Wie sieht es eigentlich in einem Lager einer Online-Apotheke aus und wie meistert man dort die Logistik? Im Interview haben wir mit Kubilay Tulu, Geschäftsführer von Eurapon, einer der zehn größten Versandapotheken Deutschlands gesprochen. Er verriet uns, warum sein Unternehmen eine geringe Retourenquote hat, worauf es in der Logistik ankommt und was der Gesetzgeber bislang versäumt hat.
(Bildquelle Apotheke: Holger Luck via fotolia.com)
Logistik-Watchblog: Welche Herausforderungen bestehen in der Logistik einer Online-Apotheke?
Kubilay Talu: Im Grunde genommen unterscheidet sich die Logistik einer Online-Apotheke nicht von anderen Online-Unternehmen, die mit Ware handeln. Das besondere an einer Online- Apotheke ist, dass wir mit Arzneimitteln handeln. Nicht nur, dass das Inverkehrbringen von Arzneimittel vom Gesetzgeber stark reglementiert sind (Apothekenbetriebsordnung, Arzneimittelgesetz usw.), sondern, dass bei der Bestellung von Arzneimittel auch viele Aspekte berücksichtigt werden müssen, die entweder den persönlichen Gesundheitszustand des Patienten betreffen und/oder die Wechselwirkung der Arzneimittel untereinander, oder mit anderen Stoffen.
Ich sage auch bewusst Patienten, denn das ist ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zu anderen Unternehmen. Daher wird ein großer Aufwand betrieben um alle Risiken im Vorfeld zu erkennen. Hierfür wird größtenteils Software eingesetzt und dennoch braucht eine Versandapotheke eine Menge Mitarbeiter mit einer pharmazeutischen Qualifikation. Die Herausforderung für eine Software besteht insbesondere darin, die ca. 350.000 Artikel in der ABDA-Datenbank im Artikelstamm zu berücksichtigen und die Parameter, die ein gesundheitliches Risiko für den Patienten darstellen könnten im Vorfeld abzugreifen und das Risiko zu minimieren.
Dennoch kommt auch eine Software bei dieser Prüfung an ihre Grenzen und dann muss noch ein Apotheker drüberschauen und die von der Software anhand der Parameter getroffene Entscheidung bestätigen oder revidieren. Erschwerend kommt hinzu, dass bei jedem Rezept, das zu Lasten einer gesetzlichen Krankenkasse verordnet wird, geprüft werden muss, ob das Medikament auch zu Lasten der Krankenkasse abgegeben werden darf, oder die betroffene Krankenkasse einen Rabattvertrag mit einem anderem Hersteller hat der ein äquivalentes Produkt anbietet. Wenn all diese Unklarheiten geklärt sind darf eine Bestellung erst für den Beschaffungs- und Kommisionierprozess freigegeben werden. Danach ist alles wie bei anderen Online-Unternehmen auch. Bis auf die Tatsache, dass die Bestellungen die ein Rezept beinhalten nochmal von Apothekern geprüft werden.
Logistik-Watchblog: Sie verschicken pro Woche 14.500 Pakete und gehören zu den zehn größten Versandapotheken Deutschlands. Wie organisieren Sie da die Waren in Ihrem Lager?
Kubilay Talu: Das Warenlager ist chaotisch sortiert und es weicht hier sicherlich von einer klassischen Apotheke ab. Während die klassische Apotheke in der Regel das Alphabet als Grundlage benutzt, um die Arzneimittel im Lager zu sortieren und zu lagern, haben wir ein chaotisches Lager. Die Produkte werden nach Absatzmengen sortiert, sodass ein Mitarbeiter im besten Fall die Artikel die am häufigsten kommisioniert werden, nah am Kommissioniergang und in der Regel in Griff- und Sichthöhe lagert. Während Artikel die eine geringere Absatzmenge haben und daher auch seltener kommisioniert werden, am Ende einer Regalzeile,die unterste Regalzeile und/oder die oberste Regalzeile als Lagerplatz zugeordnet bekommen. Dieser Lagerort ist nur solange zugeordnet, solange da noch Ware drin ist. Wenn der letzt Artikel aus der Regalzeile entnommen wird, kann es sein, dass für den Nachschub ein andere Lagerort zugeordnet wird.
Logistik-Watchblog: Wie handhaben Sie es mit Retouren, gibt es bei Medikamenten hohe Retourenquoten?
Kubilay Talu: Hier bin ich tatsächlich froh, dass wir Arzneimittel versenden. Wir haben eine Retourenquote, die weit unter 1 Prozent liegt. Nichtsdestotrotz ist jede Retoure ärgerlich und wir arbeiten ständig daran diese Quote zu verbessern.
Logistik-Watchblog: Was sollte Ihrer Meinung nach in den Logistikprozessen in Deutschland noch verbessert werden, vielleicht auch in Bezug auf den Handel mit Medikamenten?
Kubilay Talu: Die Logistikprozesse in Deutschland funktionieren hervorragend. Jede Apotheke kann einen erheblichen Teil der Arzneimittel innerhalb weniger Stunden über den pharmazeutischen Großhandel beziehen und dem Patienten zur Verfügung stellen. Das größere Problem für uns Online-Apotheken ist es allerdings, wenn ein Patient eine Rezeptbestellung tätigen möchte. Hierzu muss das Rezept laut Gesetzgeber (was auch sinnvoll ist) im Original bei uns vorliegen, damit wir es versenden können. Dies dauert natürlich zusätzlich 1-2 Tage. Dieses Problem könnte mit einem elektronischen Rezept behoben werden. Seit mehreren Jahren wird in Deutschland versucht ein elektronisches Rezept zu entwickeln.
Wenn das Konzept umgesetzt werden würde, würde dadurch ein Rezept binnen Sekunden bei uns vorliegen und könnte auch noch am gleichen Tag beschafft und verschickt werden. Es würde auch ein zusätzlicher Aspekt der Arzneimittelsicherheit dazukommen, da man bei einem elektronischem Rezept, die verordneten Medikamente auf Wechselwirkungen und andere Unplausibilitäten prüfen könnte mit Medikamenten die der Patient in der Vergangenheit bekommen hat. Auch besondere gesundheitliche Merkmale könnten berücksichtigt werden. Aber wie bei vielen Dingen, die einfach erscheinen gibt es hier ein paar Hindernisse. Zum einen geht es um Datenschutz/Datenmissbrauch und zum anderen geht es um die Datenhoheit. Jeder der Beteiligten im Gesundheitswesen beansprucht diese für sich und leider konnte bis heute noch kein fertiges Konzept präsentiert werden.
Über Kubilay Talu:
Kubilay Talu ist Apotheker und seit 2008 Inhaber der Versandapotheke Eurapon. Als Mitarbeiter der Euro Apotheke in Bremen hat er bereits seit 2001 die Entwicklung des Unternehmens begleitet und entscheidend mitbestimmt. Aktuell verschickt Eurapon durchschnittlich mehr als 15.000 Pakete pro Woche und zählt zu den zehn größten Versandapotheken Deutschlands. Zum Unternehmen zählen außerdem noch zwei stationäre Apotheken sowie ein Labor, in dem Zytostatika (Krebsmedikamente) hergestellt werden.
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