Amazon wirbt für Multi-Channel Versand: Ein Dienst mit Tücken?

Veröffentlicht: 07.08.2014 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 05.10.2015

Das Amazon-Imperium ist viel größer, als der reine Online-Auftritt vermuten lässt. Denn der Konzern hat seine Finger noch bei zahlreichen anderen Projekten, Diensten und Features im Spiel. So bietet Amazon beispielsweise auch einen Multi-Channel-Versand, bei dem Händler die umfassenden Logistikmöglichkeiten des Online-Riesen nutzen und sich auf diesem Wege viel Aufwand ersparen sollen. Doch wie gut macht Amazon seine Arbeit bei diesem Service? Lohnt sich eine solche Auslagerung der eigenen Lagerbestände für Händler? Und welche Nachteile können auftreten?

Amazon Versand: Paket

(Bildquelle Amazon Packaging: Nic Taylor via Flickr.com, ohne Änderungen, bestimmte Rechte vorbehalten)

Amazon Multi-Channel Versand: Logistik für aller Vertriebskanäle

Amazon will die Online-Welt regieren – und zwar auf allen Ebenen. Ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, ein Kunde bestellt beispielsweise in Ihrem Online- oder eBay-Shop und bekommt wenige Tage später die gewünschten Produkte von Amazon geliefert, ohne dass Sie dabei logistische Anstrengungen hatten. Klingt komisch? Wird aber zur Realität, wenn Sie den Multi-Channel-Versand von Amazon in Anspruch nehmen.

Dieser Service ermöglicht es, dass Sie Ihre Lagerverwaltung und -planung an Amazon übertragen und somit einen viel geringeren logistischen Aufwand betreiben müssen. Dabei ist es vollkommen egal, ob Sie ihre Produkte nun über den Amazon Marketplace, andere Online-Marktplätze, einen eigenen Web-Shop, lokale Ladengeschäfte oder sonstige Kanäle verkaufen. Amazon wirbt damit, dass der Multi-Channel-Versand zu steigenden Umsätzen und verbessertem Wachstum führen kann.

E-Mail an Amazon-Händler, Screenshot, Ausschnitt Die übersichtlich gestaltete Marketing-E-Mail, in der Amazon für seinen Multi-Channel Versand die Werbetrommel rührt, nimmt verschiedene Aspekte des Services in den Blick: So verspricht das Unternehmen, dass die Händler „die volle Kontrolle über Ihren Lagerbestand“, die Warenrücksendungen sowie den Kundenservice behalten. Mit diesem Hintergrund können die Händler sich viel intensiver mit anderen Bereichen ihres Unternehmens beschäftigen und beispielsweise ihr Geschäft viel leichter auf internationaler Ebene ausweiten.

Gibt es einen Haken am Amazon Multi-Channel Versand? – Der Service aus rechtlicher Sicht

Auf den ersten Blick klingt eine Auslagerung der Logistik für viele Händler sicher wie eine willkommene Erleichterung und für einige mag dies durchaus auch zutreffen. Doch es gibt auch einige Aspekte, die im Voraus dringend berücksichtigt werden sollten.

„Händler sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie auch weiterhin die entsprechenden Rechte und Pflichten für die von Amazon versendeten Produkte treffen (z. B. muss der Händler ein Gewährleistungsrecht einräumen), soweit der Online-Händler der Vertragspartner bleibt", sagt Yvonne Gasch, Volljuristin beim Händlerbund.

Ein möglicher rechtlicher Stolperstein, der sich beim Multi-Channel Versand von Amazon beispielsweise ergibt, ist der Widerruf. Denn dieser muss der Kunde gegenüber dem Verkäufer und nicht – wie vielleicht die äußere Verpackung nahelegt – gegenüber Amazon erklären. Zu zusätzlicher Verwirrung kann es dann beim Rückversand kommen. Denn natürlich ist dem Händler selbst daran gelegen, dass die retournierten Produkte an Amazon verschickt werden, denn der Konzern kümmert sich schließlich um den Lagerbestand sowie die logistische Verwaltung des Verkäufers.

Obwohl Amazon also die Logistik für den Händler übernehmen soll, ist der Kunde jedoch nicht verpflichtet, die Rücksendung an Amazon zu verschicken. Nach neuer gesetzlicher Regelung kann der Händler zwar Amazon als MÖGLICHEN Rücksendeempfänger einsetzen, jedoch ist diese Option aus Kundensicht vollkommen freiwillig – auch eine Retoure an den tatsächlichen Händler muss berücksichtigt und akzeptiert werden. Darüber hinaus müssen die Kunden über alle (freiwilligen) Rücksendemöglichkeiten in der Widerrufsbelehrung aufgeklärt werden. Wenn ein Händler einen Rückversand an sich selbst ausschließt und auf einen Versand zu Amazon besteht, so ist dies durchaus ein berechtigter Abmahngrund.

