Express-Lieferdienste erfreuen sich seit der Corona-Pandemie wachsender Beliebtheit. Durch mehr Lieferdienstkurierinnen und -kurieren u. a. auf den Straßen gibt es aber auch mehr Unfälle.
Quick-Commerce-Anbieter wie Flink oder Getir haben sich in urbanen Ballungsräumen längst etabliert. Die Fahrerinnen und Fahrer sind in der Regel auf normalen Fahrrädern sowie mit E-Bikes und Lastenrädern unterwegs, um Bestellungen meist in kürzester Zeit zum Bestimmungsort zu transportieren. Doch die zunehmende Anzahl an Zweirädern, die oft zügig unterwegs sind, und die städtische Infrastruktur scheinen dabei nicht immer ganz optimal zusammenzuwirken. Und auch die Arbeitsbedingungen in der Branche werden in diesem Zusammenhang immer wieder problematisiert.
Wie jetzt eine Erhebung der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) laut dem Wirtschaftsmagazin Capital ergeben hat, habe die Anzahl der Arbeitsunfälle mit Kurierdienst-Angestellten in den letzten Jahren merklich zu genommen: So habe sich die Anzahl von Unfällen allein in Berlin in den vergangenen fünf Jahren verzehnfacht. 2017 wurden noch 50 Unfälle registriert, 2022 waren es bereits 596.
Zeitdruck als Teil des Problems
Der Grünen-Abgeordnete aus der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Christoph Wapler, kritisierte gegenüber Capital in diesem Zusammenhang vor allem die zeitkritischen Lieferversprechen der Anbieter: „Es wird ein unglaublicher Zeitdruck auf die Fahrer aufgebaut, damit das Werbeversprechen mit der 10-Minuten-Lieferung aufgeht.“
Die Fahrräder seien außerdem nicht immer verkehrstüchtig. Bei den Schnelllieferdiensten würden laut Wapler noch immer „Wild-West-Methoden“ herrschen.
Kritik an Arbeitsbedingungen bleibt laut
Die Arbeitsbedingungen in der Lieferbranche stehen immer mal wieder auf dem Prüfstand. Das führten etwa Streiks bei Gorillas (jetzt Getir) vor gut zwei Jahren eindrücklich vor Augen. Eine Studie der Organisation Fairwork aus dem vergangenen Jahr hatte einigen Lieferdiensten zudem eine mangelnde Ausrüstung für Fahrerinnen und Fahrer bescheinigt.
Auch abseits der Quick-Commerce/Supermarkt-Anbieter sind die Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten Thema. Das illustrieren etwa auch jüngste Proteste rund um den finnischen Lieferdienst Wolt: Mitarbeitende des Personaldienstleisters „Mobile World“, die im Auftrag von Wolt unterwegs gewesen sein sollen, seien von dem Subunternehmen um mehrere Hunderttausende Euro geprellt worden, berichtete etwa Gründerszene. Wolt dementiert eine Zusammenarbeit mit dem Dienst, hatte jedoch in der Vergangenheit mit einigen anderen Personaldienstleistern kooperiert. Solche Partnerschaften gebe es seit Januar 2023 nicht mehr. Ein Unternehmenssprecher räumte dem Bericht zufolge ein, dass man diese beendet habe, „nachdem bei Compliance-Audits unsererseits offensichtliche Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden“.
Die Entlohnung von Angestellten spielt auch bei Lieferando eine Rolle: Die Gewerkschaft NGG setzt sich aktuell für Tarifverträge und somit eine bessere Entlohnung für Angestellte bei dem Dienstleister ein.
In den letzten fünf Jahren habe es nach Angaben der Senatsverwaltung bereits mehrere Schwerpunktkontrollen bei Berliner Lieferdiensten gegeben, immer wieder seien Mängel bei der Einhaltung des Arbeitsschutzes und der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten festgestellt worden. Das sei aber noch nicht genug, kritisierte Wapler: „Die Kontrolldichte ist viel zu niedrig.“ Es brauche mehr Personal und eine unabhängige Beschwerdestelle.
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels könnte der Eindruck entstanden sein, dass auch Arbeitsunfälle von Wolt-Angestellten in die Statistik des BGHW eingeflossen sein könnten. Dies ist nicht der Fall, denn diese sind über die BG Verkehr versichert. Der Beitrag wurde entsprechend angepasst.
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