Schreit die Schuh-Branche noch vor Glück? Ein Interview mit Schuhhandel Digital

Veröffentlicht: 14.07.2017 | Geschrieben von: Corinna Flemming | Letzte Aktualisierung: 17.07.2017

Auch der Schuhhandel kann sich der zunehmenden Digitalisierung nicht mehr entziehen. Die Initiative Schuhhandel Digitial möchte diesen Schritt gemeinsam mit Fachhändlern gehen und ihre Erfahrungen weitergeben. Im Interview spricht Marc Bonny von der Initiative über Möglichkeiten und Herausforderungen für Händler.

  © Leszek Czerwonka / shutterstock.com

OnlinehändlerNews: Wie hat sich die Schuh-Branche in den letzten Jahren entwickelt?

Marc Bonny: Unsere Marke softinos gibt es nun seit über 10 Jahren. Damals war schon klar, dass der Kuchen nicht größer werden würde. Discounter, Shoppingcenter, eigene Shops der Marken und schließlich der Online-Handel haben die Branche verändert. Der Claim „Schrei vor Glück oder schick‘s zurück“ hat in der Gesellschaft Schuhe in ein neues Licht gerückt, denn nicht nur die Retourenquoten sind nach oben geschnellt, sondern es haben sich auch die Schuhschränke vergrößert. Schuhe haben einen höheren Stellenwert und sind mehr denn je zum Sammelobjekt geworden.

Welche Veränderungen gab es hinsichtlich der zunehmenden Digitalisierung?

Die Digitalisierung im Schuheinzelhandel verlief lange Zeit sehr langsam. Es gab nie den einen großen Knall und viele haben sich dahinter versteckt, dass die Kunden ja die Schuhe anprobieren wollen. Doch die Strategie des Aussitzens hat überraschenderweise nicht funktioniert. Jetzt geht alles Schlag auf Schlag: Dem Händler stehen erfreulicherweise heute sehr viele Möglichkeiten zur Verfügung und vieles ist bereits mit kleinem Budget umsetzbar. Bestes Beispiel hierfür sind die vielen Angebote des Händlerbundes, die wir aus Überzeugung weiterempfehlen. Derzeit ist das größte Problem, dass die Händler vor lauter Bäumen oft den Wald nicht mehr sehen. Wer weiß - vielleicht war sogar der Händler am besten beraten, der möglichst lange gewartet hat und nun spät aber richtig digitalisiert.

Was wollen die Kunden von heute und morgen? Und wie können die Händler diese Bedürfnisse am besten erfüllen?

Kunden brauchen und wollen heute und morgen schöne Schuhe. Schuhe kaufen macht vielen Menschen Spaß. Doch heute stöbern Kunden nicht mehr nur beim Stadtbummel, sondern eben auch online wann und wo sie wollen. Hier sammeln sie Anregungen und schrauben ihre Ansprüche immer höher. Heute erwartet der Kunde von einem stationären Schuhgeschäft:

  • Auswahl
  • Warenverfügbarkeit
  • Einen Preis, der dem Online-Preis in etwas entspricht
  • Service und Kulanz

Wenn ein Schuhgeschäft diesen Grundnutzen bieten kann, ist er in etwa Chancengleich mit einem Webshop und kann durch fachkundige Beratung, Leidenschaft, Lokalkolorit und Kulanz den entscheidenden Unterschied machen.

Es gilt abgedroschen, aber Service macht immer mehr den Unterschied. Gerade in der digitalen Welt. Denn je mehr Alltagsleben im Internet stattfindet, desto besonderer wird jeder persönliche Kontakt. Bewusstes Shoppen in der Freizeit oder auf Reisen wird in Zukunft immer mehr inszeniert werden.

Welche Rolle spielt Social Media im Schuhmarkt?

Egal ob es online, offline oder beides ist - wir verstehen ein inhabergeführtes Schuhgeschäft als Human Brand. Eine Handelsmarke mit persönlicher Note, der die Kunden vertrauen. Voraussetzung dafür ist immer die Leidenschaft des Inhabers. Und um diese Leidenschaft zum Kunden zu kommunizieren ist Social Media der ideale Kanal. Aber es kommt natürlich auch auf die Zielgruppe an. Bei unserer Bequemschuhmarke softinos haben wir zum Beispiel gemerkt, dass unsere Zielgruppe immer noch bei Facebook und noch nicht bei Instagram ist.

Gab es besondere Überraschungen in der Branche, die Sie so nicht erwartet hätten?

Wir sind im Jahr 2011 mit unserem ersten Webshop für Schuhe der Marke FLY LONDON gestartet und haben seitdem sehr vieles ausprobiert. Im Vergleich zu unserem eigenen Webshop war es ein absoluter Wahnsinn wie viele Bestellungen wir in kürzester Zeit über Marktplätze erhalten haben. Sektkorken knallten. Das war unsere positive Überraschung.

Gleichzeitig mussten wir aber auch immer wieder feststellen, wie willkürlich die großen Plattformen sein können. Wir haben sehr vieles erlebt, das zum Teil sogar geschäftsbedrohend war. Deshalb bemühen wir uns, das Risiko bestmöglich zu verteilen und haben das Projekt Schuhhandel-Digital.de gegründet, um Zusammenarbeit mit möglichst vielen B2B-Partnern im Schuh- und Modebereich neu und insbesondere digital zu gestalten.


Über Marc Bonny:

Marc Bonny (35) ist ein Quereinsteiger in der Schuhbranche. Der Geograf kommt eigentlich aus der Regionalentwicklung und hat dort gerne einmal unkonventionell gedacht und gearbeitet. In der Schuhbranche ist er durch sein Interesse für E-Commerce und Online-Marketing gelandet. Bei Sunny Seasons S.A., einem Distributor für Schuhe MADE IN PORTUGAL, ist er für den Bereich Marketing und Vertrieb zuständig. Aus Überzeugung und Verbundenheit mit dem inhabergeführten Fachhandel wurde die Initiative Schuhhandel-Digital.de gegründet. Das erklärte Ziel: Gemeinsam mit den Fachhändlern zunächst die Herausforderungen der Digitalisierung meistern und dann neue Geschäftsmodelle gemeinsam zu entwickeln.

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