Das zweite Whitepaper der Schriftenreihe „Future Challenges in Logistics and Supply Chain Management“ des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) beschäftigt sich mit den Veränderungen der Arbeitsplätze in der Kommissionierung durch die zunehmende Digitalisierung.
Wie schnell sich die Welt dank der Digitalisierung verändert, erleben wir alle am eigenen Leib. Dabei gehören die Logistik und besonders logistische Systeme zu den Vorreitern bei der Einführung von Industrie 4.0. Mit der Digitalisierung geht ein Paradigmenwechsel in der Interaktion zwischen Mensch, Technik und Arbeitsumgebung einher, was eine Vernetzung der virtuellen und physischen Welt ermöglicht und neue Formen der Kooperation zwischen Menschen und Systemen schafft.
Durch den technischen Fortschritt, den die Digitalisierung bringt, verändern sich jedoch auch die Belastungen für die Arbeitnehmer. Die Zunahme der Komplexität und des Zeitdrucks sind dabei nur zwei Faktoren. Nach Ansicht der Whitepaper-Autoren vermehren sich die Hinweise, „dass eine Zunahme an Informationen, Veränderungen der Informationsstrukturen sowie die Menge und Geschwindigkeit der Entscheidungen auf Basis dieser Informationen zu psychischen Fehlbelastungen des Menschen führen“.
Mensch als Hauptfaktor des zu gestaltenden Systems
Gerade in der Intralogistik und speziell in der Kommissionierung werden zunehmend immer mehr automatisierte Systeme eingesetzt. Allerdings stand bisher kaum die Frage nach einer human zentrierten und ergonomischen Gestaltung von Arbeitsumgebungen und Arbeitsprozessen im Fokus. Dabei hat sich in der Kommissionierung in den letzten Jahren vieles verändert: Papiergebundene Prozesse (Pick-by-Paper) nehmen ab, während der Einsatz von elektronischen Hilfsmitteln wie z.B. Handscannern, Pick-by-Light, Pick-by-Voice oder Pick-by-Vision stetig zunimmt.
Um herauszufinden, wie sich die technischen Entwicklungen auf die Kommissionierer auswirken, setzt die Forschung auf Erkenntnisse der kognitiven Psychologie und der Arbeitspsychologie. Dabei befasst sich die kognitive Ergonomie generell mit dem Verständnis der Wechselwirkungen zwischen menschlichen Informationsverarbeitungsprozessen und anderen Elementen eines Systems. Laut der Whitepaper-Autoren ist es das Ziel der Ergonomie, „die menschliche Unversehrtheit sicherzustellen sowie die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems Mensch-Technik zu optimieren“, weshalb der Mensch als Hauptfaktor und integraler Bestandteil des zu gestaltenden Systems und der Arbeitsabläufe angesehen wird.
Um Zusammenhänge zwischen Belastungsfaktoren und dem Ausmaß psychischer Belastung zu ermitteln, setzt man bei der kognitiven Ergonomie auf spezifische Methoden wie Befragungen, Erfassen von Arbeitsumgebungsfaktoren und körperlichen Belastungen, Usability- und User-Experience-Untersuchungen sowie experimentelle Methoden.
Wearables können zum Monitoring verwendet werden
Um die Arbeitsbedingungen der Kommissionierer im Spannungsfeld der Digitalisierung besser verstehen und einordnen zu können, müssen nach Ansicht der Autoren ergonomische Aspekte zum Schutz des Mitarbeiters vor Fehlbelastung mehr Beachtung finden. Gerade psychische Fehlbelastungen werden jedoch häufig nur im Kontext von Effizienzsteigerung diskutiert und „weniger als mögliche Ressource zur Reduktion von psychischer Belastung in Betracht gezogen“.
Erst wenn Belastungssituationen in der Kommissionierung frühzeitig erkannt und die individuelle Beanspruchung beurteilt wird, können „präventive oder gar prospektive Maßnahmen ergriffen werden, um die Belastung am entsprechenden Kommissionier-Arbeitsplatz von vornherein optimal zu gestalten“. Als Hilfsmittel zur Belastungs- und Beanspruchungsanalyse durch digitalisierte Arbeitsumgebungen führen die Whitepaper-Autoren aus, dass Wearables durchaus für das Monitoring von körperlicher und psychischer Belastung genutzt werden können. Jedoch verweisen sie dabei auf die zu beachtenden ethischen, sozialen und rechtlichen Aspekte.
Das vollständige Whitepaper „Kognitive Ergonomie in der Intralogistik“ kann hier kostenfrei heruntergeladen werden. Eine Zusammenfassung des ersten Whitepapers „Prozesse durch Digitalisierung nachhaltig optimieren“ lesen sie an dieser Stelle.
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