In Genf beginnt heute die dritte Sondersitzung des Weltpostvereins. Die erste Sondersitzung fand 1900 statt, die zweite im Jahr 2018. Reichlich außergewöhnlich also, was aktuell in der Schweiz passiert. Der Anlass: Die USA wollen zum 17. Oktober 2019 aus dem Weltpostvertrag austreten, der seit 1875 die Bestimmungen und Vorschriften über den internationalen Briefpostdienst vorschreibt (wir berichteten). In der Sondersitzung vom 24. bis 26. September wollen die 192 Mitgliedstaaten des Weltpostvereins jetzt noch rasch einen Kompromiss finden, der die USA im Abkommen halten kann.
Die USA möchten mit dem über 100 Jahre alten Abkommen brechen, weil sie sich finanziell benachteiligt sehen. Der Vertrag regelt die finanzielle Abwicklung von Postsendungen. Land A liefert die Post über die Grenze nach Land B, Land B kümmert sich dann um die Zustellung im Inland. Wie viel Geld Land B für die Zustellung von Land A erhält, kommt darauf an, welcher Entwicklungsstand Land A zugeschrieben ist. Und hier ist das Problem: China gilt im Weltpostverein als Schwellenland. Deswegen kann Post aus China viel günstiger in die EU oder die USA versendet werden, als das im Postverkehr zwischen EU-Staaten und der USA möglich wäre.
Europäische Händler und Logistiker stehen vor großen Problemen
Gerade der Online-Handel verschärft die Problematik. Denn Händler in den USA und in der EU beschweren sich über die Benachteiligung. Die Konkurrenz aus China kann den Kunden spottbilligen oder gar kostenlosen Versand anbieten und in der Folge bestellen die Kunden zahlreich auf Plattformen wie Aliexpress oder Wish Waren aus dem Reich der Mitte. Das führt obendrein zu viel höherem Arbeitsaufwand und CO2-Emissionen für Logistiker.
Ein Kompromiss muss her
Ein Ausstieg der USA aus dem Weltpostvertrag hätte weitreichende Folgen. Zum einen wäre es ein Schlag für die US-amerikanische Post, die künftig Probleme hätte, sich gegen Logistikunternehmen im eigenen Land zu behaupten. Zum anderen würden Versandkosten zwischen der EU und der USA um ein Vielfaches steigen. Daher geht es auf dem Sondergipfel jetzt darum, einen Kompromiss zu finden, der für die US-Regierung tragfähig ist. Drei Optionen werden auf dem Gipfel zur Wahl stehen: Eine einheitliche Erhöhung der Kosten für Schwellenländer, die Möglichkeit für die Empfängerländer selbst die Kosten festzulegen, die bei dem Versand von Waren aus dem Absenderland fällig werden, oder eine Kombination dieser beiden Optionen.
Chinesische Händler sind im Fokus
Die Politik hat die Benachteiligung deutscher Händler gegenüber den chinesischen Mitbewerbern mittlerweile erkannt. Aktuell befindet sich ein Antrag der bayerischen Landesregierung im Bundesrat, der – wenn er am 11. Oktober angenommen wird – die Bundesregierung dazu aufruft, E-Commerce-Plattformen gesetzlich zu mehr Haftung für chinesische Produkte zu verpflichten. Die Bayern fordern außerdem, dass China seinen Schwellenlandstatus im Weltpostverein verliert. Auch die Onlinehandels-Branche ist aktiv: Der europäische Dachverband Ecommerce Europe sitzt dem beratenden Ausschuss des Weltpostverbands vor und ist damit aktiv daran beteiligt, das Weltpostabkommen in Zukunft fairer und ausgeglichener zu gestalten.
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