Mitarbeiter des Verkehrsministeriums sollen Akten zur Maut zur vertraulichen Verschlusssache gemacht haben. Der Druck auf Verkehrsminister Andreas Scheuer wächst damit.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) steht seit dem Maut-Debakel nicht gut da. Die geplante Pkw-Maut auf deutschen Straßen wurde vom Europäischen Gerichtshof als rechtswidrig eingestuft, das Prestige-Projekt von Andreas Scheuer wurde umgehend zum Aufreger. Hunderte Millionen Euro werden die deutschen Steuerzahler wohl zahlen müssen. Die Heute Show, die Satire-Sendung des ZDF, verlieh deshalb – zum wiederholten Male – den Negativ-Preis „Goldener Vollpfosten“ an den Verkehrsminister.
Nun wächst der Druck auf Andreas Scheuer aber offenbar: Wie der Spiegel erfahren haben will, sollen Mitarbeiter des Verkehrsministeriums Akten zur Maut aus dem Bundestag gebracht und zur vertraulichen Verschlusssache erklärt haben. Den Mitarbeitern des Bundestages sollen die Beamten aus dem Bundesverkehrsministerium gesagt haben, dass sie gekommen seien, um Akten zur Pkw-Maut wieder mitzunehmen.
Scheuer brachte Akten mit dem Handwagen vorbei
Den Mitarbeitern „schien die ganze Aktion ein wenig unangenehm zu sein“, zitiert Spiegel Online einen Zeugen. Die Ministerialen hätten sich dann in den Raum zurückgezogen, in dem 52 Aktenordner gelagert wurden. Unter anderem handele es sich um die Akten, die Verkehrsminister Scheuer im Sommer noch medienwirksam auf einem Handwagen in den Verkehrsausschuss geschoben hatte, heißt es weiter.
Mit dieser Aktion habe Scheuer wohl zu signalisieren versucht, dass er in der Maut-Affäre nichts zu verbergen hatte. Nun offenbar der Sinneswandel. Scheuers Beamte „stapften“ mit Ordnern aus den Büros im Paul-Löbe-Haus des Bundestags, die Rückholaktion habe dem Spiegel zufolge mit dem anstehenden Untersuchungsausschuss zu tun.
Über hundert Dokumente neu eingestuft
Nun steht der Verdacht im Raum, dass das Verkehrsministerium verhindern will, dass die in den Akten enthaltenen Informationen in öffentlichen Sitzungen diskutiert werden. Denn das Ministerium hat die 52 Aktenordner am Dienstag ans Sekretariat des Untersuchungsausschusses weitergeleitet – allerdings waren viele Dokumente nun nicht mehr frei verfügbar. „Weit über hundert Dokumente“ hätten Scheuers Beamte neu eingestuft. Viele Dokumente weisen nun den Geheimhaltungsgrad „VS - Vertraulich“ auf. Sie dürfen nun nur noch von Abgeordneten und „sicherheitsüberprüften MItarbeitern“ eingesehen werden.
Für die öffentlichen Sitzungen des Untersuchungsausschusses sind die Dokumente damit erstmal tabu. Das Ergebnis ist dem Spiegel zufolge klar: „Schon jetzt zeichnet sich ab, dass Scheuer die Arbeit des Gremiums durch die Aktion behindert.“
„Der Vorgang mutet bizarr an“
Die Liste dieser Dokumente, die ab jetzt in der Geheimschutzstelle des Bundestags lagern sollen, liege dem Spiegel ebenfalls vor. Es handele sich nach Einschätzung des Magazins dabei um Dokumente, „die für die Aufarbeitung des Debakels von zentraler Bedeutung“ seien. Unter anderem sei der Statusbericht für die Zeit vom 1. Mai bis 28. Mai 2019 als vertraulich eingestuft. Dieser Bericht beschäftigt sich mit dem Vertragsverletzungsverfahren, das Österreich gegen Deutschland angestrengt hatte. In einer Risikobewertung sei ersichtlich, dass den Beamten damals bewusst gewesen sei, dass etwas schiefgehen könne – und nun das Bemühen, diesen Bericht für die Öffentlichkeit zu sperren.
„Der Vorgang mutet bizarr an“, äußerte sich Cem Özdemir (Die Grünen), Vorsitzender des Verkehrsausschusses. „Es wirkt so, als wäre dem Ministerium aufgefallen, dass da doch noch mehr Sachen drin sind, über die nicht berichtet werden darf.“ Er vermutet, dass Scheuers Handwagen-Aktion „überstürzt und unüberlegt vorgenommen“ worden war. Und eine Sache wundert den Grünen-Politiker noch: Bis zu der Abhol-Aktion der Beamten aus dem Verkehrsministerium hätten zahlreiche Abgeordnete Einsicht in die Akten genommen und sich Kopien angefertigt.
Verkehrsministerium verspricht „maximal mögliche Transparenz“
Trotzdem dürfen die Akten, die als „VS - Vertraulich“ eingestuft sind, nicht mehr in die Öffentlichkeit gelangen oder Medien zugänglich gemacht werden. Wer dagegen verstößt, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Das Verkehrsministerium habe unterdessen erklärt, „weiterhin für maximal mögliche Transparenz“ zu stehen. „Da im Untersuchungsausschuss die Beweisaufnahme öffentlich ist, wurde bei einem Teil der Akten eine Änderung der Einstufung vorgenommen“, begründet das Ministerium die Aktion.
Der Untersuchungsausschuss hatte sich vergangene Woche erstmals getroffen und beantragt, die 52 Aktenordner zu erhalten. Das Sekretariat des Verkehrsausschusses hatte sich deshalb darauf eingestellt, die Unterlagen wieder an das Verkehrsministerium zu übergeben – dass Scheuers Beamte aber die Einstufung der Akten ändern könnten, sei den Bundestagsbediensteten nicht in den Sinn gekommen.
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