In den kommenden Wochen könnten Europas Häfen mit Containern aus Fernost regelrecht geflutet werden. Aufgrund der Coronakrise und der geringen Kauflaune sind die Lager allerdings schon rappelvoll, ein erheblicher Container-Stau droht.
„Erst bleiben die Warenströme aus Asien aus, jetzt kriegen wir zu viel“ – So fasst Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik, das Problem kurz und knapp zusammen. Schon bald könnte es in Europas Häfen zu einer wahren Container-Flut kommen, Schuld ist die Coronakrise und deren zeitlich verschobene Auswirkungen. Mitte Februar lag Chinas Logistik still, das Land befand sich in der Hochzeit der Coronakrise. Da keine Waren mehr aus Fernost geschickt wurden, kam es in Europa zu Engpässen bei bestimmten Produkten. Ende Februar bis Anfang Mai dann das Intermezzo: Die Betriebe in China nahmen ihre Arbeit wieder auf, europäische Unternehmen bestellten Waren in großem Stil. Allerdings trafen die Lockdown-Bestimmungen kurze Zeit später auch die europäischen Länder.
„Jetzt kommen die Bestellungen von Ende Februar hier an – aber die Importeure haben noch massenhaft Ware in ihren Lagerhäusern, die sie in den letzten Wochen nicht verkauft haben“, erklärt Lars Jensen, Chef des Kopenhagener Analysehauses Sea Intelligence, das Dilemma gegenüber dem Spiegel. „Wenn die Lager voll sind, was mache ich dann mit weiteren 50 Containern? Wohin bringe ich das Zeug?"
Abstellflächen für Container gesucht
Die Befürchtung ist nun, dass viele Unternehmen ihre Waren nicht abholen und sich die Container entsprechend in den Häfen stauen. Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) bereitet sich auf ein solches Szenario bereits vor. „Um ihren Versorgungsauftrag […] zu erfüllen, wenn es zu Staus bei der Abholung von Containern im Hamburger Hafen kommen sollte, begutachtet die HHLA derzeit Flächen außerhalb ihrer Anlagen“, bestätigt ein Unternehmenssprecher gegenüber dem Spiegel. Der Hamburger Terminalbetreiber arbeitet an einem schnellen Container-Durchlauf, was sich in der aktuellen Krise allerdings als Herausforderung darstellt. „Um zu vermeiden, dass die Auslastung unserer Lager auf den Terminals die Kapazitätsgrenze übersteigt und es zu kilometerlangen Lkw-Staus auf den Hafenstraßen kommt, erarbeiten wir vorsorglich ein Flächenkonzept.“
Eine solche Fläche zu finden, dürfte allerdings nicht leicht sein. Sie muss sich in Hafennähe befinden, gut für Lkw zu erreichen sein, einen festen Untergrund haben, wohl größer als ein Fußballfeld sein und dennoch leichten Zugang zu den einzelnen Containern gewährleisten.
Großer Überfluss an Kleidung
In den Häfen kommen nun auch verstärkt Waren an, die überhaupt nicht benötigt werden, so die Prognose von Frank Huster. Das betrifft vor allem Modeartikel. „Der textile Einzelhandel ist zusammengebrochen, auch online funktioniert er nicht gut“, erklärt Michael Reink, Bereichsleiter Standort und Verkehrspolitik beim Handelsverband Deutschland (HDE). „Die Warenlager sind voll, die Geschäfte sind voll.“ Nun stapeln sich also nicht nur die Kleidungsstücke in den Geschäften und Lagern, sondern bald auch in den Häfen. Um den Überfluss an den Kunden zu bekommen, geht Michael Reink von Rabatten aus, die Händler künftig anbieten werden.
Lange wird die Container-Flut allerdings wohl nicht anhalten. Während des Lockdowns wurde wenig aus Asien bestellt, die Corona-Schwemme wird also bald wohl wieder abflauen.
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