Die Auswirkungen des Lkw-Kartells ziehen weite Kreise. Neben den über 200 mittelständischen Speditionen will nun auch die Bahn-Logistiktochter DB Schenker Schadensersatzforderungen gegenüber den Lkw-Kartells-Teilnehmern geltend machen. Bereits im Juli 2016 verhängte die EU-Kommission eine Strafe in Höhe von 2,93 Milliarden Euro gegen die Lkw-Hersteller.
Vytautas Kielaitis / Shutterstock.com
Lkw-Kartell: Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe
„Wir werden selbstverständlich unser Recht auf Schadenersatz geltend machen, da die vom Kartell verursachten Schäden ausgeglichen werden müssen“, erklärte Bahn-Rechtsvorstand Ulrich Weber dieser Tage gegenüber der „Bild am Sonntag“. Wie hoch die Forderungen ausfallen, ist bisher nicht klar, die mögliche Schadenssumme wird laut der Verkehrsrundschau noch berechnet. Da DB Schenker als Spediteur jedoch selbst Tausende Lkw in der Flotte hat, dürfte diese entsprechend hoch ausfallen.
Bereits im März 2017 hatten sich nach Angaben des Handelsblattes mehr als 200 mittelständische Speditionen zusammengeschlossen und eine millionenschwere Schadenersatzforderung gegen die Beteiligten des von der EU aufgedeckten Lkw-Kartells gerichtet. Die Höhe der Forderung liegt bei rund 100 Millionen Euro. Die Spediteure betreiben insgesamt an die 9000 Fahrzeuge, die in der Zeit, zu der das Lkw-Kartell bestand, gekauft wurden. Um die Forderung zu untermauern, haben die Unternehmen ein Gutachten erstellen lassen, das belegen soll, dass die Preise durch Absprachen zwischen den Herstellern im Schnitt um 15 Prozent zu hoch angesetzt waren.
Lkw-Kartell 14 Jahre aktiv
Hintergrund der ganzen Schadensersatzforderungen ist das sogenannte 1997 gegründete Lkw-Kartell. Wie die EU-Kommission Mitte Juli 2016 mitgeteilt hat, habe man festgestellt, dass die Lkw-Hersteller MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF gegen die EU-Kartellvorschriften verstoßen haben. Über 14 Jahre hinweg haben nach EU-Kommissionsauffassung die Unternehmen Verkaufspreise für Lkw abgesprochen und die mit der Einhaltung der strengeren Emissionsvorschriften verbundenen Kosten in abgestimmter Form weitergegeben. Wurden die Absprachen in den ersten sieben Jahren auf höchster Führungsebene der Unternehmen getroffen, wurde ab 2004 das Kartell über die deutschen Tochtergesellschaften der Lkw-Hersteller organisiert.
Die europäische Kommission verhängte deswegen ein Rekordbußgeld in Höhe von 2.926.499.000 Euro. Bei der Festsetzung der Geldbußen berücksichtigte die EU-Kommission den Umsatz der beteiligten Unternehmen im Europäischen Wirtschaftsraum, die Schwere des Verstoßes, den hohen Marktanteil der beteiligten Unternehmen, die geografische Reichweite des Kartells sowie die Dauer.
Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager macht in der Mitteilung der EU-Kommission deutlich, warum die Höhe der Strafe angemessen ist: „Insgesamt sind über 30 Millionen Lkw auf Europas Straßen unterwegs, die rund drei Viertel des Warenverkehrs auf dem Lande in Europa abwickeln und daher von großer wirtschaftlicher Bedeutung für Europa sind. Daher kann nicht hingenommen werden, dass MAN, Volvo/Renault, Daimler, Iveco und DAF, die zusammen etwa neun von zehn der in Europa produzierten mittelschweren und schweren Lkw stellen, untereinander ein Kartell bilden, anstatt miteinander zu konkurrieren. 14 Jahre lang haben sie Preise und die Weitergabe der Kosten für die Einhaltung von Umweltnormen an die Kunden abgesprochen. Unsere Botschaft ist klar: Kartelle haben in Europa keinen Platz.“
Lkw-Hersteller MAN wird Geldbuße erlassen
Die Untersuchung der EU-Kommission wurde eingeleitet, als Lkw-Hersteller MAN unter Inanspruchnahme der Kronzeugenregelung die Existenz des Kartells offengelegt und einen Antrag auf Geldbußenerlass gestellt hatte. Januar 2011 wurden dann entsprechende Untersuchungen durchgeführt. Da die Hersteller Volvo/Renault, Daimler und Iveco bei der Untersuchung mit der EU-Kommission eng zusammengearbeitet haben, wurden die Geldbußen reduziert, wobei sich die Höhe der Reduzierung danach richtet, wann die Unternehmen ihre Zusammenarbeit angeboten haben und inwiefern die von ihnen vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells beigetragen haben.
Ermäßigung nach der Kronzeugenregelung | Ermäßigung nach der Mitteilung über Vergleichsverfahren | Geldbuße in Euro | |
MAN | 100 % | 10 % | 0 |
Volvo/Renault | 40 % | 10 % | 670 448 000 |
Daimler | 30 % | 10 % | 1 008 766 000 |
Iveco | 10 % | 10 % | 494 606 000 |
DAF | 10 % | 752 679 000 | |
Insgesamt | 2 926 499 000 |
Auch wenn MAN keine Strafe von der EU erhalten hat, heißt es nicht, dass das Unternehmen vor Schadensersatzforderungen geschützt ist. Die bisher eingereichten Forderungen stützen sich dabei auf die Angaben der EU-Kommission. So können Personen und Unternehmen, die durch die Preisabsprachen geschädigt wurden, vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf Schadenersatz klagen. Die Beschlüsse der Kommission gelten als Nachweis, dass die Hersteller gegen geltendes Recht verstoßen haben.
Entsprechend bleibt es spannend, wie hoch die entsprechenden Schadensersatzforderungen ausfallen werden. Nach Angaben des Handelsblattes zeigt sich zumindest Daimler kämpferisch. Wie es dort heißt, prüfe Daimler „jedes Schadensersatzverlangen sorgfältig und werde sich entschieden gegen unberechtigte Forderungen verteidigen.“ Daimler schätzt die bislang genannten angeblichen Schadenshöhen als „völlig überzogen“ ein.
Kommentar schreiben