Interview: „Amazon wird es schaffen, die Menschen noch tiefer in sein Ökosystem zu integrieren“

Veröffentlicht: 15.10.2018 | Geschrieben von: Tina Plewinski | Letzte Aktualisierung: 15.10.2018

Lohnt sich für Händler das Vendoren-Programm von Amazon? Wie bedeutend ist externer Traffic für Amazon-Händler? Und worauf sollte in Sachen Marketing geachtet werden? Diese und weitere Fragen haben uns Hakan Han, Gründer der AMZ4brands Konferenz, und Social Media-Experte Karim-Patrick Bannour beantwortet.

Logo von Amazon auf orangefarbenem Grund
© Eric Broder Van Dyke / Shutterstock.com

Kommt man als Online-Händler heutzutage eigentlich noch um Amazon herum? Zugespitzt formuliert: Gibt es ein Händler-Leben ohne Amazon?

Hakan Han: Egal ob als Hersteller, Markenvertreter oder Händler – Amazon ist der größte Online-Shop und Marktplatz in Europa und den USA und auch als Produktsuchmaschine für viele Konsumenten nicht mehr wegzudenken – daher müssen sich Unternehmen überlegen, wie sie mit der Marktdominanz dieses E-Commerce-Giganten umgehen und sie für sich nutzen können.

Es geht hier nicht nur um den konkreten Absatz auf der Plattform, sondern auch darum, wie meine Marke und meine Produkte präsentiert und bewertet werden. Eine Amazon-only-Strategie kann aufgrund der hohen Abhängigkeit von einem einzigen Player genauso gefährlich sein wie eine „Anti-Amazon“-Haltung oder den Kopf in den Sand zu stecken. Eine erfolgreiche Omni-Channel-Strategie verspricht langfristig den größten Erfolg, höchstmögliche Skalierbarkeit und Verfügbarkeit sowie Nähe zu den Kunden und Amazon ist in vielen Fällen ein wichtiger Bestandteil einer solchen Strategie.

Als Hersteller oder Händler stellt sich die Frage: Selbst verkaufen oder Vendor werden? Gibt es hier eine mustergültige Antwort? Wovon ist eine solche Entscheidung abhängig?

Karim-Patrick Bannour: Dazu müssen wir etwas ausholen: Das Amazon Vendor-Programm ist natürlich vor allem für große Marken und Hersteller bequem, weil es auf den ersten Blick der gewohnten und gelernten Handelsbeziehung zwischen Hersteller und Retail entspricht. Der Aufwand scheint verhältnismäßig gering, um auf Amazon präsent zu sein und Produkte verfügbar zu machen.

Außerdem hat das Vendor-Programm nach wie vor noch ein paar kleine Vorteile gegenüber dem Seller-Programm, z. B. was die Verfügbarkeit von Platzierungen von Werbeanzeigen auf Amazon anbelangt. Haben Händler entsprechend gute Einkaufspreise bei Markenprodukten, können auch sie Vendoren werden und diese Vorteile nutzen, und mache tun das auch, wenn auch meist mit einigen wenigen Artikeln. Die Vorteile wurden aber in den letzten Jahren immer weniger, etliche Features, die früher den Vendoren vorbehalten waren, stehen nun auch Sellern zur Verfügung, beide Programme gleichen sich immer mehr an.

Immer mehr Hersteller wiederum möchten die Vorteile des Direktvertriebs nutzen, die Amazon über das Seller-Programm bietet. Vor allem das Thema Preisstabilität (EK und VK) ist ganz oben auf der Liste der Schmerzpunkte vieler Hersteller und Markenvertreter. Das führt dazu, dass das Seller-Programm immer öfter auch parallel zum Vendor-Programm angedacht und sogar aufgesetzt wird. Stolpersteine gibt es dabei aber einige, die der Direktvertrieb mit sich bringt, beispielsweise in der Logistik und in der Rechnungslegung an den Endkunden, die viele Konzerne so noch gar nicht abbilden können.

Umgekehrt entwickeln Händler immer öfter Eigenmarken, um nicht nur stark nachgefragte und von vielen Händlern angebotene Handels- und Markenprodukte anzubieten und nur über den Preis zu verkaufen. Eine Eigenmarke als Einziger auf Amazon anzubieten, aufzubauen und Produkte ohne Mitbewerber am Produktlisting zu einem vernünftigen und stabilen Preis verkaufen zu können, ohne Mitbewerber am Produktlisting, klingt verlockend und haben etliche Händler bereits vorgelebt, ist aber natürlich auch mit entsprechendem Aufwand und der Notwendigkeit von entsprechenden Erfahrungswerten verbunden.

Hakan Han: Um die verschiedenen Möglichkeiten für Hersteller und Händler und deren Vor- und Nachteile aufzuzeigen, haben wir die AMZ4brands-Konferenz ins Leben gerufen, die sich speziell an Hersteller und Händler richtet, die wissen möchten, wie sie ihre Marke über Amazon aufbauen und stärken können.

Wenn Händler ihre Listings intensiv für Amazon optimieren, ist dann überhaupt noch eine Suchmaschinenoptimierung außerhalb von Amazon nötig? Wie wichtig ist externer Traffic?