Nutzen Händler also den Multi-Channel Versand von Amazon, heißt dies nicht, dass auch die Kunden im Zuge des Widerrufs auf Amazon zurückgreifen müssen. In diesem Fall können für den Anbieter zusätzliche Kosten entstehen, da er die retournierte Ware in einem nächsten Schritt natürlich wieder an den dienstleistenden Konzern weiterversenden muss.

Multi-Channel Versand auch in Bezug auf Fristen schwierig

„Auch praktisch ist die Rücksendung an Amazon bedeutsam, denn der Zeitpunkt des Eintreffens der Rücksendung im Logistikzentrum und der Zustand der Ware haben rechtliche Folgen: z. B. muss die Frist zur Rückerstattung des Kaufpreises eingehalten werden oder ggf. ein Wertersatz erhoben werden. Haben die Händler hier keinen Zugriff ist die Rückabwicklung deutlich erschwert“, meint Juristin Yvonne Gasch weiter.

Darüber hinaus gibt es auch in Bezug auf die Widerrufsbelehrung einige offene Fragen, denn bei anderen Services von Amazon berichteten Händler immer wieder von Problemen: So schreibt Amazon seinen Marketplace-Händlern eine eigene Widerrufsbelehrung vor, wenn diese den Fulfillment-by-Amazon-Service nutzen. In dieser vorgeschriebenen Belehrung setzt sich Amazon als Widerrufsempfänger ein – obwohl hier der Händler selbst Widerrufsempfänger wäre.

Ein solches Vorgehen ist jedoch unzulässig und aus diesem Grund stark abmahngefährdet. Außerdem werden die Kunden nicht über das gesetzlich vorgeschriebene Muster-Widerrufsformular aufgeklärt. Ob es beim Multi-Channel-Versand von Amazon zu ähnlichen Schwierigkeiten kommt, bleibt abzuwarten.

Händler sollten sich also genau überlegen, welche Vorteile sie sich vom Multi-Channel Versand aus dem Hause Amazon erhoffen und welche Nachteile sie bereit sind, einzugehen.

Kommentare  

#3 Mathias 2014-08-08 13:34
Amazon sind nicht die netten die das aus Selbstlosigkeit tun. Ich bin mir sicher Amazon wird die Daten die Sie hierbei gewinnen nutzen um die eigenen Angebote gegen die Händler die das nutzen zu optimieren.
Es gibt Punkte da kommt man heute schon nicht mehr an Amazon vorbei, bei allen wo das noch nicht so ist sollte man diese auch nicht nutzen nach meiner Meinung.
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#2 Reinhard Weidinger 2014-08-08 11:06
Damit ist nur ein Teil erfasst.. vor allem hinsichtlih der Probleme. Wir haben etliche Male den Fall gehabt, das aus den Lagerbestand plötzlich Ware wie von Geisterhand verschwunden ist und nicht mehr im Bestand war. Die Lagerkontrolle ist für den Händler unglaublich schwierig, denn Amazon stellt hier nicht ausreichend übersichtliche Berichte zur Verfügung. Wir haben z.B. letztes Jahr Nov/Dez Ware für rund 10.000 Euro im Amazon Lager verloren. Hätten wir das nicht bemerkt.. wäre es untergegangen.
Das zweite Problem ist die Rücksendung. Amazon erfasst keinerlei Seriennummern, was gerade bei technischen Artikeln eigentlich wichtig ist. Die Kontrolle bei der Rücksendung ist praktisch nicht existent, es werden teilweise auch Waren angenommen die vor 3 Monaten verkauft wurden. So erhält der Händler unter Umständen Geräte zurück die er gar nicht verkauft hat, bei denen Bestanteile fehlen (Stichwort kostenlose Ersatzteilbesch affung) und Gammelgeräte die man sonst nicht zurücknimmt
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#1 Torsten 2014-08-08 10:31
"Ob es beim Multi-Channel-V ersand von Amazon zu ähnlichen Schwierigkeiten kommt, bleibt abzuwarten."

Es gibt Multi Channel Versand seit mehrere JahreN - was bleibt da abzuwarten ?
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