ist, drei Platten können bis dahin ja noch zum Kochen benutzt werden. Auf Wintersportausr üstung, die im Frühling reklamiert wird, kann der Käufer hingegen durchaus ein paar Wochen verzichten.

Alle damit verbundenen Kosten sind ausschließlich dem Verkäufer auferlegt, siehe Absatz 2. Verweigern kann der Verkäufer gemäß Absatz 3 Nacherfüllung nur, wenn Defekt und Nacherfüllungsk osten in keinem Verhältnis stehen; zB eine elektrische Zahnbürste im Wert von 10 €, der Käufer nutzt sein Wahlrecht aus Absatz 1 und besteht darauf, dass ihm kein Austauschgerät geliefert wird, sondern die defekte Zahnbürste repariert wird; die damit verbundenen Kosten zB bei einer Reparaturwerkst att inkl. Ersatzteilebesc haffung usw. dürften den Wert der Zahnbürste um das x-fache übersteigen, in solch einem Ausnahmefall kann der Verkäufer also das Wahlrecht aus Absatz 1 beschneiden und muss zB nur ein mangelfreies Austauschgerät anbieten.

Die Nacherfüllungsr echte ("Gewährleistun g") sind insgesamt sehr weitreichend für den Käufer.
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#4 Eric Michael 2016-02-01 00:46
@Guido Lauermann
Der Gesetzgeber möchte damit auch bewirken, dass Verkäufer darauf achten, was sie da eigentlich anbieten. Auch Massenware sollte durchaus den Gewährleistungs zeitraum überstehen, ohne, dass es massenhafte Ausfälle gibt. Platt gesagt sollen Verkäufer, die Ramsch verkaufen um "die schnelle Mark" zu machen ein schweres Leben damit haben. Auch soll dadurch der Druck auf die Industrie etwas erhöht werden, es nicht mit "geplanter Obsoleszenz" zu übertreiben. Objektiv betrachtet ist auch eine Lebensdauer von 24 Monaten für die allermeisten Artikel inakzeptabel. Wenn ein Elektrogerät beispielsweise nicht einmal zwei Jahre durchhält, gebrauchsbezoge ne Beschädigungen natürlich ausgenommen, dann ist das einfach Ramsch und es ist schon richtig, dass der Endverbraucher da nicht komplett hilflos.

Seien wir einmal realistisch, die Verbraucher nehmen die Gewährleistung durchaus mit Augenmaß in Anspruch. Wieviele Leute kennen Sie, die mit einem kaputten Leuchtmittel zum Händler gehen und Gewährleistung einfordern (ein Leuchtmittel ist kein Verbrauchs- oder Verschleißartik el! Als einfache Faustregel: ein Verbrauchsartik el ist zB Zahnpasta, ein Verschleißartik el ist zB die Zahnbürste).
Wieviele Leute kennen Sie, die mit ihrer Winterjacke, die sie nicht einmal ein halbes Jahr haben, am Ende des Winters zum Verkäufer marschieren und reklamieren, wenn dieser Reißverschluß oder jene Naht nicht einmal den ersten Winter bei normalen Gebrauch überstanden haben?

Und und und

Die allermeisten Verbraucher, die Gewährleistung einfordern, die machen das wirklich nur dann, wenn sie zurecht empört sind und allen Grund haben, sich darüber zu ärgern, dass zB ein teures Elektrogerät nicht einmal zwei Jahre gehalten hat, bevor es kaputt geht. Und da sollten sich Verkäufer einfach auf die Seite ihrer Kunden stellen und Druck bei den Herstellern machen. Wenn das viele machen, dann hören die vielleicht auch mal wieder auf, gezielte Sollbruchstelle n o. ä. einzubauen.

