Tesla hat nach mehreren Terminverschiebungen endlichen seinen E-Truck vorgestellt. Der „Tesla Semi“ soll den Lkw-Markt revolutionieren und die Lieferlogistik auf ein neues Level heben. Doch kann der „Tesla Semi“ diese Versprechen auch halten?
Tesla und Apple, beides Technik-Konzerne, die die Welt verändern wollen, lieben große Shows. Jetzt gab es mal wieder so eine Show: Im kalifornischen Hawthorne stellte Elon Musk am 17. November 2017 um 5 Uhr deutscher Zeit den neuen E-Truck namens „Tesla Semi“ vor. Im Vorfeld twitterte er noch mit einem Augenzwinkern:
Tesla Semi Truck unveil to be webcast live on Thursday at 8pm! This will blow your mind clear out of your skull and into an alternate dimension. Just need to find my portal gun ...
— Elon Musk (@elonmusk) 12. November 2017
Bis zu 20 Prozent günstiger im Unterhalt
Und dann war es so weit. Doch der große Wow-Effekt blieb leider aus. Zwar besticht das Design des größeren Sattelschleppers durch seine auf optimale Aerodynamik getrimmten Linien und die weichen Züge eines Sportwagens, doch ob er auch ein kommerzieller Erfolg oder gar die Welt verändern wird, steht in den Sternen. Denn Spediteure, so schreibt die Süddeutsche Zeitung, interessieren sich wenig für Design. Der Kostenfaktor wird entscheiden, wie erfolgreich der Tesla Semi wirklich sein wird.
Laut Elon Musk sollen die Betriebskosten bis zu 20 Prozent unter denen eines Diesel-Lkw liegen. Das soll unter anderem daran liegen, dass die Bremsbeläge während der garantierten Mindestlaufleistung des Lkw von 1,6 Millionen Kilometern angeblich nie erneuert werden müssen. Auch die Frontscheibe, die nahtlos in die beiden Seitenfenster übergeht, soll für Risse nicht anfällig sein. Auch die Möglichkeit, den Tesla Semi in Kolone fahren zu lassen (Platooning) soll die Kosten senken, da der Luftwiderstand geringer sei. Überhaupt klingen die Daten des E-Trucks beeindruckend: Von null auf knapp 100 Stundenkilometer in fünf, voll beladen in 15 Sekunden, eine Reichweite von rund 800 Kilometer mit einer Batterieladung und das Wiederaufladen in wenigen Minuten – wenn sich die Angaben im Alltag bestätigen, wird der Tesla E-Truck eine Zukunft haben.
It can transform into a robot, fight aliens and make one hell of a latte pic.twitter.com/8h9vvWu4f5
— Elon Musk (@elonmusk) 15. November 2017
Die amerikanischen Analysten von Marketwatch haben sich ausführlich mit dem Tesla Semi beschäftigt und die vier Erfolgsfaktoren herausgefunden:
Platooning soll möglich sein
Zum einen wäre da die Reichweite. Tesla spricht von bis zu 800 Kilometern, Experten erwarten eine Reichweite von etwa 480 bis 725 Kilometern. Das Problem: Gerade in den USA sitzen viele Trucker-Fahrer bis zu 1.000 Kilometer auf ihrem Bock. Mit maximal 800 Kilometern eignet sich der Tesla also eher für den regionalen Lieferverkehr. Sollte er doch für Langstrecken eingesetzt werden, muss mindestens einmal aufgeladen werden. Problematisch ist an dieser Stelle jedoch die Abdeckung von Ladestationen. Die bisher existierenden sind in den USA meist nicht auf Trucks ausgerichtet. Sollte der neue Tesla Truck erfolgreich sein und für Langstrecken eingesetzt werden, wird sicherlich nachgerüstet. Bei einem Einsatz im regionalen Lieferverkehr besteht dafür jedoch kein Grund, da der Tesla Semi dann über Nacht an seiner Basis geladen werden kann.
Großes Thema beim Tesla Semi ist zudem das autonome Fahren. Dass der E-Lkw darauf ausgelegt ist, zeigt schon die Positionierung des Fahrers. Dieser sitzt nicht wie gewohnt links am Rand, sondern in der Mitte der Kabine und wird von Computerbildschirmen, die das Armaturenbrett ersetzen, auf beiden Seiten des Lenkrads eingerahmt. Ausgeliefert wird der Tesla mit einem fortgeschrittenen Fahrassistenzsystem (ADAS = Advanced Driver Assistance System). Man geht von einer möglichen Kolonnenfähigkeit des E-Trucks aus, was bedeutet, dass mehrere Lkw alleine oder nahezu alleine einem von Menschenhand gesteuerten Führungsfahrzeug folgen können. Inwiefern sich dies auf die Reichweite auswirken wird, da durch den verringerten Luftwiderstand weniger Antriebskraft verbraucht wird, bleibt abzuwarten. Das sogenannte Platooning wird bisher vermehrt für normale Diesel-Lkw getestet, da so der Spritverbrauch gesenkt werden kann.
Die Konkurrenz schläft nicht und ist sogar schon weiter
Zwar ist Elon Musk davon überzeugt, dass der Tesla Semi bei den Betriebskosten 20 Prozent unter denen eines normalen Lkw liegt, doch zeigen sich die Analysten davon wenig beeindruckt. Sie führen an, dass der Diesel als Hauptkostenpunkt für die Spediteure zwar zunehmend steigen wird, doch geschieht dies nur langsam. Zudem merken sie an, dass es in den USA jetzt schon einen Mangel an qualifizierten Diesel-Mechanikern gebe, weswegen ein ähnlicher Mangel bei E-Truck-Technikern zu befürchten sei.
Wie immer zeigte sich Elon Musk bei der Vorstellung des neuen Tesla Semi davon überzeugt, die Welt zu revolutionieren. Dabei verschweigt er aber, dass er dieses Mal nicht der Pionier ist, der er gern sein würde. Bereits vor einigen Wochen hat nämlich der Fahrzeughersteller Daimler Trucks den vollelektrischen Lkw „Fuso eCanter“ auf den Markt gebracht. Dieser soll zeitnah in die Serienproduktion gehen und noch in diesem Jahr an Kunden aus den USA, Japan und Europa verschickt werden. Insgesamt sollen 500 Stück in den kommenden Jahren ausgeliefert werden, ab 2019 ist dann eine Großserie geplant. Und auch der Lkw-Hersteller MAN hat bereits im Juli die beiden neuen Elektro-Modelle eTGM und eTGS vorgestellt.
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