Karim-Patrick Bannour: Wie überall gilt: Es ist im Idealfall kein Entweder-Oder, sondern im Sinne einer Omni-Channel-Strategie wichtig, jeden relevanten und erfolgsversprechenden und schlussendlich auf Basis der Erfolgsmessung erfolgreichen Kanal zu nutzen. Amazon, Google, Facebook, Pinterest, usw. – die Liste an Plattformen ist lang, es hängt davon ab, welche Zielgruppe man erreichen möchte und zu welchem Zeitpunkt in der Customer Journey: in der Inspirations- oder der konkreten Suchphase? Die Optimierung von Produktlistings auf Amazon ist wichtig, um besser gefunden zu werden bzw. um bessere Conversionrates zu erzielen. Das Keyword-Know-how, das man hier aufbaut, kann man in Teilen auch für Google SEO verwenden und umgekehrt.

Dass externer Traffic auch für Amazon selbst wichtig ist, zeigt sich daran, dass Amazon einer der größten Google Shopping Advertiser ist und mit hohem Volumen Google Adwords schaltet. Amazon-Produktseiten haben auf Google auch im organischen Ranking hohe Positionen, also sind diese Links auch aus Google-Sicht bzw. aus Google-Nutzer-Sicht relevant.

Hakan Han: Da die Möglichkeiten der Optimierung und des Traffics auf Amazon natürlich auch begrenzt sind, sollte man in jedem Fall herausfinden und austesten, wie man qualifizierten externen Traffic auf die Amazon-Produkte bringt. Qualifiziert deshalb, weil ein User, der auf den Amazon-Link klickt und die Produktseite besucht, das Produkt aber nicht kauft, dem Ranking des Produktes nachhaltig schaden kann, wenn das gehäuft vorkommt.

Eine Strategie kann beispielsweise sein, externen Traffic auf eine speziell gestaltete Landingpage zu führen, dort das Produkt mit all seinen Vorzügen und Eigenschaften zu präsentieren und über einen „Bei Amazon kaufen“-Button den wirklich kaufmotivierten User zum Produkt auf Amazon zu führen.

Woraus besteht Ihrer Meinung nach der perfekte Marketing-Mix für Amazon?

Karim-Patrick Bannour: Die Basis ist die strategische Nutzung aller performanceoptimierenden Möglichkeiten, die Amazon für das einzelne Produktlisting bietet, dazu für Markeninhaber die optimale Markenpräsenz z. B. über den Markenshop. Darauf aufbauend effiziente Kampagnen im Advertisingbereich mit Sponsored Ads, Sponsored Brands und nach Verfügbarkeit Product Display Ads. Ergänzend dazu externe Traffic-Kampagnen vor allem auf Facebook, Instagram und Pinterest (und natürlich weitere Plattformen je nach Zielgruppe) mit entsprechenden Maßnahmen zur Qualifizierung des Traffics und der Conversionmessung.

Wird es den Handel auf Amazon auch in 30 Jahren noch geben?

Hakan Han: 30 Jahre ist in Bezug auf Internet und E-Commerce eine Ewigkeit, da kann niemand eine seriöse Prognose abgeben, nicht mal für die nächsten 5 Jahre. Amazon ist ein Ökosystem. Tatsache ist, dass Amazon es geschafft hat, sich in vielen Bereichen des Handels und darüber hinaus zu etablieren und manifestieren, und Amazon wird es schaffen, diese Positionen noch auszubauen, neue Märkte zu erobern, die Menschen noch tiefer in sein Ökosystem zu integrieren, mit Sprachassistenz, künstlicher Intelligenz, neuen Logistiklösungen aus eigenem Hause, usw.


Foto von AMZ4brands-Gründer Hakan Han

Bereits vor Abschluss seines Studiums erlangte Hakan Han durch das Consulting renommierter Unternehmen wie der Siemens AG oder Allianz Global Investors KAG ein umfassendes technisches Verständnis. Als Diplom-Volkswirt spezialisierte er sich anschließend auf den Bereich Digital Marketing & Business Intelligence und konnte seine Führungskompetenz bei namhaften Unternehmen unter Beweis stellen. 2017 hat er die Beratungsagentur für Touchpoint-Management touch361.org in München gegründet. Die AMZ4brands Konferenz (ein Konferenzformat der Social Conference) wurde 2018 von Hakan Han ins Leben gerufen: Sie findet am 6. und 7. November 2018 auf der Amazon Konferenz in München statt.

MarktPlatz1-Gründer Karim-Patrick Bannour

Karim-Patrick Bannour ist Gründer und Geschäftsführer der österreichischen Social Media-Agentur viermalvier.at. Er unterstützt mit seinem Team zahlreiche Unternehmen und Organisationen in Social Media Marketing. Gemeinsam mit Anne Grabs und Elisabeth Vogl hat der den Social Media Marketing-Bestseller “Follow me! – Erfolgreiches Social Media Marketing” bei Rheinwerk Verlag geschrieben. 2016 hat er die Amazon-Agentur “MarktPlatz1” gegründet und unterstützt mit dem mittlerweile 20-köpfigen Team Hersteller und Händler beim erfolgreichen Verkauf auf Amazon.  

Über die Autorin

Tina Plewinski
Tina Plewinski Expertin für: Amazon

Bereits Anfang 2013 verschlug es Tina eher zufällig in die Redaktion von OnlinehändlerNews und damit auch in die Welt des Online-Handels. Ein besonderes Faible hat sie nicht nur für Kaffee und Literatur, sondern auch für Amazon – egal ob neue Services, spannende Technologien oder kuriose Patente: Alles, was mit dem US-Riesen zu tun hat, lässt ihr Herz höherschlagen. Nicht umsonst zeigt sie sich als Redakteurin vom Dienst für den Amazon Watchblog verantwortlich.

Sie haben Fragen oder Anregungen?

Kontaktieren Sie Tina Plewinski

Schreiben Sie einen Kommentar

Newsletter
Abonnieren
Bleibe stets informiert mit unserem Newsletter.