Amazon Erfahrungsbericht: Ein Unternehmer, zwei Firmen und eine folgenreiche Kontensperrung

Veröffentlicht: 23.08.2017 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 23.08.2017

Die Vorschriften, die Amazon Händlern auferlegt, um überhaupt auf dem Amazon-Marktplatz handeln zu dürfen, sind wahrlich komplex und weitreichend. Nicht immer fällt es da leicht, alle Richtlinien zu wahren. Dies musste auch ein Händler erfahren, der mit unterschiedlichen Händlerkonten verschiedene Markenprodukte vertreiben wollte. Eine Kontensperrung und massive Umsatzeinbrüche waren die Folge.

Verschlossenes Tor mit einem Schloss
© Gilmanshin – shutterstock.com

Die Ausgangslage: Zwei Marken, zwei Amazon-Accounts

Es gibt viele Händler, die sich mit ihren Geschäften nicht nur auf eine einzige Marke stützen, sondern zwei- oder gar mehrgleisig fahren. Das Prinzip hinter einer solchen Strategie ist klar: Mit unterschiedlichen Marken, die verschiedene Qualitäten haben und auch abweichenden Preisstrukturen folgen, kann man einen größeren Kundenkreis erreichen als mit einer einzigen Marke.

Ein Händler aus dem Food-Bereich, der sich jüngst in der Redaktion von OnlinehändlerNews gemeldet hat, berichtete über eine solche Konstellation: Eine Marke platzierte er im Premiumsegment, die andere eher im preiswerten Sektor. Die Markenprodukte hatten grundsätzlich ein unterschiedliches Branding und ein klar getrenntes Design. Um diese Produkte zielgruppengerecht bewerben und verkaufen zu können, legte der Unternehmer bei Amazon zwei Firmenkonten an, wobei derselbe Geschäftsführer bei beiden Firmen hinterlegt wurde. Auch nahmen beide Firmen am FBA-Programm teil. Nach einiger Zeit sperrte Amazon beide Konten und die Umsätze brachen empfindlich ein.

Warum sperrte Amazon die Händlerkonten?

Die Sperrung der beiden Konten begründete Amazon nicht im Einzelnen, sondern teilte dem Händler lediglich mit, dass gegen die Richtlinien von Amazon verstoßen wurde. Der betroffene Händler sieht hier eine Willkür durch Amazon, unter der die Händler leiden. Hinzu kommt, dass er keinen konkreten Ansprechpartner hatte, der in der Lage war, zu helfen oder helfende Informationen zur Verfügung zu stellen. Auch ein anwaltliches Schreiben ließ Amazon nach Informationen des Händlers unbeantwortet.

Ein Blick in die sehr komplexen, verzweigten und vielschichtigen Richtlinien von Amazon zeigt, dass es durchaus mehrere mögliche Begründungen für einen Richtlinienverstoß gäbe: Die naheliegende Begründung findet sich im Abschnitt „Verbotene Handlungen und Verkaufsaktivitäten“. Hier schreibt Amazon:

„Es ist verboten, mehrere Konten in Seller Central anzulegen und zu verwenden. Wenn Sie ein berechtigtes geschäftliches Interesse daran haben, ein zweites Verkäuferkonto einzurichten, können Sie eine Ausnahmeregelung beantragen […]. Erklären Sie bitte in Ihrem Antrag, warum Sie aus geschäftlichen Gründen ein zweites Verkäuferkonto benötigen.“

Grundvoraussetzung für eine solche Genehmigung ist dabei, dass die beiden Händler-Accounts unterschiedliche Bankkonten, unterschiedliche E-Mail-Adressen sowie verschiedene Produkte und Services aufweisen. Wenn eine solche separate Erlaubnis nicht vorliegt, müssen Händler also mit einer Kontensperrung rechnen.

Ein Händler, der mit sich selbst konkurriert?

Da die Amazon Richtlinien für Händler – wie gesagt – sehr komplex sind, lassen sich auch andere Gründe für die Kontensperrung vermuten: Zum Beispiel schreibt Amazon im Abschnitt „Verkaufsrichtlinien und Verhaltenskodex für Verkäufer“, dass Unternehmer Aktivitäten unterlassen müssen, „die als Versuch wahrgenommen werden könnten, die Suchergebnisse oder Verkaufsranglisten von Amazon zu manipulieren“. Da ein Geschäftsführer mit zwei angemeldeten Accounts und Produkten aus der gleichen Kategorie mit sich selbst konkurriert, könnte dies möglicherweise als eine Art Eingriff in das Suchergebnis-Ranking oder in die Verkaufsranglisten ausgelegt werden.

Amazon darf selbst entscheiden, wer auf dem Marktplatz handeln darf

Es mag dem ein oder anderen Händler vielleicht nicht fair erscheinen und in manchen Fällen sind die Entscheidungen von Amazon tatsächlich mehr als fraglich – doch alles in allem muss eines grundsätzlich festgehalten werden: Amazon stellt Händlern seinen Marktplatz freiwillig zur Verfügung. Und der Konzern kann selbst entscheiden, mit wem er einen Vertrag eingeht und mit wem nicht. Das betrifft übrigens sowohl Händler als auch Kunden.

Natürlich müsste unter Umständen auch eine Frist für die Schließung eines Kontos eingehalten werden. Es sei denn, die Richtlinien werden vom Nutzer gebrochen, sodass Amazon einen begründeten Anlass zur sofortigen Kontenschließung sieht.

Auch muss betont werden, dass Amazon seinen europäischen Sitz in Luxemburg hat. Amazon stützt sich somit auf luxemburgisches Recht – dieser Fakt hat noch ganz andere Folgen und für potenzielle Kläger aus Deutschland einen entscheidenden Nachteil: Denn wer sich veranlasst sieht, gegen Maßnahmen, Kontenschließungen oder sonstige Schritte von Amazon rechtlich vorzugehen, muss dies vor luxemburgischen Gerichten und mithilfe eines Anwalts tun, der eine dortige Zulassung hat.

Für hiesige Händler dürfte es also ziemlich schwierig werden, gerichtlich gegen Amazon anzukommen. Es ist daher unbedingt anzuraten, sich im Rahmen von Umstrukturierungen, Kontenanlegungen, Umfirmierungen oder sonstigen Fragen zu Seller-Konten vorher mit Amazon in Verbindung zu setzen und um Rat zu fragen. Auch ein gelegentlicher Blick in die Richtlinien sollte – selbst von erfahrenen Hasen – immer mal wieder riskiert werden. Denn die Erfahrung zeigt: Bei Richtlinienverstößen kennt Amazon keine Entschuldigung.

 

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