"Es ist nicht immer besser, wenn der Kunde die Retourenkosten trägt"

Veröffentlicht: 10.06.2014 | Geschrieben von: Giuseppe Paletta | Letzte Aktualisierung: 21.10.2014

Lohnt es sich Retourenkosten an die Kunden weiterzugeben? Vor dieser Frage werden spätestens ab dem 13. Juni 2014 durch die Verbraucherrechterichtlinie Online-Händler stehen. Bislang geben drei Viertel der Online-Händler an, kostenlose Retouren beibehalten zu wollen, wie eine Studie des Händlerbundes erst kürzlich ergab. Ein Online-Kalkulator könnte Online-Händlern bei ihrer Entscheidung helfen. Was er kann und warum man ihn braucht, erklärt Siham El Kihal von der Goethe Universität Frankfurt im Interview.

Kann ich meine Retourenkosten weitergeben?

(Bildquelle Berechnung: Lisa S. via Shutterstock)

Onlinehändler-News: Durch die Verbraucherrechterichtlinie können Online-Händler die Kosten für Retouren und Versand an Ihre Kunden weitergeben. Nicht wenige Medienberichte behaupten, dass sei der Anfang vom Ende des Online-Handels. Wie stehen Sie dazu?

Siham El Kihal: Der Online-Handel ist mittlerweile ein wichtiger Bestandteil des Alltags vieler Verbraucher geworden und wird es mit Sicherheit auch bleiben. Die neuen BITKOM-Zahlen zeigen wieder, dass der Online-Handel in Deutschland beliebter ist denn je. Über 50 Millionen Deutsche kaufen bequem online weil sie mehr Auswahl haben, Preise vergleichen können und nicht an Öffnungszeiten gebunden sind. Die neue EU-Verbraucherrichtlinie gibt Händlern in Deutschland lediglich die Möglichkeit, auch Retouren für Produkte über 40 Euro für den Kunden kostenpflichtig zu machen. Online-Händler müssen dann selbst entscheiden, inwieweit sie diese neue Möglichkeit als Chance nutzen können, um die richtigen Anreize zu setzen und ihre Retourenquote zu senken. Die Einführung von Retourenkosten wäre eine Möglichkeit, diejenigen Kunden die höhere Kosten verursachen einen Teil davon tragen zu lassen. Denn ohne kostenpflichtige Retouren zahlen im Endeffekt alle Kunden – indirekt durch höhere Preise – die Kosten die durch Produktretouren entstehen.

Sie haben einen kostenlosen Kalkulator entwickelt, der Online-Händler „berät“, ob es für sie besser ist Retouren- und Versandkosten weiter selbst zu tragen, oder an die Kunden weiterzugeben. Aber ist es per se nicht automatisch besser, wenn der Kunde die Kosten trägt?

In manchen Fällen macht es durchaus Sinn, die Retourenkosten an die Kunden weiter zu geben. Ein Beispiel hierfür wären Online-Händler, die Produktkategorien mit einer niedrigen Marge vertreiben. Denn hier führt sogar eine niedrige Retourenquote dazu, dass der Gewinn schnell sinkt. Hier könnte der Händler einen Teil der entstehenden Kosten vom Kunden tragen lassen.

Generell kann man allerdings nicht verallgemeinern dass es immer besser ist, wenn der Kunde die Retourenkosten trägt. Die Entscheidung über die Einführung von Retourenkosten ist nicht trivial. Dafür haben wir den Retourenkosten-Kalkulator entwickelt. Er hilft Unternehmen dabei, mehrere Effekte gegeneinander aufzuwiegen und dementsprechend eine geeignete Entscheidung zu treffen: Auf der einen Seite bedeuten kostenpflichtige Retouren weniger Verluste für den Händler durch Retouren. Auf der anderen Seite könnte es sein, dass die Einführung von Retourenkosten dazu führt, dass weniger Kunden bestellen. Der Kalkulator zeigt dem Händler, wie stark seine Bestellungen zurückgehen dürfen, bevor sich die Einführung von kostenpflichtigen Retouren nicht mehr lohnt. Außerdem werden auch kostenloser bzw. kostenpflichtiger Versand mit berücksichtigt, so dass der Händler die Möglichkeit hat, diverse Szenarien zu vergleichen und somit eine besser fundierte Entscheidung zu treffen.

