Alexander Graf im Interview: „Der Möbelhandel steht durch das Internet vor grundlegenden strukturellen Veränderungen“

Veröffentlicht: 07.03.2013 | Geschrieben von: Redaktion | Letzte Aktualisierung: 08.03.2013

Im Vergleich zu anderen Geschäftsbereichen weist die Möbelbranche im Internet zahlreiche Besonderheiten auf. Der E-Commerce-Experte Alexander Graf untersuchte kürzlich den aktuellen Online-Möbelmarkt in einer Analyse. Im Interview erläutert er, wie kleine Händler gegen die große Konkurrenz bestehen können und warum er Multichannel nicht für ein Patentrezept hält.

Herr Graf, Sie haben kürzlich eine Analyse zum Online-Möbelhandel veröffentlicht. Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Erkenntnis daraus für Online-Händler in der Möbelbranche?

Der Möbelhandel steht durch das Internet vor grundlegenden strukturellen Veränderungen, aber durch die Art der Produkte mit seinen logistischen Herausforderungen und den fehlenden Möbelmarken, lassen sich nur wenige Erkenntnisse aus anderen Online Branchen, wie z.B. Technik oder Mode, übertragen. Die aktuellen Online-Händler profitieren noch davon, dass die stationären Möbelhändler und Verbände bisher extrem zögerlich reagiert haben. Das ändert sich in den nächsten Jahren aber, so dass insbesondere wenig profilierte Online-Händler einiges tun müssen, um für die Online Kunden weiterhin relevant zu bleiben.

In der Analyse beschreiben Sie Home24 als Branchenprimus. Wie können Betreiber kleinerer Shops gegen den großen Konkurrenten bestehen? Welche Entwicklung erwarten Sie für den Online-Möbelmarkt?

Noch ist Home24 ein Experiment. Es ist aus meiner Sicht noch überhaupt nicht klar, ob das Konzept analog zu Zalando bestehen kann. Sollte Home24 als Geschäftsmodell funktionieren gibt es für kleinere Online Shops, die als Händler fungieren nur wenige Möglichkeiten. Spezialisierung auf Nischen wäre z.B. eine davon. Grundsätzlich wird der Umsatz mit Möbeln über online ausgelöste Bestellungen steigen. Davon profitieren vor allem Unternehmen, die ihre Möbel online verfügbar machen. Ob das dazu führt, dass wir in 10 Jahren weniger der 50.000m² Möbelhäuser sehen, ist noch unklar.

Der stationäre Handel begreift Showrooming als Gefahr und Multichannel gilt als Chance für die Ladengeschäfte. Sie sagen aber, dass beide Phänomene auch andere Seiten haben. Können manche Händler vom Showrooming profitieren, während Multichannel für Sie vollkommen unrentabel ist?

Multichannel muss nicht unprofitabel sein. Ich sage nur, dass es keine „Strategie“ ist. Umsatzeinbrüche auf der einen Seite lassen sich nicht durch das Angebot weiterer Bestellkanäle wettmachen. So wird Multichannel aber oft beworben. „Der Kunde kauft auf allen Kanälen. Seien auch Sie mit Ihren Angeboten auf allen Kanälen.“ Das halte ich für Schwachsinn. Es ist aber dann sinnvoll, wenn das entsprechende Geschäftsmodell bzw. Angebot vorliegt. Bei Showrooming verhält es sich ähnlich. Natürlich gibt es den Mediamarkt Case bei dem sich Kunden vor Ort über ein Produkt schlau machen und dann online billig kaufen. Und Händler die in einem ähnlichen Wettbewerb stehen haben zu Recht Angst vor Showrooming. Aber insbesondere im Möbelbereich gibt es dadurch mehr Chancen als Risiken. Die Produkte sind oft schwer vergleichbar, oft auch recht kostspielig und die Kunden wissen manchmal gar nicht so genau was sie wollen. In diesem Fall könnte auch der Online Handel das Nachsehen haben, weil sich Kunden „nur“ inspirieren lassen für den stationären Einkauf.

Sie sprechen von einer „Machtverschiebung hin zum Kunden“, und zwar nicht nur im Online-Möbelhandel, sondern in allen Branchen mit „internetökonomischen Effekten“. Wie müssen kleine Online-Händler vorgehen, um den resultierenden Herausforderungen gerecht zu werden?

Sie müssen einen USP entwickeln der über die Aggregation und Bereitstellung von Ware hinausgeht. Wenn Händler schon jetzt nur der Tresen für den Kaufabschluss sind, weil sie z.B. das aktuell günstigste Produkt anbieten, dann wird das in Zukunft nicht mehr ausreichen. Viele USPs gibt es allerdings nicht auf die man sich spezialisieren kann. Das kann ein exklusives Sortiment sein, das ist vielleicht das Thema Beratung, aber es ist wenig ratsam seinen USP beim Thema Shoptechnologie, SEM, SEO oder Facebookmarketing zu suchen.

Würden Sie manchen Händlern gänzlich vom Schritt in den E-Commerce abraten?

E-Commerce kann vieles bedeuten. Ob dabei am Ende ein Shop steht oder nicht, ist aus meiner Sicht erst einmal offen. Viele Händler unterschätzen die Komplexität aus dem E-Commerce völlig, aber grundsätzlich macht es Sinn für sie nach Möglichkeiten zu suchen ihre Ware auch online zu vertreiben bzw. online Kunden zu gewinnen, die dann stationär kaufen. Sollte deshalb ein kleiner Teeladen versuchen mit einem Onlineshop erfolgreich zu sein? Wahrscheinlich nicht.
Für alle, die weitere Informationen zum Online-Möbelbranche wünschen, stellen wir hier die vollständige Analyse von Alexander Graf zu Verfügung.

 

("Der Online-Möbelhandel" von Alexander Graf / © Alexander Graf )

Über Alexander Graf

Alexander Graf hat für die Otto Group gearbeitet und dort neue E-Commerce Geschäftsmodelle bewertet und konzipiert. Er hat unter anderem den Ankauf von limango.de betreut und den Aufbau einer Forschungseinheit im Bereich Online-Marketing geleitet.

Seit 2011 ist er als Gründer und Geschäftsführer für die eTribes Framework GmbH tätig und berät Unternehmen aus den Bereichen Handel, Medien und Pharma bei der Umsetzung Online Geschäftsmodellen. Ein großes Aufgabenfeld bei eTribes ist zudem der Aufbau eigener Online-Geschäftsmodelle, in denen Alexander Graf auch selber operative Aufgaben übernimmt und damit wieder zu seinen Gründerwurzeln zurückkehrt.

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