Konzern, Verdi oder die Politik: Wer hat Schuld an der Entlassungswelle bei DHL?

Veröffentlicht: 07.03.2025
imgAktualisierung: 07.03.2025
Geschrieben von: Corinna Flemming
Lesezeit: ca. 3 Min.
07.03.2025
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Schild DHL Group und Deutsche Post
kittyfly / Depositphotos.com
Nach der Ankündigung, vier Prozent der Belegschaft zu entlassen, schieben sich DHL und Verdi gegenseitig den schwarzen Peter zu.


Am gestrigen Donnerstag hat die DHL überraschend einen großen Stellenabbau angekündigt: Von den aktuell 187.000 Angestellten der deutschen Post- und Paketbranche werden 8.000 ihren Job verlieren, das entspricht rund vier Prozent der gesamten Belegschaft. Mit dieser Ankündigung schwang auch gleichzeitig die Schuldfrage mit und warum die DHL zu diesem drastischen Schritt gezwungen ist.

Zwar sind die Entlassungen Teil eines konzernweiten Sparprogramms, das auch andere Maßnahmen in verschiedenen Bereichen umfasst, aber auch der neue Tarifvertrag, der erst zwei Tage zuvor mit der Gewerkschaft Verdi geschlossen wurde, soll laut Konzernchef Tobias Meyer einen ordentlichen Teil zu den Stellenkürzungen beigetragen haben.

Jobkiller Tarifvertrag?

Nach vier Verhandlungsrunden und mehreren Warnstreiks vonseiten der Gewerkschaft Verdi konnten sich beide Parteien schließlich einigen: Post-Beschäftigte bekommen in zwei Schritten insgesamt fünf Prozent mehr Gehalt sowie einen zusätzlichen Urlaubstag. Zwei zusätzliche freie Tage sind es für Mitarbeiter, die länger als 16 Jahre im Konzern angestellt sind. „Mit den zusätzlichen Urlaubstagen musste auf die hohen Belastungen und den überproportional hohen Krankenstand reagiert werden“, kommentierte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis den Wunsch nach mehr Freizeit für die Mitarbeiter.

Dieser hart erkämpfte neue Tarifvertrag soll aber auch in Teilen dazu beitragen, dass bis Ende des Jahres 8.000 DHL-Angestellte ihren Job verlieren. Laut DHL-Chef Meyer wird dieser den Konzern „bis Ende 2026 mit rund 360 Millionen Euro“ belasten und somit den Kostendruck deutlich erhöhen.

Nicht nur der von Verdi quasi erstreikte Tarifvertrag habe eine Teilschuld an der Kündigungswelle. Auch die Bundesnetzagentur und deren Verbot, das Porto nach den Wünschen der DHL zu erhöhen, sorgt nach Angaben des Bonner Logistikers dafür, dass die Kosten immer weiter steigen und der Konzern nicht mit einer angemessenen Preiserhöhung darauf reagieren könne.

Verdi zeigt sich empört

Dass die DHL Group den Tarifvertrag als Grund für die Entlassungswelle vorschiebt, stößt bei Verdi auf heftige Kritik. „Die Aussage des Postvorstandes, der Tarifabschluss sei ein Treiber für den Stellenabbau, weisen wir entschieden zurück“, so die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis. „Der Tarifabschluss stellt sicher, dass die Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit den stark gestiegenen Lebenshaltungskosten Schritt halten.“

In den Augen der Gewerkschaft sind die Lohnanpassungen nur fair, bedenkt man die schwere Arbeit, die Brief- und Paketboten jeden Tag leisten. Außerdem müsse der Arbeitgeber auf die Inflation achten, andernfalls würden Beschäftigte unter Einbußen beim Reallohn leiden.

Gemeinsamer Feind Politik?