Können Sie ein Beispiel dafür geben, wann es sich für einen Online-Händler nicht lohnt, die Kosten an Kunden weiterzugeben?

Ein Beispiel wäre der Fall von einem Online-Händler, der keine besonders hohe Retourenquote hat und befürchtet, dass durch die Retourenkosten die Nachfrage doch sehr stark zurückgehen wird. Hier wäre eine Einführung von Retourenkosten nicht empfehlenswert. Ein weiteres Beispiel wäre ein Online-Händler mit einer hohen Marge und niedrigen Prozesskosten einer Retoure. Der Händler kann in diesem Fall ein rentables Geschäft haben ohne Einführung von Retourenkosten, selbst wenn die Retourenquote etwas höher liegt.

Generell hängt aber die Entscheidung über Einführung von Retourenkosten von vielen Faktoren ab, vor allem aber von der Retourenquote und Marge des Online-Händlers. Der Retourenkosten-Kalkulator zeigt dem Händler, wie stark die Nachfrage sich verändern darf, bevor sich die Einführung von kostenpflichtigen Retouren nicht mehr lohnt. Die Händler können dann das für verschiedene Szenarien berechnen lassen und schauen wie sich die Ergebnisse ändern.

Große Online-Händler wie Otto, Amazon oder Zalando haben bereits angekündigt, die Kosten nicht an ihre Online-Kunden weitergeben zu wollen. Würde der Retourenkosten-Kalkulator diesen Händlern womöglich empfehlen, die Kosten vielleicht doch an die Kunden weiterzugeben?

Händler mit hohen Retourenquoten oder niedrigen Margen – und dazu gehören vermutlich auch Otto, Amazon und Zalando – können mit der Einführung kostenpflichtiger Retouren ihren Gewinn u.U. deutlich steigern, das zeigt unser Kalkulator. Am Ende müssen sich die Händler entscheiden, wie wichtig ihnen ihr Gewinn ist. In einigen Fällen werden

Unternehmen sicherlich das kurzfristige Wachstum über den Gewinn stellen und Retouren kostenlos anbieten. Spätestens wenn das Wachstum abflacht, werden jedoch die meisten Händler ihre Entscheidungen noch einmal überdenken müssen.

Sihal El-Kihal erklärt den Retouren-Rechner.

Über Siham El Kihal

Siham El Kihal nimmt am PhD Programm an der Goethe Universität Frankfurt teil und ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Electronic Commerce. In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich vor allem mit dem Management von Produktretouren und untersucht problematische Kunden und Produkte im Online-Handel.

Kommentare  

#1 Hans-Willi Plogmann 2014-06-11 15:10
Wir sollten den Handel so betreiben wie es seit Jahren beim Katalogkauf für Händler gilt. Der Hin- und Rückversand trägt immer der Käufer. Bei Bekleidung kann dies auf einen Anteil beim Rückversand beschränkt werden. Was soll die die Frage Privatkunde? Es leitet nur zum Betrug an. Gekauft wird privat aber die Rechnung soll dann auf eine Firmierung lauten. Es sollte verboten werden mit kostenfreiem Versand zu werben. Das ist Betrug! Diese Kosten gehen dann in die Kalkulation zum Preis ein. Privatkunden kennen den Vorgang nicht. Der Kunde zahlt den hin und Rückversand , auch wenn es nur ein Anteil ist. Große Versandhäuser machen den Gewinn. Sie können einen eigenen Fuhrpark aufbauen oder erhalten solch günstige Konditionen die ein Kleinunternehme n nie bekäme. Dort wo Versandkosten angegeben werden kann ich günstig eine größere Menge kaufen. Lassen Sie wieder einen Mindesteinkaufs wert von 20 bis 40 EURO zu.
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