Die weltweiten Belastungen der Lieferketten durch den Krieg in der Ukraine und Abriegelungen in China lassen große Unternehmen bei Einkäufen vorsichtiger werden.
Corona-Pandemie und die geopolitischen Entwicklungen bedeuten Einschnitte für die hiesige Wirtschaft. Die weltweiten Transaktionen zwischen Einkäufern und Lieferanten – also die Anzahl an Rechnungen und Bestellungen – seien innerhalb der ersten drei Monate dieses Jahres hinter den Prognosen zurückgeblieben, im Euroraum war dieser Rückgang doppelt so hoch. Das ergab eine Analyse des Kreditorenbuchhaltungsunternehmens Tradeshift.
Des Weiteren nahm das Auftragsvolumen für Lieferanten aufgrund einer Mischung aus hoher Inflation, längeren Lieferzeiten und Engpässen bei wichtigen Komponenten ab. Die Auftragseingänge seien so stark zurückgegangen, wie in den ersten Lockdown-Phasen 2020.
Unternehmen halten Geldreserven zurück
Tradeshift stellte zudem fest, dass Firmen in dieser problematischen Zeit verstärkt ihre finanziellen Reserven zusammenhalten. Das zeigt sich an der Anzahl der verspäteten Lieferantenzahlungen. Der Anteil verspäteter Zahlungen lag in den letzten sechs Monaten bei durchschnittlich 15,9 Prozent des Gesamtvolumens – doppelt so viel, wie in den sechs Monaten vor der Pandemie.
„Der Aufbau von Bargeldreserven mag wie ein Akt der Selbsterhaltung seitens der Einkäufer erscheinen. Er kann aber schnell zu einem Akt der Selbstverletzung werden, wenn die Lieferanten zu kämpfen beginnen. Große Unternehmen müssen aufhören, Lieferanten als billige Kreditlinie zu betrachten“, kritisiert Christian Lanng, CEO und Mitbegründer von Tradeshift anhand der Untersuchungsergebnisse. „Stattdessen sollten sie anfangen, nach Finanzierungsoptionen zu suchen, die sowohl sie selbst als auch ihre Lieferanten in einem hochvolatilen Umfeld zahlungsfähig halten."
Fokus auf lokale Lieferketten?
Angesichts des lokalen Drucks auf die weltweiten Lieferketten steht im Raum, dass sich Firmen verstärkt auf nähere Produktionsstätten fokussieren – unter anderem die Unternehmensberatung McKinsey hatte festgestellt, dass beispielsweise in der Modebranche und im Gesundheitswesen vermehrt auf Nearshoring gesetzt werde.
Doch sei von Unternehmen nun vor allem Flexibilität gefragt, so Lanng: „Das Jahr 2022 hat ein neues Kapitel in einem Zeitalter der Unsicherheit für den Welthandel aufgeschlagen. In dieser neuen Realität werden Rückstände und Pannen zur neuen Normalität, während Konnektivität, Transparenz und Agilität eher grundlegende Betriebsprinzipien als vage Ambitionen sind. Die Globalisierung mag zwar auf dem Rückzug sein, aber die Widerstandsfähigkeit wird davon abhängen, dass die Lieferketten vernetzter, vielfältiger und kollaborativer werden als je zuvor.“
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