Obwohl sich Verdi und die DHL gegenseitig den schwarzen Peter zuschieben, können sich beide Parteien scheinbar noch auf einen gemeinsamen Schuldigen einigen: die Politik. „Der beabsichtigte Stellenabbau ist Ergebnis eines durch die Politik geförderten unfaireren Wettbewerbs in einem immer schneller schrumpfenden Briefmarkt. Dieser Wettbewerb führt nur dazu, dass sozialversicherungspflichtige und tarifvertraglich geregelte Arbeitsplätze verloren gehen und prekäre Arbeitsbedingungen gefördert werden“, so Verdi. Sowohl die Gewerkschaft als auch die Deutsche Post beklagen, dass es seit dem neuen Postgesetz keine Vorteile in Sachen Umsatzsteuer gegenüber der Konkurrenz mehr gibt. „Von der Politik erwarten wir, dass die Regelungen des Postgesetzes konsequent und ausnahmslos umgesetzt werden. Dazu gehört auch, dass dem Preisunterbietungswettbewerb durch steuerliche Vorteilsgewährung für die Wettbewerber der Deutschen Post AG, die allesamt keinen Universaldienst erbringen, ein Riegel vorgeschoben wird“, lautet die Forderung von Kocsis.

Aber egal, welcher Faktor nun entscheidend zum Stellenabbau bei der DHL beigetragen hat, die größten Verlierer in dem ganzen Szenario sind ohne Frage die Mitarbeiter, die von den Kürzungen betroffen sind und am Ende des Jahres ohne Job dastehen werden.
 

Veröffentlicht: 07.03.2025
img Letzte Aktualisierung: 07.03.2025
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Corinna Flemming

Corinna Flemming

Expertin für Internationales

KOMMENTARE
4 Kommentare
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cf
10.03.2025

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Laut Statista sind die Gewinne ja noch im Milliardenbereich https://de.statista.com/statistik/daten/studie/30750/umfrage/ebit-der-deutsche-post-dhl/ Davon einmal abgesehen, dass die "Schuldfrage" nie zielführend ist, sondern eher nach Lösungen gefragt werden sollte - hier mal eine mögliche Lösung: Die Gesamtgewinne von Unternehmen deckeln. Es kann ja ein hoher Wert sein, aber wenn alle Gewinne über 1 Milliarde einfach mit 100% besteuert und an den Staat abgeführt werden müssten, in dem die Gewinne entstanden sind, dann sähe die Welt mal ganz anders aus und die Raffgier würde etwas eingedämmt.
S.K.
10.03.2025

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egal in welche Branche gestreikt wird, man sollte bedenken das es irgendwann Konsequenzen hat .... z.B. Stellenabbau. Und seid einigen Jahren nimmt es Überhand mit den Streiks .... DHL, Deutsche Bahn, Flughafen u.s.w. Jedes Unternehmen muss wirtschaftlich bleiben .....
K.I
10.03.2025

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Meinung: Verdi mt ihren Streikts die für viele nur Erpressungen sind ist ganz klar Schuld an der Entlassungswelle. Weitere Unternehmen werden in Zukunft auch so handeln müssen wie DHL. Die Verdi Forderungen sind krank und nicht zu erwirtschaften! Hoffentlich verliert Verdi von den 8000 Entlassungen auch 8000 Beitragszahler!
Robert
08.03.2025

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Seit einigen Tagen hat sich die Paketzustellung in meiner Stadt spürbar verändert. Bis letzte Woche wurden Briefe und Warenpostsendungen ausschließlich von der Deutschen Post zugestellt, während DHL-Pakete von einem separaten Fahrer gebracht und abgeholt wurden. Dadurch gab es täglich zwei Zusteller zu unterschiedlichen Zeiten. Nun übernimmt die Deutsche Post auch die Paketlieferung und -abholung, sodass kein zusätzlicher Fahrer mehr im Einsatz ist. Dass diese Umstellung unserer Briefträgerin nicht gefällt, kann ich gut nachvollziehen – sie macht jedoch deutlich, was Verdi hier angerichtet hat. Ich sehe die Verantwortung klar bei der Gewerkschaft, denn zu streiken, wenn die allgemeine Wirtschaftslage ohnehin angespannt ist, halte ich für fragwürdig. Nun wird am Personal gespart, wo es nur geht - für mich nachvollziehbar. Angesichts der jahrelangen Trennung dieser Zustellungen wäre es ein großer Zufall, wenn diese Änderung nichts mit den aktuellen Entwicklungen zu tun hätte. Ich bin gespannt, wie lange diese Prozedur überhaupt umsetzbar bleibt.