Soweit meine persönliche Meinung zu diesem Thema.
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#3 Eric Michael 2016-02-01 00:37
@Roma

Allgemein: es geht bei den 6 Monaten lediglich um die Beweislast. Die ist, je nach Artikel um den es geht, für den Verbraucher gar nicht so furchtbar schwer zu erbringen, wie oft dargestellt wird, wenn ein Kunde sich ungerecht behandelt fühlt und sich in den Kopf gesetzt hat "sein Recht durchzusetzen" (Stichwort Rechtsschutzver sicherung). Umgekehrt kann man eine reibungslose Bearbeitung von Gewährleistungs fällen, die sich zumindest glaubwürdig auch als Gewährleistungs fälle darstellen, aber nach folgendem Motto behandeln:

ich muss dem Kunden das eigentlich eh leisten, ich verhalte mich aber so kooperativ, dass er denkt, dass ich besonders kulant bin. Dann kommt er evtl. wieder, aufjedenfall erspare ich mir Stress (ich muss es ja eh leisten!).

Gewährleistung sieht der Gesetzgeber nun einmal für 24 Monate ab Kaufdatum vor. Und da er das so lange vorsieht ist auch klar, dass es dabei gerade nicht darauf ankommt, ob ein Defekt schon sehr früh oder erst relativ spät auftritt. Die Gewährleistung gilt an Tag 1 genauso wie an Tag 720.

Und es ist in der Tat ein grober Verstoß gegen Verbraucherrech te einem Verbraucher die Gewährleistung vorzuenthalten. Dabei darf man sich auch nicht am Wortsinne festklammern, nach dem Motto "Ja, Moment, wenn Sie gesagt hätten Sie möchten die Gewährleistung in Anspruch nehmen, aber Sie verwendeten doch den Begriff Garantie!". Ein Verbraucher muss kein Jurist sein und diese beiden Begriffe, die in der Alltagssprache synonym sind, treffsicher zu unterscheiden.

§ 133
Auslegung einer Willenserklärun g

Bei der Auslegung einer Willenserklärun g ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht (!) an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Wenn sich ein Kunde mit einem defekten Artikel nicht beim Hersteller meldet sondern direkt beim Verkäufer, dann weil er auch die Hilfe vom Verkäufer möchte, sonst hätte er sich selbst an den Hersteller gewendet. Ob der Verkäufer die Ware selbst repariert, an den Hersteller schickt oder in die Tonne schmeißt und dem Kunde einen neuen Artikel aus eigener Tasche als Ersatz gibt, das ist nicht Problem des Kunden. Der Kunde muss den Artikel nur an den Verkäufer schicken - zu dessen Kosten - alles andere muss der Verkäufer erledigen, den Hersteller gehen auch die Kundendaten nichts an (Datenschutz!).
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#2 ROMA 2016-01-27 14:59
Ein interessanter Beitrag. Auch immer wieder aufs Neue verwirrend, der Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie/Herste llergarantie.
Aktuell haben wir einen solchen Fall.
Nach einem 3/4 Jahr der intensiven Nutzung erhalten wir das Gerät zurück. Der Kunde verweist auf sein Garantierecht. Da der Fehler erst nach langer Nutzungszeit aufgetreten ist, schließe ich einen Gewährleistungs anspruch aus. Der Hersteller bietet 2 Jahre Garantie nach Kaufdatum. Ich habe den Kunden an den Hersteller, der diesen Service ja anbietet, verwiesen und ihm meine Hilfestellung angeboten. (Online-Erfassu ng der Garantiefälle beim Hersteller, Versenden des Gerätes an den Hersteller falls dieser dies billigt-Kosten zu unseren Lasten).
Nun meine Verwirrung nach diesem Artikel. Warum darf ich das nicht? Gewährleistung greift doch nicht. Das Gerät war funktionstüchti g und wurde regelmäßig eingesetzt. Außerdem gibt es doch da auch nach einem halben Jahr noch die Beweisumkehrpfl icht für den Kunden, die uns zwar entgegen kommt, aber wie ich dachte, nicht relevant ist, da ja kein Gewährleistungsfall.
Wieso bleibt die Gewährleistungs pflicht bestehen, wenn dessen Eintritt nach dieser Sachlage ab sofort absolut ausgeschlossen werden kann. Da Gerät defekt durch übermäßige Nutzung (Verschleiß) und dies setzt ja ein funktionstüchti ges Gerät voraus.
Könnte mich jemand mit seinem Wissen erhellen? Lieben Dank! ;-)
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#1 Guido Lauermann 2016-01-27 14:32
Im Grunde kann man also einfach pauschal sagen: immer zugunsten des Kunden, der Händler zieht den Kürzeren.
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